Israels Armee hat Chan Junis, die größte Stadt im Süden des Gazastreifens, nach eigenen Angaben nun eingekesselt und das Haus des Gaza-Chefs der palästinensischen Terrororganisation Hamas, Jihia al-Sinwar, umstellt.
»Gestern habe ich unseren Streitkräften gesagt, dass wir jeden Ort im Gazastreifen erreichen können. Nun umzingeln sie al-Sinwars Haus«, so der Ministerpräsident. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir ihn kriegen.«
Netanjahu erwähnte auch die israelischen Geiseln, die noch immer von der Hamas und anderen Terrorgruppen festgehalten werden. Er forderte das Rote Kreuz auf, sie zu besuchen und nach ihnen zu sehen. Der israelische Regierungschef erklärte, er habe die Präsidentin des Roten Kreuzes gebeten, mit Katar zu sprechen.
Druck auf Hamas
Das Land, das als Vermittler die jüngste Feuerpause mit herbei verhandelt hatte, müsse Druck auf die Hamas ausüben, damit das Rote Kreuz Zugang zu den Geiseln erhalte, erklärte Netanjahu. Die Zahl der weiterhin in Gaza befindlichen Geiseln wird nun mit 138 angegeben.
Israel erlaubt nun die Einfuhr von mehr Treibstoff in den Süden des Gazastreifens. Das Sicherheitskabinett habe am Mittwochabend einer Empfehlung des Kriegskabinetts zugestimmt, teilte Netanjahus Büro mit. Eine Erhöhung der erlaubten Mindestmenge sei erforderlich, »um einen humanitären Zusammenbruch und den Ausbruch von Epidemien zu verhindern«, hieß es.
Unklar war zunächst, um wie viel die Treibstoffmenge, die täglich in den Gazastreifen gebracht werden darf, konkret erhöht werden soll. Zu Beginn des Krieges, in den Israel am 7. Oktober hineingezogen wurde, hatte Israel die Einfuhr von Treibstoff verboten - damit ihn die Hamas nicht für ihre Zwecke nutzen kann. Inzwischen hat sich die Situation geändert, auch da die Armee in Gaza Fortschritte macht.
Bedingungen für Ende des Krieges
Derweil vermeldete die israelische Armee am Abend aus Chan Junis den Durchbruch durch die dortigen Verteidigungsanlagen der Hamas. Die Soldaten hätten nun Angriffe gegen zentrale Stellungen der Terroristen gestartet und stießen tiefer in die Stadt vor. Hamas-Führer al-Sinwar befinde sich nicht über der Erde, sondern im Untergrund, sagte der israelische Armeesprecher Daniel Hagari am Mittwochabend.
Die Führung der Hamas und Tausende ihrer Mitglieder haben sich offenbar im weit verzweigten Tunnelnetz unter dem Gazastreifen verschanzt. Auch zahlreiche der noch festgehaltenen Geiseln werden dort vermutet.
Sollte die israelische Regierung den Tod von al-Sinwar und anderer Hamas-Führer verkünden können, »würde sie viel Kapital daraus schlagen und behaupten können, dass ihre militärischen Ziele erreicht worden sind«, sagte Hugh Lovatt von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations im »Wall Street Journal«. Dies könne dazu beitragen, »die Bedingungen für ein Ende des Krieges zu schaffen«.
Cohen gegen Guterres
Israels Außenminister übte derweil erneut scharfe Kritik an UN-Generalsekretär Guterres. »Sein Antrag, Artikel 99 zu aktivieren und die Forderung nach einem Waffenstillstand in Gaza stellen eine Unterstützung der Terrororganisation Hamas dar«, so Eli Cohen auf X. »Jeder, der den Weltfrieden unterstützt, muss die Befreiung Gazas von der Hamas unterstützen.« Guterres gefährde den Weltfrieden.
Direkte Folgen hat eine Berufung auf den Artikel nicht. Es sei aber zu erwarten, dass der Sicherheitsrat noch diese Woche zusammenkomme, so ein Sprecher. Guterres hatte immer wieder auf die prekäre Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen hingewiesen. Dafür schien er Israel verantwortlich zu machen, anstatt die Hamas, die auch ihre eigene Bevölkerung gefährdet, indem sie sie als lebenden Schutzschild missbraucht.
Die nächste Phase der Kämpfe im Gazastreifen drohe Zehntausende von Zivilisten nach Rafah nahe der ägyptischen Grenze zu treiben, berichtete das »Wall Street« weiter. Ägypten habe die Sicherheitsabsperrungen an der Grenze zum Gazastreifen verstärkt. Auch die Hafenstadt Al Arish, etwa eine Autostunde westlich von Rafah, sei abgeriegelt worden. Diese sei nun Sammelstelle für humanitäre Hilfsgüter.
Attacken der Huthis
Unterdessen haben auch die schiitischen Huthi-Rebellen im Jemen nach eigenen Angaben Gebiete in Israel angegriffen. »Eine Ladung ballistischer Raketen« sei auf verschiedene militärische Ziele im Süden Israels abgefeuert worden, erklärten die vom Iran unterstützten Rebellen am Mittwochabend. Die Angriffe »gegen den israelischen Feind« würden so lange fortgesetzt »bis die Aggression gegen unsere Brüder in Gaza endet«, hieß es. So lange würden auch israelische Schiffe daran gehindert werden, das Rote Meer zu befahren. ja/dpa