Nur sieben Wochen nach den Parlamentswahlen stehen in Israel Neuwahlen an. Dem wiedergewählten Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist es nicht gelungen, eine regierungsfähige Koalition zu bilden. Am Mittwoch kurz vor Mitternacht hatte die Knesset in der zweiten und dritten Abstimmung beschlossen, sich aufzulösen, nachdem die Frist zur Regierungsbildung abgelaufen war.
Vor weniger als einem Monat erst war die 71. Knesset eingeschworen worden – allerdings ohne jemals geordnet ihre Arbeit aufzunehmen. Jetzt müssen die Israelis am 17. September erneut ihre Stimmen abgeben.
Netanjahu hatte bis Mitternacht versucht, doch noch eine Koalition zustande zu bringen.
KOMPROMISS Der Stillstand der Koalitionsverhandlungen war entstanden, als sich Avigdor Lieberman (Israel Beiteinu) und die ultraorthodoxe Partei Vereintes Tora-Judentum weigerten, über das Armeegesetz und den Militärdienst für charedische junge Männer einen Kompromiss zu finden. Doch auch Netanjahus angeschlagener Stand durch die Korruptionsvorwürfe in drei Fällen hatten ihn angreifbar gemacht. Die ersten vorbereitenden Anklageanhörungen von Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit finden am 2. und 3. Oktober statt.
Netanjahu hatte bis zur letzten Stunde versucht, doch noch eine Koalition zustande zu bringen. Offenbar hatte er sogar die Arbeitspartei gefragt, ob sie sich an der Regierung beteiligen würde und ihr im Gegenzug Ministerposten (Finanz und Justiz) versprochen. Medienberichten zufolge hätte Amir Peretz nach dem Amtsende von Staatspräsident Reuven Rivlin dadurch sogar auf den Präsidentensessel hoffen können. Doch die Awoda sagte Nein. Auch ein Versuch, die Union Blau-Weiß aufzubrechen und einige der Parlamentarier in Netanjahus Block zu holen, scheiterte.
Die Abgeordneten stimmten mit großer Mehrheit für die Auflösung der Knesset.
Anschließend fuhr der Ministerpräsident aus seiner Residenz in die Knesset; die Abstimmung beschied: 74 zu 45 Stimmen für die Auflösung der Knesset. Unter anderem hatte die oppositionelle Union Blau-Weiß unter der Leitung von Benny Gantz dagegen gestimmt und gefordert, den Versuch unternehmen zu können, eine Regierung zu bilden. Die Petition von Miki Zohar (Likud) jedoch, die Knesset aufzulösen, kam dem zuvor. Bis September wird Netanjahu als Regierungschef an der Macht bleiben.
BLAU-WEISS Yair Lapid, zweiter auf der Liste von Blau-Weiß, erklärte zu der Regierungskrise: »Der Mythos, dass Netanjahu bekommt, was er will, ist zusammengebrochen. Netanjahu kapitulierte, er wurde erpresst, und am Ende hat er versagt.« Er habe es nicht geschafft, eine Regierung zu bilden und würde daher die Nation in unnötige und für den Steuerzahler sehr teure Wahlen zerren.
»Diese Wahl hat nur einen Zweck, ihn vor dem Gefängnis zu retten«, so Lapid weiter. Netanjahu sieht das offensichtlich anders. Er sagte im Anschluss: »Wir werden eine scharfe, klare Kampagne fahren, die uns den Sieg bringen wird. Wir gewinnen, und dadurch wird auch die Öffentlichkeit gewinnen.«
Avigdor Lieberman meldete Interesse an einem Zusammenschluss mit Ayelet Shaked an.
Die meisten Parteien werden am 17. September voraussichtlich in derselben Zusammensetzung wie bei der letzten Wahl antreten. Doch es könnten sich auch neue Interessengruppen bilden. Lieberman meldete Interesse an einem Zusammenschluss mit Ayelet Shaked an. Die war mit ihrem politischem Mitstreiter Naftali Bennett und der gemeinsamen neuen Partei Hajamin Hachadasch an der Prozenthürde der Knesset gescheitert. Shaked verneinte einen Zusammenschluss mit Lieberman – zumindest vorerst.
Die Linkspartei Meretz kündigte an, sich gern mit der Arbeitspartei (Awoda) zusammenzutun, und Mosche Kachlon von Kulanu bestätigte bereits, dass er mit seinen fünf Parlamentariern künftig dem Likud angehören werde. Die ersten Plakate mit den alten Gesichtern für die neuen Wahlen werden schon gedruckt.