Analyse

Notwendiger Präventivschlag

Israelische Artilleriestellung in der Nähe des Gazastreifens Foto: Flash90

Auf eine Woche war die israelische Militäroperation gegen die Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Dschihad (PIJ) ursprünglich angelegt. Am Ende dauerte sie nur 66 Stunden. Am späten Sonntagabend trat ein Waffenstillstand in Kraft, der bis Redaktionsschluss auch eingehalten wurde.

Angesichts der unmittelbaren Bedrohung der Zivilbevölkerung im Süden Israels durch die Raketen des PIJ sei ein Präventivschlag gegen die Terroristen notwendig gewesen, verlautete es aus israelischen Sicherheitskreisen.

terrorgruppe In einer ersten Bewertung des Einsatzes zeigten sich israelische Offizielle und Beobachter zufrieden. Zwar sei es dem PIJ – einer weitgehend vom Iran finanzierten, Anfang der 80er-Jahre gegründeten Terrorgruppe mit 8000 bis 10.000 Aktivisten – gelungen, mehr als 1100 Raketen auf zivile Ziele in Israel abzufeuern.

In einer ersten Bewertung des Einsatzes zeigten sich israelische Offizielle und Beobachter zufrieden.

Von diesen ging aber laut israelischen Angaben rund ein Fünftel im Gazastreifen selbst nieder. So zeigt ein in den sozialen Netzwerken veröffentlichtes Video, wie ein solches Geschoss neben einem Wohnhaus in Gaza niederkommt und eine schwere Explosion auslöst.

Zudem stellte das Abwehrsystem »Iron Dome« wieder seine Effizienz unter Beweis: 97 Prozent der Geschosse, die es auf israelisches Territorium schafften, seien vor dem Einschlag unschädlich gemacht worden, gab das israelische Militär (IDF) bekannt. 13 Häuser auf israelischem Gebiet wurden beschädigt. »Nicht auszudenken, was hier los gewesen wäre, wenn wir den Iron Dome nicht hätten«, sagte ein israelischer Offizieller.

luftschläge Im Gazastreifen fügte der Militäreinsatz dagegen den Kämpfern des PIJ erheblichen Schaden zu. Zwei ihrer Führer in Gaza wurden durch Luftschläge getötet. Der IDF gelang es zudem, 17 Raketendepots und Abschussrampen zu zerstören. Der PIJ hatte schon nach zwei Tagen genug von der militärischen Konfrontation mit dem übermächtigen Feind und regte einen Waffenstillstand an, der unter ägyptischer Vermittlung recht schnell zustande kam.

Im Gegensatz zu früheren Auseinandersetzungen mit Israel hielt die Hamas diesmal still – der Palästinensische Islamische Dschihad stand mit seiner Aktion allein auf weiter Flur.

Ob diese Zurückhaltung machttaktisch motiviert war oder auch damit zu tun hatte, dass die Hamas nicht die jüngst von Israel gewährten Arbeits­genehmigungen für mehr als 14.000 Palästinenser aus Gaza aufs Spiel setzen wollte, die zu einer Verbesserung der wirtschaftlichen Situation des von ihr seit 2007 kontrollierten Gebiets beigetragen haben, ist unklar.

existenzrecht Sowohl der PIJ als auch die Hamas lehnen Israels Existenzrecht ab und bekämpfen den jüdischen Staat mit Gewalt. Beide haben sich in der Vergangenheit nicht gescheut, massenhaft Raketen auf zivile Ziele in Israel abzufeuern. Der PIJ verfüge aber im Gegensatz zur Hamas über keine zusätzlich politische und soziale Idee, sondern sei eine reine Terrortruppe, so Kobi Michael vom Institute for National Security Studies (INSS) in Tel Aviv.

»Der Palästinensische Islamische Dschihad ist der Bevölkerung gegenüber nicht rechenschaftspflichtig«, sagte er bei einem Medienbriefing der Europe Israel Press Association (EIPA) Anfang dieser Woche. Für Michael war der Militäreinsatz ein Erfolg. »Der PIJ wurde in diesen drei Tagen dramatisch geschwächt und gedemütigt«, sagte er.

Niemand habe ihn unterstützt, und die Hamas, die sich als Anführerin des bewaffneten Widerstands der Palästinenser gegen Israel sehe, würde sich klammheimlich sogar über den israelischen Schlag gegen die Rivalen freuen, so der ehemalige Abteilungsleiter für palästinensische Fragen im Ministerium für strategische Angelegenheiten. »Es wird für die Hamas nun weitaus einfacher sein, die Kontrolle auszuüben, und sie wird es dem PIJ nicht so einfach gestatten, sich zu regenerieren«, sagte Michael.

Gazastreifen Das Problem des Waffenschmuggels aus dem Sinai in den Gazastreifen sei mit dem Einsatz vom Wochenende aber nicht gelöst. Nach wie vor würden iranische Raketen in großer Zahl durch Tunnel in das Palästinensergebiet verbracht, so der INSS-Experte.

Die Hamas habe verschiedene Finanzquellen, sie agiere wesentlich unabhängiger vom Iran, als der PIJ das tun könne. So war es wohl kein Zufall, dass zeitgleich zu den militärischen Auseinandersetzungen der PIJ-Generalsekretär Ziyad al-Nakhalah zu Gesprächen in Teheran war. Dort traf er sich unter anderem mit Präsident Ebrahim Raissi sowie Vertretern der Revolutionsgarden, welche die iranischen Aktivitäten im Ausland koordinieren.

Die Kämpfer des PIJ sind nicht nur im Gazastreifen aktiv, sie operieren auch in den von der palästinensischen Autonomiebehörde verwalteten Gebieten im Westjordanland. Ihr Ziel dort ist laut Kobi Michael auch, die regierende Fatah von Mahmud Abbas zu schwächen.

dschihadisten Gerade im nördlichen Westjordanland seien die Dschihadisten zuletzt stärker geworden, hätten neue Anhänger rekrutiert und auch die Zusammenarbeit mit der Hamas – dem Erzfeind der Fatah – intensiviert

Im Gegensatz zu früheren Auseinandersetzungen mit Israel hielt die Hamas diesmal still.

Habe Israel dem Treiben dort lange Zeit eher zugesehen und eine Strategie der Eindämmung verfolgt, so Kobi Michael, sei man zuletzt deutlich aggressiver gegen den PIJ vorgegangen. Verteidigungsminister Benny Gantz drohte al-Nakhalah, er könne sich nirgendwo mehr seines Lebens sicher sein.

Ministerpräsident Yair Lapid richtet den Blick nach vorn. In einer Ansprache am Montag sprach er die Bewohner des Gazastreifens direkt an: »Es gibt auch einen anderen Weg.« Jeder, der in Frieden mit Israel leben wolle, könne dies tun. »Es gibt einen anderen Weg zu leben, den Weg des Abraham-Abkommens, des Negev-Gipfels, der Innovation und der Wirtschaft, der regionalen Entwicklung und der gemeinsamen Projekte.«

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