Direktflüge von Tel Aviv nach Dubai, Sonderangebote in Hotels, offene Telefonleitungen, ein Austausch von Sängern und anderen Künstlern, Wirtschaftsdeals in Milliardenhöhe und natürlich diplomatische Beziehungen. Politiker auf beiden Seiten frohlocken über das bevorstehende Friedensabkommen, das Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterzeichnen wollen.
Was noch vor wenigen Tagen undenkbar schien, soll nun bald Realität werden. Am vergangenen Donnerstag hatten die Emirate überraschend verkündet, sie wollten die Beziehungen zu Israel vollständig normalisieren. Im Gegenzug hat Jerusalem vor, zunächst auf die Annexion von Teilen des Westjordanlandes zu verzichten. Beide Staaten sind vehemente Gegner der aggressiven iranischen Expansionspolitik.
Zuvor hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu an einer Konferenz mit dem emiratischen Kronprinz Scheich Mohammed bin Zayed und US-Präsident Donald Trump teilgenommen. »Dies ist der größte Fortschritt in Richtung Frieden seit 26 Jahren. 1979 schloss Premier Menachem Begin Frieden mit Ägypten, 1994 Premier Yitzhak Rabin mit Jordanien«, erläuterte Netanjahu im Anschluss. »Und heute fühle ich mich geehrt, ein formales Friedensabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zu verkünden.«
Vermittelt hatten der ägyptische Präsident Abdel Fattah el-Sisi sowie die Staaten Oman und Bahrain. Präsident Reuven Rivlin lud den Kronprinzen mit dem arabischen Willkommensgruß »Ahlan wa’Sahlan« nach Jerusalem ein.
TABU Es war in der Tat eine historische Ankündigung: Als dritter arabischer Staat nach Ägypten und Jordanien und als erste Golfnation wollen die Vereinigten Arabischen Emirate offiziell Frieden schließen. Bislang galt es als Tabu für alle arabische Staaten, Verträge mit Israel zu schließen. Zwar hatte es bereits seit einigen Jahren Verbindungen zwischen den Ländern gegeben, doch lediglich im Geheimen. Der Leiter des Nationalen Sicherheitsrates, Meir Ben-Shabbat, soll die zukünftigen Gespräche mit den Emiratis leiten. Netanjahu dankte insbesondere Mossad-Chef Yossi Cohen für »seine jahrelange fruchtbare Arbeit mit den Golfnationen«. Cohen war bereits am Montag wieder nach Abu Dhabi gereist, um die Gespräche fortzuführen, eine größere israelische Delegation soll Ende dieser Woche folgen. Vertreter des Koalitionspartners Blau-Weiß jedoch werden nicht daran teilnehmen, gab Netanjahu zu. Sogar Außenminister Gabi Ashkenazi ist nicht eingeladen. Angeblich sei dies ein Wunsch aus Washington gewesen.
Der Außenminister der VAE, Anwar Gargash, sagte in einem Interview mit der israelischen Website Walla: »Offensichtlich haben uns 70 Jahre, die wir nicht mit Israel kommuniziert haben, nichts gebracht. Wir müssen eine neue Methode finden, die Dinge zu handhaben. Wir können unterschiedlicher Meinung in politischen Dingen sein und in unpolitischen Angelegenheiten gleichwohl zusammenarbeiten.«
SCHRITT »Mazal tov!«, schrieb eine emiratische Bloggerin daraufhin auf Twitter. Netanjahu sagte am Montag: »Dies ist ein Wandel, eine Revolution.« Er sei sicher, dass alle Israelis davon profitieren werden.
Kurz nach dem Bekanntwerden war es auch das Thema in israelischen Fernsehsendungen. Durch die offenen Telefonkanäle riefen mehrere Studios in Live-Sendungen in den Emiraten an. Kanal zwölf sprach mit einem Hotelier in Dubai. »Jeder hier ist begeistert über einen Frieden mit Israel«, sagte der in perfektem Englisch. »Ich freue mich darauf, Sie hier zu begrüßen und werde Ihnen 40 Prozent Rabatt auf das Hotelzimmer gewähren.«
»Es ist ein historischer Schritt zum Frieden«, meint Bahrains König Hamad bin Isa al-Chalifa. Auch die Europäische Union drückte ihre Unterstützung aus. Der Außenbeauftragte der Union, Josep Borrell, lobte die Ankündigung im Namen aller EU-Staaten. Eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen werde beiden Staaten nützen und ein wichtiger Schritt zur Stabilisierung der gesamten Region sein.
INVESTITIONEN Bei einem Besuch des noch immer nahezu verwaisten Ben-Gurion-Flughafens ließ Netanjahu wissen, dass man bereits daran arbeite, Flugverbindungen zwischen Tel Aviv und Dubai sowie Abu Dhabi aufzunehmen. Die Route soll über Saudi-Arabien führen. »Es ist ein sehr kurzer Flug, drei Stunden, nicht länger als nach Rom.« Dies werde die israelische Luftfahrt verändern und die Wirtschaft mit einer großen Tourismuswelle in beiden Richtungen versorgen sowie riesige Investitionen bringen. »Soweit ich weiß, hat Israir bereits einen Antrag gestellt.«
Dubai verfüge über eine der größten Freihandelszonen der Welt, Rohmaterialen würden dort zu sehr preisgünstigen Produkten verarbeitet, führte Netanjahu aus, »und die werden im Rahmen des Friedensabkommens hier bei uns ankommen«. Er sei darüber hinaus sicher, dass es große Investitionen in israelische Technologie und sogar Immobilien geben wird. »Den Emiratis gefällt, was sie hier bei uns sehen.«
Es werde »ein Frieden zwischen zwei Ländern sein, die sich gegenseitig respektieren und zusammenarbeiten«. Damit spielte der israelische Regierungschef auf die eingefrorenen Gespräche mit den Palästinensern an.
Die Einigung mit den Emiraten entspreche einer »anderen Doktrin«. »Sie steht im kompletten Gegensatz zu der Auffassung, die noch bis vor wenigen Tagen herrschte, dass kein arabischer Staat Frieden mit Israel schließen wird, bevor der Konflikt mit den Palästinensern beendet ist. Diese Auffassung von ›Frieden für Rückzug und Schwäche‹ ist jetzt Geschichte.«
Die Palästinenser sind über die Freundschaft zwischen Israel und den VAE alles andere als glücklich. Dabei könnte dies auch für sie von Vorteil sein. Nicht nur in Sachen Handel, sondern auch, weil die von ihnen mit Sorge gesehene Annexion dadurch zumindest vorerst auf Eis gelegt ist.
Die EU begrüßt die Einigung, die Palästinenser sind wütend.
Das bestätigte US-Präsident Donald Trump in Washington. Auf die Frage von Journalisten antwortete er, dass die Annexion »erst einmal vom Tisch« ist. Netanjahu allerdings betonte in einer Pressekonferenz in Israel, dass das »nicht für immer so sein« wird. Der Abgeordnete Bezalel Smotrich von der Rechtsaußen-Partei Jamina warf dem Premier vor, dass er mit der Absage an die Annexionspläne ein zentrales Wahlkampfversprechen gebrochen habe.
DROHUNG Der iranische Präsident Hassan Ruhani drohte den Emiraten wegen der Normalisierung der Beziehungen zu Israel mit Konsequenzen. »Falls die VAE mit dem Gedanken spielen, Israel den Zutritt zu der Region zu ermöglichen, wird eine härtere Gangart eingeschlagen.« Ruhani wertet die Vereinbarung als Verrat an den Palästinensern und Muslimen weltweit.
Allerdings könnte sich durch einen Frieden mit den Emiraten auch einer mit dem Nachbarn Libanon abzeichnen. Dieser Auffassung sind verschiedene Nahostexperten. Libanons Präsident Michel Aoun meint jedoch: »Wir haben Probleme mit Israel, und die müssen erst gelöst werden.«
Israel und die Emirate wollen ihre Zusammenarbeit schon bald in die Tat umsetzen. Zum Beispiel im Kampf gegen die Covid-Pandemie. Eine emiratische Investmentfirma und ein israelisches Hightech-Unternehmen kündigten an, bei Studien zum Virus zu kooperieren.