Israel lässt sich in seine Geschicke nicht reinreden. Schon gar nicht, wenn es um seine eigene Verteidigung geht. Das machte Jerusalem unumwunden klar, nachdem das Weiße Haus der israelischen Regierung geraten hatte, die Einsatzsatzregeln für seine Streitkräfte zu überprüfen. Die USA bezogen sich dabei auf das Ergebnis der Untersuchung des Todes der Journalistin Shireen Abu Akleh vor fast vier Monaten.
TRAGÖDIEN Die Schlussfolgerung aus der Untersuchung war, dass es durchaus möglich sei, dass die Reporterin versehentlich von der Kugel eines israelischen Soldaten getroffen wurde. Der stellvertretende Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, hatte daraufhin erklärt, man wolle »unsere israelischen Partner drängen, ihre Richtlinien und Praktiken in Bezug auf Einsatzregeln genau zu überprüfen und zusätzliche Schritte in Betracht zu ziehen, um das Risiko ziviler Schäden zu verringern, Journalisten zu schützen und ähnliche Tragödien zu verhindern«.
Premierminister Yair Lapid, Verteidigungsminister Benny Gantz und der stellvertretende Premierminister Naftali Bennett wiesen die amerikanische Forderung umgehend entschieden zurück. Bei der Abschlusszeremonie von Marineoffizieren in Haifa machte Lapid mit deutlichen Worten klar, was er von der amerikanischen Einmischung hält. »Ich höre Aufrufe, IDF-Soldaten nach dem Tod von Shireen Abu Akleh strafrechtlich zu verfolgen und solche, dass wir unsere Einsatzregeln zu ändern haben.«
Israel habe seine Trauer über ihren Tod zum Ausdruck gebracht, führte der Ministerpräsident aus. »Es war eine Tragödie, die sich bei einem Vorfall ereignete, bei dem es zu schwerem feindlichem Feuer kam. Die IDF schießt niemals absichtlich auf unschuldige Menschen. Wir setzen uns zutiefst für die Pressefreiheit ein und haben einige der strengsten Verhaltensregeln der Welt.« Doch er werde nicht zulassen, dass ein IDF-Soldat, der sich vor terroristischem Beschuss schützte, strafrechtlich verfolgt wird, nur um Applaus aus dem Ausland zu erhalten.
»Ich werde nicht zulassen, dass ein IDF-Soldat, der sich vor Beschuss schützte, strafrechtlich verfolgt wird, nur um Applaus aus dem Ausland zu erhalten.«
ministerpräsident yair lapid
»Niemand wird uns unsere Einsatzregeln diktieren, wenn wir diejenigen sind, die um unser Leben kämpfen. Unsere Soldaten haben die volle Unterstützung der israelischen Regierung und des israelischen Volkes.«
Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hatte in den vergangenen Monaten Druck auf Jerusalem ausgeübt, damit die Untersuchungen des Todes der Journalistin abgeschlossen werden. US-Außenminister Antony Blinken sprach darüber mit Verteidigungsminister Benny Gantz, nachdem die Familie von Abu Akleh in Washington war, um sich mit Vertretern der dortigen Regierung zu treffen.
ERFORDERNISSE Doch auch Gantz unterstrich, dass einzig der Chef der israelischen Verteidigungskräfte die Einsatzregeln festlegen kann. »Der Stabschef – und er allein – bestimmt und wird weiterhin die Politik des offenen Feuers in Übereinstimmung mit den operativen Erfordernissen und den Werten der IDF bestimmen. Es gab und wird keine politische Beteiligung bei dieser Angelegenheit geben.«
Die IDF gab an, dass die Soldaten am 11. Mai 2022, als die für Al-Jazeera tätige Journalistin tödlich getroffen wurde, fast eine Stunde lang aus mehreren Richtungen in der Stadt Jenin unter massivem Beschuss standen – ein Detail, das in den meisten Medienberichten außerhalb Israels nicht erwähnt wird.