Am Samstagabend haben wieder Tausende Menschen in Israel auf den Straßen für einen Geiseldeal protestiert. Laut aktuellen Medienberichten könnte eine Vereinbarung wahrscheinlicher werden – nach 443 endlosen Tagen, die knapp 100 verbliebene Geiseln aus Israel bereits von der Terrororganisation Hamas im Gazastreifen festgehalten wurden. Israelische und ausländische Medien meldeten, dass sich beide Seiten auf Listen von Geiseln und palästinensischen Häftlingen geeinigt hätten, die in der ersten Phase freikommen sollen.
Laut dem ägyptischen Nachrichtensender Al-Ghad erklärte sich die Hamas angeblich nun bereit, dabei neben Kindern, Frauen und den fünf israelischen Soldatinnen auch elf junge männliche Geiseln nach Hause zurückkehren zu lassen. Als Gegenleistung verlange sie aber einen »besonderen Wert«. Was dieser sei, wurde bislang nicht berichtet. Die Terrorgruppe stuft alle israelischen Männer im kampffähigen Alter als Soldaten ein, auch Zivilisten.
Zuvor sei diese Liste der Hauptstreitpunkt der Parteien gewesen. Denn laut Hamas würden diese elf Männer nicht die Kriterien erfüllen, die für humanitäre Freilassungen wie Frauen, Kranke, Ältere oder Minderjährige, in Betracht gezogen werden. Im Austausch für die Freilassung von 34 Geiseln fordert die Hamas die Entlassung von 250 palästinensischen Gefangenen, die zu lebenslanger Haft verurteilt wurden.
Deal soll angeblich in zwei Phasen erfolgen
Obwohl es in diesem Bericht nicht ausdrücklich erwähnt wird, wird davon ausgegangen, dass die erste Freilassungsrunde auch die weiblichen Geiseln umfassen wird, die nicht im Militär dienten, als sie von der Hamas während des Massakers am 7. Oktober 2023 in den Gazastreifen verschleppt wurden.
Angeblich soll der geplante Deal in zwei Phasen erfolgen. Die Kämpfe in Gaza sollen für einen unbestimmten Zeitraum unterbrochen werden, und Israel soll sich schrittweise unter unklaren Bedingungen aus dem Gebiet zurückziehen. Jerusalem fordert derweil eine umfassende Liste aller Geiseln, die noch in der Gewalt der Terrororganisationen in Gaza sind, und ihren aktuellen Status. Mehr als 30 Geiseln sind von der israelischen Armee für tot erklärt worden.
Die Hamas jedoch habe angeblich Schwierigkeiten, solche Informationen bereitzustellen, und versuche, einen Waffenstillstand zu erreichen, um die verschleppten Menschen im Chaos von Gaza während des andauernden Krieges ausfindig zu machen.
Israel forderte laut einem Bericht eine umfassende Liste aller Geiseln, die noch in der Gewalt der Terroristen in Gaza sind.
Darüber hinaus würden derzeit noch weitere Themen diskutiert, dazu gehörten die Wiederöffnung des Rafah-Grenzübergangs zwischen Gaza und Ägypten, der schrittweise Rückzug der israelischen Armee aus dem sogenannten aus dem Philadelphi-Korridor und dem Netzarim-Korridor sowie die Rückkehr der Zivilisten in Gaza in den nördlichen Gazastreifen. Gleichfalls heißt es, dass die Verhandlungen, die derzeit in Kairo stattfinden, in die Endphase eingetreten seien, und dass man bereits dabei sei, über die Überwachung der Umsetzung eines Abkommens zu sprechen.
Am Sonntag berichtete die israelische Zeitung »Haaretz«, dass sich Israel angeblich bereit erklärt habe, etwa 200 palästinensische Gefangene freizulassen, die lebenslange Haftstrafen in israelischen Gefängnissen verbüßen. Die Zeitung habe ihre Informationen von einer palästinensischen Quelle. Es gebe allerdings weiterhin Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Identität der Freigelassenen.
Der öffentlich-rechtliche Sender Kan meldete, dass ein jüngster Streitpunkt darin bestand, wohin diese Gefangenen geschickt werden sollen. Dem Bericht zufolge gaben Quellen, die mit den Verhandlungen vertraut sind, an, dass Israel die Freilassung der gefährlicheren Gefangenen im Ausland und nicht im Westjordanland verlangen. Allerdings herrsche darüber innerhalb Israels keine Einigung, denn andere Offizielle wurden in Kan wie folgt zitiert, sie seien dagegen, weil die Terroristen »mit Blut an den Händen« auch im Ausland Terror verüben oder Terroristen in Israel helfen könnten.
Netanjahu will laut Interview Krieg nicht beenden, solange die Hamas in Gaza herrscht
Die Struktur des Abkommens und seine exakten Phasen sind bislang unbekannt. Die Hamas befürchtet, dass Israel nur die erste Phase umsetzen könnte, und verlangt Garantien für die vollständige Umsetzung eines möglichen Abkommens. Israel Premierminister Benjamin Netanjahu bekräftigte in einem Interview mit dem Wall Street Journal Ende vergangener Woche, dass er einem Geiseldeal, das den Krieg mit Hamas beendet, nicht zustimmen würde, und machte klar: »Wir werden Hamas in Gaza nicht an der Macht lassen.«
Einav Zangauker, die Mutter des 25-jährigen Matan Zangauker, der von Terroristen am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival entführt wurde, kritisierte Netanjahus Äußerungen und warf ihm vor, den anhaltenden Krieg als Vorwand zu nutzen, um die Geiseln im Stich zu lassen, damit er und seine Koalition an der Macht bleiben könnten.
Sie betonte, dass es im israelischen Interesse liege, den Krieg in Gaza zu beenden und einen umfassenden Geisel-Deal zu erzielen. Ihr Sohn Matan wurde am 18. Dezember im Gazastreifen 25 Jahre alt.
Während des Massakers der Hamas im Süden Israels waren mehr als 1200 Menschen ermordet und 251 Geiseln nach Gaza verschleppt worden. Im Rahmen eines Waffenstillstands mit der Hamas vom 24. bis zum 30. November 2023 wurden 105 Geiseln, hauptsächlich Frauen und Kinder, freigelassen. Derzeit sind noch immer knapp 100 Menschen in der Gewalt der Terrororganisation in Gaza.