Für Liora Argamani sind es die dunkelsten Tage ihres Lebens. Während sie um ihre Tochter Noa bangt, kämpft sie gegen Krebs im Endstadium. Die Mutter wünscht sich nur eines: ihr einziges Kind noch einmal wiederzusehen. Mehr als drei Monate lang wusste sie nicht, ob Noa noch lebt. Dann am Sonntag endlich ein Lebenszeichen – wenn auch ein unendlich grausames: Die 26-Jährige tauchte in einem Propagandavideo der Hamas auf.
Noa Argamani wurde am 7. Oktober zusammen mit ihrem Freund Avinatan Or vom Nova-Festival in der Nähe des Kibbuz Re’im verschleppt. Beide schienen äußerlich unverletzt. Noa wurde zum Symbol des Schwarzen Schabbats, bei dem mehr als 1200 Menschen auf brutalste Weise von Hamas-Terroristen ermordet und 240 entführt wurden, als sie von Männern auf einem Motorrad weggefahren wird.
In dem Clip sieht man, wie die junge Frau die Hände in Richtung Avinatan streckt, weint und bettelt: »Bitte tötet mich nicht!«. Ihr Freund wird neben ihr von bewaffneten Männern weggeführt, den Blick resigniert nach unten gesenkt.
Die beiden hatten sich mehrere Stunden lang versteckt und wiederholt versucht, Rettungskräfte zu rufen. Sie teilten ihren Standort mit und informierten ihre Freunde und Familie über das Geschehen. Yaacov Argamani, Noas Vater, sprach noch kurz mit Avinatan. Er habe ihm gesagt: »Alles in Ordnung, ich rufe in zehn Minuten zurück.« Doch nichts war in Ordnung.
Auch Noa Argamani ist in der Gewalt der Hamas
Das Video der beiden jungen Leute, die auf eine Party gingen, um zu tanzen, und den absoluten Horror erlebten, wurde von Terroristen auf dem Telegram-Kanal veröffentlicht. Medien munkelten später, dass es nicht die Hamas war, sondern Zivilisten aus Gaza, die die beiden gewaltsam mitnahmen. Doch mit dem jüngsten Propaganda-Video vom Sonntag ist bestätigt: Auch Noa ist in der Gewalt der Hamas.
Wie es ihrem Freund geht, ist weiter unklar. Er ist Elektroingenieur und Absolvent der Ben-Gurion-Universität, der für die US-Technologiefirma Nvidia arbeitet. Der 30-Jährige lebt in Tel Aviv, wo er und Argamani bald zusammenziehen wollten. Die junge Frau ist Studentin.
Im Dezember hatte der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu erklärt, dass er Peking gebeten habe, bei der Freilassung von Argamani zu helfen, dessen Mutter Liora Chinesin ist.
»Wir passen den Militäreinsatz entsprechend der Bedrohungen und Geiseln im Feld an.«
IDF-sprecher daniel hagari
Die beiden Männer, die in den Propagandavideos vorgeführt werden, sind Yossi Sharabi (53) und Itay Svirsky (38). Svirski lebt in Tel Aviv. Er wurde entführt, als er seine Familie im Kibbuz Be’eri besuchte. Seine Eltern, Orit und Rafi Svirski, wurden von Terroristen getötet. Sharabi stammt aus Be’eri und wurde aus seinem Haus entführt. Ebenfalls in der Gewalt der Hamas in Gaza ist sein Bruder Eli. Auch Eli Sharabis Frau und seine zwei Kinder wurden ermordet.
Es ist das erste Lebenszeichen aller drei Geiseln. Es gibt keine Informationen darüber, wann die Videos gedreht wurden. Der 37-sekündige Clip endet mit einem Laufband auf Arabisch: »Morgen werden wir über ihr Schicksal informieren.«
Die islamistische Terrorgruppe gab am Sonntag auch an, sie habe den Kontakt zu einigen Geiseln verloren, als israelische Streitkräfte in Gaza operierten, und behauptete, dass sie dabei möglicherweise getötet worden seien. »Das Schicksal vieler feindlicher Geiseln und Häftlinge ist in den letzten Wochen unbekannt geworden«, so Hamas-Sprecher Abu Obeida in einer Erklärung. »Höchstwahrscheinlich wurden viele von ihnen kürzlich getötet, der Rest ist stündlich in großer Gefahr, und die Führung und die Armee des Feindes tragen die volle Verantwortung.«
Noch immer 132 Geiseln in Gefangenschaft in Gaza
Hagar Mizrahi, eine forensische Beamtin im israelischen Gesundheitsministerium, erläuterte vor einigen Tagen, dass bei Autopsien getöteter Geiseln, die von der IDF geborgen wurden, nicht festgestellt werden konnte, dass sie bei Luftangriffen ums Leben kamen. Doch Israel machte auch deutlich, dass es sich der Risiken für Geiseln durch seine Offensive bewusst sei und Vorsichtsmaßnahmen treffe. »Der Militäreinsatz braucht Zeit. Die Situation verpflichtet uns, präzise zu sein. Wir passen ihn entsprechend der Bedrohungen und Geiseln im Feld an«, sagte IDF-Sprecher Daniel Hagari.
Von den etwa 240 Menschen, die die Hamas bei dem Terrorangriff am 7. Oktober als Geiseln genommen hatte, wurde etwa die Hälfte im Rahmen eines einwöchigen Waffenstillstands im November freigelassen. Zuvor waren vier Frauen freigekommen und eine junge Soldatin von Truppen gerettet. Israel geht davon aus, dass 132 Israelis noch in Gaza gefangen gehalten werden. Von denen seien jedoch 25 tot, so hätten neue Geheimdienstinformationen und Erkenntnisse der in Gaza operierenden Truppen ergeben.
Drei Geiseln wurden im vergangenen Monat versehentlich von der israelischen Armee erschossen. Eine weitere Person gilt seit dem 7. Oktober als vermisst, ihr Schicksal ist noch ungeklärt.