Erst die Gallenblase, dann das Sightseeing. Mit dieser Offerte lockt IsraMedica zahlungskräftige Amerikaner nach Israel, die Operationen zum Billigtarif suchen und anschließend noch etwas erleben wollen. Ursprünglich als Reisebüro für christliche Pilger konzipiert, erweiterte das Unternehmen jüngst sein Angebot und vermarktet heute den jüdischen Staat als Destination für medizinische Behandlungen zum Schnäppchenpreis.
»Unsere Kunden können so bis zu 62 Prozent ihrer Kosten sparen«, erklärt Eli Knoller, Vizepräsident von IsraMedica. »Eine normale Bypass-Operation kostet in den USA im Durchschnitt rund 144.000 Dollar, in Israel ist sie für nur 27.500 Dollar zu haben.« Von künstlichen Herzklappen, über neue Hüftgelenke bis hin zur In-Vitro-Fertilisation ist fast alles im Programm. »Wir vermarkten die Idee, dass Christen an genau dem Ort behandelt werden können, wo auch Jesus die Menschen heilte. Das kommt bei unserer amerikanischen Kundschaft gut an«, ergänzt IsraMedica-Chef Stuart Katz. »Danach geht es weiter zu den heiligen Stätten in Bethlehem und Galiläa.«
Medizintourismus ist weltweit ein boomendes Geschäft. Auf rund 40 Milliarden Dollar wird das Marktpotenzial geschätzt. Auch Israel möchte ein Stück von diesem lukrativen Kuchen abhaben. Zwar spülen die rund 30.000 ausländischen Patienten derzeit gerade einmal 80 Millionen Euro in die Kassen der israelischen Kliniken, doch verzeichnen einige Krankenhäuser einen enormen Anstieg. Allein die Assuta-Privatklinik in Tel Aviv registrierte 2010 viermal so viele Einkünfte von zahlungskräftigen Nicht-Israelis wie noch 2006, und das Sheba Medical Center verdoppelte diese sogar innerhalb nur eines Jahres.
know-how Kein Wunder, dass die Klinikchefs ein Auge auf dieses Klientel geworfen haben. Als Argument im Wettbewerb gegen andere Hotspots im Medizintourismus wie Indien, Thailand oder die Vereinigten Arabischen Emirate können sie mit ihrem Know-how punkten. Schließlich sind israelische Mediziner in den Feldern Onkologie, künstliche Befruchtung oder Knochenmarktransplantation international Spitze. Trotzdem bewegen sich die Kosten weit unter dem in den USA oder Europa üblichen Niveau.
Noch kommt die Mehrheit der Patienten aus der Ex-UdSSR, weil sie wissen, dass in Israels Kliniken viele Ärzte und Pfleger Russisch sprechen. »Aber wir wollen auch zunehmend Amerikaner und Kanadier für unsere Angebote interessieren«, hofft Nathalie Steiner von der israelischen Abteilung der Medical Tourism Associaton.
Bevorzugt Doch nicht alle sind von diesem Trend begeistert. Denn gerade in Zeiten klammer Budgets freuen sich die Krankenhausdirektoren ganz besonders über zusätzliche Einnahmen dank der Patienten aus dem Ausland. Ihnen kann man für Operationen und Pflege gerne mal 30 Prozent mehr in Rechnung stellen als Israelis, denen die strikten Vorgaben der israelischen Krankenkassen klare Grenzen setzen.
»Für das Geschäft mit ausländischen Staatsbürgern gibt es überhaupt keine Regeln«, beklagte vor über einem Jahr Aryeh Paz, Leiter des Rechnungswesens im Gesundheitsministerium. »Deshalb befürchten wir eine Benachteiligung gegenüber den israelischen Patienten.« Für seine Bedenken gibt es gute Gründe: Vor einem Jahr rief ein Reporter von Haaretz unter einem Pseudonym beim Sheba Medical Center an und fragte, wie lange eine 60-jährige Nierenkranke aus dem Ausland auf eine Operation warten muss. »Sagen Sie mir eine Woche im Voraus, wann die Frau eintrifft, und alles wird innerhalb weniger Tage arrangiert sein«, lautete die Antwort. »Eine gleichaltrige israelische Patientin mit denselben Beschwerden dagegen hätte auf einen Operationstermin zwei oder drei Monate warten müssen«, schrieb Paz.
Quotiert »Israelis müssen weiterhin Priorität haben«, lautet die Forderung von Roni Gamzu, Generaldirektor des Gesundheitsministeriums. Er plädiert sogar für Quoten, wenn es um Ausländer geht, die auf den OP-Tischen landen dürfen. Mehr als fünf Prozent sollten es Gamzus Meinung zufolge nicht sein, entsprechende gesetzliche Vorschriften will er jetzt auf den Weg bringen.
Von solchen Ideen sind die Krankenhäuser wenig begeistert. »Das Geld der Patienten aus dem Ausland trägt mit dazu bei, die Versorgung israelischer Staatsbürger zu verbessern«, glaubt Professor Arnon Afek. »Zudem gewinnen unsere Ärzte dadurch zusätzliche Expertise, weil aufgrund der geringen Bevölkerungszahl bestimmte komplizierte Krankheiten in Israel nur sehr selten vorkommen«, lautet sein Argument gegen staatliche Intervention. Afek leitete eine Kommission, die wegen der öffentlich gewordenen Bevorzugung von ausländischen Patienten vom Gesundheitsministerium eingerichtet worden war und die vor einigen Monaten ihre Empfehlungen vorlegte. Im Hauptberuf ist Afek übrigens Vizedirektor des Sheba Medical Center.