Als zu Wochenbeginn fast 40 Staats- und Regierungschefs in Washington konkrete Schritte gegen den Schmuggel mit Nuklearmaterial diskutierten, stand Israel abseits. Premier Benjamin Netanjahu hatte die Einladung von US-Präsident Barack Obama ausgeschlagen. Er habe Angst, von arabischen Ländern zur Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag gedrängt zu werden, begründeten Politiker in Jerusalem die Abwesenheit des Regierungschefs. Ägypten und Jordanien hatten angekündigt, sich am Gipfel für einen nuklearfreien Nahen Osten einzusetzen. Eine Unterschrift unter den Vertrag hätte zur Folge, dass Israel seine Anlage in Dimona den Inspektoren der Internationalen Atomenergie-Agentur öffnen müsste. Das aber würde der israelischen Politik der »atomaren Zweideutigkeit« zuwiderlaufen.
Politik Die israelische Öffentlichkeit hat auf den Entscheid Netanjahus, nicht an den Gipfel für Atomsicherheit in Washington zu reisen und Israel lediglich auf Ministerebene vertreten zu lassen, mit Gleichmut reagiert. Die Bevölkerung halte nicht viel davon, Themen der nationalen Sicherheit öffentlich zu diskutieren, meint ein Politologe in Tel Aviv. Bedenken, von arabischen Staaten unter Druck zu kommen, hätten allerdings nicht im Zentrum der Absage gestanden, meint der aus dem Iran stammende Meir Javendanfar, der den Nuklearkonflikt von Tel Aviv aus verfolgt und analysiert. Netanjahu wollte mit seinem Verzicht auf die Reise zum Washingtoner Gipfel vielmehr verhindern, sich mit US-Präsident Barack Obama anzulegen, meint Javendanfar. Die Forderung der US-Regierung, in Ost-Jerusalem keine Baubewilligungen auszustellen, könne Netanjahu nämlich nicht erfüllen, ohne den Zusammenhalt seiner Koalition zu gefährden. Einfacher sei es für den Regierungschef, zu Hause zu bleiben. »Damit geht er einer erneuten Konfrontation mit Obama aus dem Weg«, sagt Jevadanfar. Denn ein klares Nein in der umstrittenen Ost-Jerusalem-Frage kann sich Netanjahu gegenüber Obama nicht leisten. Netanjahu braucht den US-Präsidenten auf seiner Seite, damit dieser die Führungsrolle in der Front gegen die iranischen Nuklearpläne übernimmt.
Inzwischen verfüge im Übrigen auch die Internationale Atomenergie-Agentur in Wien über klare Beweise, dass Teheran bei seiner nuklearen Aufrüstung große Fortschritte gemacht habe, meint ein westlicher Diplomat in Wien. Iran könnte bald in der Lage sein, drei bis vier nukleare Sprengköpfe herzustellen. Wenn der »Point of no Return« einmal erreicht sei, würde es höchstens vier Monate dauern, bis die Atomwaffe einsatzbereit ist.
Jom Haschoa Die iranische Aufrüstung stand auch am Jom Haschoa, dem Gedenktag für die Opfer des Holocaust, im Zentrum. So verknüpfte die Titelseite des Massenblattes Yedioth Ahronoth am Montag die Schoa mit der iranischen Atombedrohung. Die Seite eins wurde von einem Schwarz-Weiß-Bild dominiert, das einen bärtigen Juden zeigt, der vor zwei Nazi-Offizieren kniet, mit erhobenen Armen, bevor er erschossen wird. Der Mann war der Großvater von Meir Dagan, des Mossad-Chefs, der den Auftrag hat, die iranische Atombombe zu verhindern. Er sehe das Bild jeden Tag, zitierte die Zeitung Dagan, und er schwöre, dass sich der Holocaust nicht wiederhole.
Netanjahu warf dem Westen vor, zu wenig gegen die atomare Aufrüstung der Islamischen Republik zu unternehmen. »Der entschlossene Protest, der zu erwarten wäre, kommt nicht. Die Welt nimmt die iranischen Zerstörungsaufrufe gegen Israel hin«, sagte er bei der zentralen Gedenkfeier in der Holocaust- Gedenkstätte Yad Vashem. »Ich rufe alle aufgeklärten Nationen dazu auf, aufzustehen und mit aller Macht die Zerstörungsabsichten des Iran zu verurteilen und mit echter Entschlossenheit vorzugehen, um seine Aufrüstung mit nuklearen Waffen zu stoppen.« Die Schoa sei eine Verpflichtung, dem Bösen die Stirn zu bieten und nicht zu schweigen.