Österreich und Dänemark wollen nicht mehr auf die Europäische Union warten. Bundeskanzler Sebastian Kurz aus der Alpenrepublik und die dänische Premierministerin Mette Frederiksen werden am Donnerstag in Israel erwartet, um mit Regierungschef Benjamin Netanjahu über die Beschaffung und Produktion von Vakzinen zu sprechen. Damit erleidet die europäische Solidarität in Sachen Impfstoffe einen weiteren Schlag.
TREFFEN In erster Linie soll es bei dem Treffen um die Forschung und Kooperation für die nächste Generation an Vakzinen gehen. Kurz hatte am Dienstag gesagt, dass sein Land und Dänemark sich bei Impfstoffen nicht weiter ausschließlich auf die EU verlassen wollten.
Gegenüber der österreichischen Presseagentur APA erklärte Kurz, es sei prinzipiell richtig, einen europaweiten Ansatz für die Impfungen zu verfolgen, jedoch meine er, dass die Arzneimittelbehörde der EU (EMA) zu langsam bei der Genehmigung der Impfstoffe ist.
»Wir müssen uns auf die kommenden Mutationen vorbereiten.«
Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz
»Wir müssen uns auf die kommenden Mutationen vorbereiten und sollten nicht länger ausschließlich von der EU abhängig sein, wenn es um die Produktion von Vakzinen der zweiten Generation geht.« Man werde stattdessen in den kommenden Jahren zusammen mit Israel Impfstoffe herstellen und zudem gemeinsame Behandlungsmöglichkeiten erforschen.
Damit liegt Kurz ganz auf einer Linie mit Netanjahu. Die beiden pflegen seit Jahren ein freundschaftliches Verhältnis, der israelische Regierungschef wurde oft als »väterlicher Freund« von Kurz bezeichnet.
KINDER Netanjahu hatte am Wochenbeginn in einem Interview gesagt, dass er »sofort 36 Millionen weitere Impfdosen beschaffen« will. Man brauche alle sechs Monate 18 Millionen neue Mittel, um die gesamte Bevölkerung im Land zu impfen, führte er aus. Dabei ist er überzeugt, dass bald auch ein Vakzin existieren wird, das Kindern verabreicht werden kann. »Es gibt eine riesige Konkurrenz unter den Ländern, und ich bin entschlossen, bei der Einfuhr von Millionen Impfdosen erneut die Länder der Welt anzuführen.«
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte in Kopenhagen, es gehe darum, wie man angesichts des großen und langfristigen Bedarfs an Impfstoffen die Produktionskapazitäten wesentlich steigern könne. Dies könne auch den gemeinsamen Bau von Fabriken für Impfstoffe bedeuten. Die Zusammenarbeit mit Israel betrachte sie nicht als einen Bruch der Kooperation in der EU. Die Israelis seien bei ihrem Impfprogramm Vorreiter, und davon solle Europa lernen.
»Man kann nicht irgendein Modell nehmen und es der EU überstülpen.«
Sprecher EU-Kommission, Eric Mamer
Die EU hat Verträge mit den Unternehmen Moderna, AstraZeneca, Sanofi-GSK, Johnson&Johnson, BioNTech-Pfizer und CureVac unterzeichnet. Im Angesicht von Produktions- und Lieferschwierigkeiten jedoch liegt die Impfkampagne gegen das Coronavirus in den Mitgliedstaaten der Union weit hinter denen von Israel, Großbritannien und den USA.
Nach Angaben der EU sind mittlerweile rund 33 Millionen Impfungen durchgeführt worden, elf Millionen Europäer seien vollständig immunisiert. Impfstofffabriken in der Europäischen Union versorgten derzeit viele andere Länder mit Vakzinen, während aus den USA und Großbritannien wenig oder gar nichts exportiert werde.
HERAUSFORDERUNGEN Der Sprecher der EU-Kommission, Eric Mamer, erklärte, dass die Europäische Union mit 27 Mitgliedstaaten und einer Bevölkerung von 450 Millionen viel größeren Herausforderungen ausgesetzt ist als das kleine Land Israel. »Man kann man nicht irgendein Modell nehmen und es der EU überstülpen.« Er betonte, dass jedes Land für den Roll-out der Impfkampagne selbst verantwortlich sei.
In dem Neun-Millionen-Einwohner-Staat Israel sind mittlerweile in einer außerordentlich erfolgreichen Aktion 4,8 Millionen Menschen geimpft worden. 52 Prozent der Bevölkerung haben die erste Spritze erhalten, 38 Prozent bereits die zweite. Bislang ist dafür ausschließlich das Mittel von BioNTech-Pfizer benutzt worden.