Freude will dieser Tage niemand empfinden. Doch die Menschen in Israel atmeten zunächst erleichtert auf, als sie am Freitagmorgen die Nachrichten hörten. Jerusalem und die Hamas im Gazastreifen hatten sich Donnerstagnacht auf eine 72-stündige Waffenruhe geeinigt, die die USA und die EU vermittelt hatten. Besonders die USA mit Außenminister John Kerry hatten seit Tagen Druck auf Jerusalem ausgeübt, endlich eine humanitäre Waffenruhe einzusetzen. Doch selbst wenn Israel – wie bereits zweimal zuvor – einer Pause zustimmte und diese sogar einseitig einhielt, feuerte die Hamas stetig weiter.
In die Entspannung mischte sich Entsetzen, denn nur wenige Stunden zuvor waren bei einem Mörserangriff auf den Süden fünf Soldaten der Streitkräfte Israels (IDF) getötet worden. Am Donnerstag wurden außerdem zwei Zivilisten durch eine Granate in der Kleinstadt Kirjat Gat verletzt. Die Opferzahl auf israelischer Seite ist auf 64 gestiegen, in Gaza sollen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mehr als 1450 Menschen bei den Kämpfen ums Leben gekommen sein. Tausende wurden verletzt.
Raketen Minuten vor der Pause heulten noch die Sirenen durch Aschdod, sechs Raketen schoss die Hamas auf die Hafenstadt, drei fing das Abwehrsystem Iron Dome ab, die restlichen landeten auf offenem Feld und richteten keinen Schaden an. Auch im Gazastreifen wurden die ganze Nacht über heftige Kämpfe gemeldet. Obwohl sich viele Kommentatoren bereits vor Eintritt der Ruhe pessimistisch äußerten – »Bisher ist noch jede Ruhe gebrochen worden« –, schwiegen die Waffen um zehn Uhr israelischer Zeit noch. Doch die Reporter sollten Recht behalten: Schon vier Minuten darauf schrillte der Alarm in den südlichen Gemeinden wieder ohrenbetäubend. Die Geschosse gelangten allerdings nicht bis ins israelische Kernland, sondern explodierten innerhalb des Gazastreifens.
Am frühen Freitagmorgen hatte das Büro des Premierministers bestätigt, dass sich die Seiten auf eine Feuerpause geeinigt hatten. Die USA hatten bereits kurz zuvor erklärt, dass sie um acht Uhr morgens in Kraft treten soll. Vor allem den Menschen in Gaza sollte damit die Möglichkeit gegeben werden, ihre Toten beizusetzen, Vorräte aufzustocken und in ihre Häuser zurückzukehren. Außerdem war geplant, die beschädigte Wasser- und Stromversorgung instand zu setzen.
Al-Aksa Gleichzeitig hatte die Hamasführung die Palästinenser im Westjordanland zu einem »Tag des Zorns« gegen die IDF und die Siedler aufgerufen. Ein Großaufgebot der Polizei marschierte daraufhin in Jerusalem auf, um eventuelle Ausschreitungen im Keim zu ersticken. Ausgangspunkt für Gewalt sind oft die Freitagsgebete in der Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg. Die Behörden beschränkten daher den Zutritt zu dem moslemischen Gotteshaus. Lediglich Frauen sowie Männern ab 50 Jahren ist es heute erlaubt, dort zu beten.
In den vergangenen Tagen waren die Forderungen auch innerhalb Israels lauter geworden, dass die Operation »Protective Edge« zu einem Ende kommen und die Gewalt aufhören müsse. »Die Mission ist erfüllt«, hieß es aus anonymen Quellen innerhalb der Armee. Doch stattdessen hatte Israel noch einmal 16.000 Reservisten mobilisiert; damit sind rund 86.000 Soldaten der IDF im Einsatz.
Tunnel Außerdem forderte Premier Benjamin Netanjahu die Regierungsmitglieder auf, jetzt zusammenzustehen, und betonte, Israel werde damit fortfahren, die Tunnel der Hamas zu zerstören – mit oder ohne Feuerpause. »Ich werde keinem Vorschlag zustimmen, der es dem Militär nicht ermöglicht, diese für die Sicherheit Israels bedeutende Maßnahme zu erfüllen«, betonte Netanjahu.
Während dieser Waffenruhe hätte die IDF weiterhin Tunnel zerstören können und sich auch noch nicht unmittelbar aus Gaza zurückziehen müssen. Doch schon um zwei Minuten vor elf Uhr wurden wieder heftige Kämpfe aus Rafah im Gazastreifen gemeldet. »Dieser Waffenstillstand verdient den Namen ›Stillstand‹ nicht einmal«, sagte ein Kommentator nach den Elf-Uhr-Nachrichten im israelischen Radio Eco FM. Und so liegt die ersehnte Ruhe kurz vor dem Schabbat wieder einmal in Trümmern.