In Deutschland beginnt der Streit über ihre Abschaffung gerade. In Israel dagegen verschwindet sie jetzt endgültig aus der Öffentlichkeit. Die Rede ist von der Gesichtsmaske, die seit Ausbruch der Pandemie vor nunmehr bald eineinhalb Jahren zwischen Jordan und Mittelmeer mindestens ebenso omnipräsent war wie hierzulande. Am 18. April bereits wurde die Pflicht zum Tragen im Freien aufgehoben.
Nun muss sie auch in geschlossenen Räumen nicht mehr aufgesetzt werden. Vor rund zwei Wochen verkündete das Gesundheitsministerium, dass dafür keine Notwendigkeit mehr bestehen würde, weshalb seit diesem Dienstag nun endgültig Schluss damit ist. Am Montagabend unterzeichnete denn auch Ministeriumsdirektor Professor Chezy Levy eine entsprechende Order. Wer in Israel jetzt einen Supermarkt betritt, eine Behörde besucht oder einfach nur ins Büro geht, braucht keine Maske mehr.
Über Wochen hinweg hatte man beobachtet, ob die Lockerungen vom April die Infektionszahlen beeinflussten oder nicht. Denn anders als nach der ersten Infektionswelle im Frühjahr 2020 – damals wurden alle Schutzmaßnahmen sehr schnell und ohne Konzept wieder aufgegeben – sollte es diesmal keine bösen Überraschungen geben.
IMPFUNGEN »Die Impfungen haben ihre Wirkung gezeigt,« hatte Noch-Gesundheitsminister Yuli Edelstein vom Likud dann am 6. Juni erklärt. »Nachdem wir fast alle Einschränkungen für das zivile Leben sukzessiv aufgehoben haben, wird jetzt auch die Vorschrift zum Tragen eines Mund- und Nasenschutz in geschlossenen Räumen entfallen – solange die Infektionsrate niedrig bleibt.«
Genau das ist am Dienstag geschehen. »Israel ist inzwischen das Land mit den meisten Impfungen in der Welt.« Und dies zeigen Wirkung. Als die Pandemie vor fünf Monaten ihren Höhepunkt hatte, zählte man an manchen Tagen fast 9000 Neuinfizierte. Am Sonntag waren es gerade einmal 19. Manchmal sind es auch nur vier. Gab es im Winter 88.000 aktive Coronafälle auf einmal, von denen über 1200 einen schweren Verlauf aufwiesen, so sind es aktuell nur noch 212. In einem kritischen Zustand befinden sich im Moment 29 Personen.
SCHULEN Einige Ausnahmen soll es allerdings noch geben, allen voran in den Schulen. Weil die Impfung von Jugendlichen im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren am vergangenen Sonntag gerade erst begonnen hatte, muss in Klassenräumen der Mund- und Nasenschutz weiter getragen werden. Aus dem Gesundheitsministerium hieß es aber bereits, dass die Pflicht dazu sofort entfällt, wenn die Infektionszahlen so niedrig bleiben wie bisher.
Andere Personengruppen, für die sie noch gelten soll, sind nicht geimpfte oder bereits von Covid-19 genesene Mitarbeiter und Besucher in Sozialstationen sowie das Personal in Langzeitpflegeeinrichtungen oder Altersheimen. Aber auch wer sich auf dem Weg in die Quarantäne befindet oder ein Flugzeug besteigt, muss die Maske weiter tragen.
Die Israelis freuen sich über die wiedergewonnene Freiheit. »Vor einigen Tagen war ich endlich mal wieder im Kino«, berichtet Dani Atoun. »Zwar galt zu diesem Zeitpunkt noch die Maskenpflicht, aber als das Licht ausging, habe ich sie einfach abgesetzt«, so der 57-Jährige aus Herzliya. »Ich bin wie die meisten anderen geimpft, weshalb ich darin kein Risiko sah.«
Seit Dienstag ist das nun kein Regelverstoß mehr. Trotzdem stellt sich manchmal ein mulmiges Gefühl ein. »Sobald Leute im Kino anfangen zu husten, beunruhigt mich das anders als in der Zeit vor der Pandemie. Ich weiss, es ist ein wenig irrational. Aber es geschieht ganz automatisch. Einen Mund- und Nasenschutz würde ich mir dennoch nicht wieder deshalb aufsetzen.«
VORSICHT Manche dagegen bleiben noch vorsichtig. »In Supermärkten behalte ich weiterhin die Maske auf«, sagt Zeev Prinz. »Keine Ahnung warum, aber ich fühle mich dann einfach sicherer«, so der Rechtsanwalt aus Tel Aviv. Viele andere Israelis sahen das gelassener. Schon seit Wochen wurde die Maskenpflicht in Geschäften sowieso eher flexibel interpretiert.
Während in Israel mit seiner Impfquote von derzeit etwas über 63 Prozent der Mund- und Nasenschutz jetzt also weitestgehend Geschichte geworden ist, raten in Deutschland, wo erst rund 48 Prozent der Bevölkerung eine Erstimpfung erhalten haben, Experten wie Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, noch zur Vorsicht.
Erst eine Impfquote von mindestens 70 Prozent erlaube seiner Meinung nach eine Lockerung der entsprechenden Vorschriften – vorausgesetzt, die Inzidenzwerte bleiben weiterhin auf niedrigem Niveau. Daran würde auch die aktuelle Entspannung der pandemischen Situation wenig ändern. Bis auch hierzulande wie in Israel alle sagen können »Schön, Sie wiederzusehen«, wird es wohl noch eine Weile länger dauern.