Überwachung

Neue Vorwürfe gegen israelischen Software-Anbieter NSO

In der Kritik: die israelische Firma NSO Group Foto: dpa

Mit der Überwachungssoftware Pegasus der israelischen Firma NSO sind laut Medienberichten noch stärker als gedacht Oppositionelle und Reporter ausgespäht worden. So seien auf 37 Smartphones von Journalisten, Menschenrechtlern, deren Familienangehörigen sowie Geschäftsleuten Spuren erfolgreicher oder versuchter Angriffe entdeckt worden, berichtete ein internationales Journalistenkonsortium in einer Serie von Artikeln.

Pegasus nutzt Sicherheitslücken in Smartphone-Software, um weitreichenden Zugriff auf Daten zu erlangen. NSO wies die Vorwürfe zurück und bestritt einzelne Details aus den Berichten. Pegasus werde »ausschließlich an Strafverfolgungsbehörden und Geheimdienste von geprüften Regierungen verkauft, mit dem alleinigen Ziel, durch Verhinderung von Verbrechen und Terrorakten Menschenleben zu retten«, betonte die Firma wie bereits nach früheren ähnlichen Vorwürfen.

Die Artikel lösten dennoch Forderungen nach Aufklärung und strikteren Kontrollen im Geschäft mit Überwachungssoftware aus. Der Deutsche Journalisten-Verband verlangte von Geheimdiensten und Sicherheitsbehörden Auskunft darüber, ob Pegasus auch gegen deutsche Journalisten eingesetzt worden sei. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union forderte Einschränkungen für den Export von Überwachungstechnologie.

Das Bundesinnenministerium versicherte, niemand werde überwacht, weil er einer journalistischen Arbeit nachgehe. Zugleich gebe man keine Auskunft zu operativen Maßnahmen und damit auch nicht darüber, ob Pegasus generell genutzt werde. Die Bundesregierung habe die Berichte zur Kenntnis genommen, hieß es aus dem Kanzleramt. Pressefreiheit sei ein hohes Gut, betonte eine Regierungssprecherin.

Ausgangspunkt der Veröffentlichungen war ein Datensatz mit mehr als 50 000 Telefonnummern, den das Journalistenkonsortium gemeinsam mit den Organisationen Forbidden Stories und Amnesty International auswertete. Die Nummern sollen den Berichten zufolge offenbar von NSO-Kunden als potenzielle Ausspähziele ausgewählt worden sein. NSO bestritt dies in einer Antwort an die »Washington Post«, allein schon weil die Liste dafür zu lang sei.

An dem Journalistenkonsortium sind auch die »Süddeutsche Zeitung«, NDR, WDR und die »Zeit« beteiligt. Nach ihrer Darstellung legen die Recherchen des »Pegasus-Projekts« nahe, dass Hunderte Journalisten, Menschenrechtler, Oppositionelle und Politiker ausgewählt wurden, um sie mit der Spionagesoftware zu überwachen. So stünden die Nummern von mehr als 180 Journalistinnen und Journalisten aus verschiedenen Ländern auf der Liste. Nummern deutscher Journalisten seien nicht darunter. Wie die Liste zu Forbidden Stories und Amnesty International kam, die sie dann mit den Medien teilten, blieb in den Berichten offen.

Frankreichs Regierungssprecher Gabriel Attal sprach von einem »äußerst schockierenden Sachverhalt« und kündigte Untersuchungen an. »Wir hängen sehr an der Pressefreiheit«, sagte er bei Franceinfo. Der Tageszeitung »Le Monde« zufolge fanden sich in der Liste rund 30 Journalisten und Chefs von Medienunternehmen in Frankreich. Die Online-Plattform »Mediapart« schrieb, Handys von zwei ihrer Journalisten seien 2019 bis 2020 mit Pegasus angegriffen worden. Dahinter stünden marokkanische Geheimdienste, lautete der Vorwurf.

NSO wurde bereits vorgeworfen, mit Pegasus autoritären Regierungen die Ausspähung von Journalisten und Dissidenten ermöglicht zu haben. Facebook hatte NSO 2019 in den USA verklagt. Der Vorwurf in der Klage lautet, NSO habe versucht, sich über eine später geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwälte, Dissidenten, Menschenrechtler, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen. NSO wehrt sich vor Gericht. Die Firma betont, dass Verträge mit Kunden wegen des Verdachts von Menschenrechtsverletzungen gekündigt worden seien.

NSO war auch vorgeworfen worden, seine Überwachungssoftware habe bei der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi eine Rolle gespielt. Laut der »Washington Post« gehörten zwei der Smartphones, auf denen IT-Experten von Amnesty International Spuren von Pegasus-Angriffen gefunden hätten, Frauen, die Khashoggi nahestanden. NSO wies zurück, dass seine Software irgendetwas mit der Ermordung Khashoggis zu tun gehabt habe. (Sara Lemel)

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