Wirtschaft

Nahost auf der grünen Insel

Dublins Geschäftsviertel: Magnet für Fachkräfte aus der Hightech-Nation Foto: Thinkstock

Die irisch-israelischen Beziehungen waren bisher fast so obskur wie der tatsächliche Weg zwischen den beiden Ländern: Direktflüge gibt es bislang so gut wie keine; es ist umständlich, von Israel aus auf die grüne Insel zu kommen. »Little Jerusalem«, das frühere Herz der jüdischen Gesellschaft in Dublin, ist bis auf die wiedereröffnete und umgewandelte Synagoge ein Relikt aus der Vergangenheit. Und viel jüdisches Leben findet in dem praktisch rein katholischen Land mit 4,5 Millionen Einwohnern ohnehin nicht statt.

Eine heiße Liebe ist es nicht – die israelisch-irischen Beziehungen sind seit Jahrzehnten eher leidenschaftslos. Doch nun kommt frischer Wind in die bilateralen Angelegenheiten.

Laut den aktuellsten Daten des israelischen Wirtschaftsministeriums hat Irland im vergangenen Jahr Waren im Wert von rund 340 Millionen US-Dollar nach Israel exportiert, Israel lieferte für rund 200 Millionen US-Dollar nach Irland. Vor allem im 30-Jahres-Rückblick ist das beeindruckend: 1988 lagen Israels Exporte bei 23,5 Millionen US-Dollar, Irlands Zahlen lagen bei 32,8 Millionen US-Dollar. 1998 waren es bereits 196 Millionen Dollar auf israelischer und 230 Millionen Dollar auf irischer Seite.

Firmen »Der Großteil davon ist auf das Konto der Firma Intel zu buchen«, erklärt Ben Nachman, seit fast einem Jahrzehnt Vorsitzender der irisch-israelischen Handelskammer in Tel Aviv. Intel verfügt, wie auch Microsoft und IBM, über ein großes Entwicklungszentrum in Irland, das für fähige Köpfe aus der Start-up-Nation attraktiv ist. Nachman fliegt regelmäßig nach Dublin, versucht an Kooperationen anzuschieben, was nur geht. Aber es ist zäh, trotz der Steigerung. Der Vorsitzende setzt jetzt große Hoffnungen auf den neuen israelischen Botschafter Zeev Boker, der Anfang August seinen Posten in Dublin angetreten hat. Über seine Ziele hat Boker bis dato öffentlich jedoch noch nichts verlauten lassen.

Boker ist in Dublin sicherlich nicht der einzige neue israelische Wahl-Ire – die großen Jobmotoren Facebook, Google, Paypal, Airbnb und Co. suchen händeringend nach hebräischsprachigen Mitarbeitern. Dafür locken sie mit hohen irischen Gehältern – in Euro.

Wobei der Euro nicht der einzige Grund ist, warum Irland für Israelis attraktiv ist: Die grüne Insel ist englischsprachig, mit nur zwei Stunden Zeitunterschied gefühlt in der gleichen Zeitzone, das Freihandelsabkommen zwischen Israel und der EU schließt die ganze Insel bis auf Nordirland ein, und das bilaterale Doppelbesteuerungsabkommen hat 1995 die wirtschaftlichen Beziehungen weiter erleichtert.

Außerdem ist Irland, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, zu einem der reichsten Länder geworden und hat sich insbesondere nach der letzten Finanzkrise zum wichtigen Wirtschaftsknotenpunkt für den Nahen Osten und Asien entwickelt. Der Aufschwung des »Keltischen Tigers« hat die Türen für die internationalen Abteilungen in Dublin geöffnet. »Was mir besonders auffällt, ist, dass der Nahe Osten bei uns mehr mentalitäts- als religionsbestimmt ist«, erzählt Barbara, die ursprünglich aus München kommt und bei Facebook in der Marketing-Abteilung sowohl mit Israelis als auch arabischstämmigen Kollegen zusammenarbeitet. »Abends wird gerne gemeinsam Falafel essen gegangen«, sagt sie.

Und in der Tat: Mehrere Falafelläden säumen die Dame Street, die das berühmte Trinity College mit der Christ Church Cathedral verbindet. Bis zum einzigen jüdischen Museum (jewishmuseum.ie) sind es von dort aus knapp zwei Kilometer – mitten ins ehemalige »Little Jerusalem«, wo vor 1940 rund 5000 Juden lebten. Offiziellen Zahlen zufolge leben in ganz Irland derzeit weniger als die Hälfte – und das jüdische Viertel mit koscheren Metzgern, Bäckern, Lebensmittelläden und Buchgeschäften gehört der Vergangenheit an.

Einzig die frühere Synagoge wurde nach 15 Jahren Brachzeit von dem gebürtigen Iren und israelischen Präsidenten Chaim Herzog am 20. Juni 1985 während seines Staatsbesuchs als Museum wiedereröffnet. Pro Jahr zählt das Museum nach eigenen Angaben rund 10.000 Besucher.

Flüge In diesem Sommer könnte sich diese Besucherzahl jedoch wieder erhöhen, genauso wie die Tourismusbranche einen Aufschwung erleben könnte: Die irische Billigfluglinie Ryanair hat Anfang Juli bekannt gegeben, ab dem kommenden Winter Israels Süden anzufliegen – drei Verbindungen werden den Ovda-Flughafen (60 Kilometer von Eilat entfernt) mit Budapest in Ungarn, Kaunas in Litauen und Krakau in Polen verbinden. »Wir verhandeln noch mit den israelischen Behörden und hoffen, unsere israelischen Flugrouten in Zukunft auszubauen«, wird David O’Brien von Ryanair in der Tageszeitung Haaretz zitiert.

Es ist ein erster Schritt – allerdings immer noch keine direkte Brücke nach Dublin. Dabei hat die Initiative »Dublin to Tel Aviv« (dubtotlv.org) berechnet, dass sich die Strecke in weniger als fünf Stunden bewältigen ließe.

Das Thema Direktflüge treibt auch den irischen Botschafter Eamonn McKee in Tel Aviv um. McKee betreibt einen herrlich launigen, halbprivaten Blog (eamonncmckee.com), in dem er sich nicht nur für eine direkte Verbindung, sondern vor allem für ein besseres Kulturverständnis einsetzt. Mit viel Humor berichtet er von seinem Leben in Israel und bietet den Iren, die vor allem wegen Israels Hightech-Industrie und diversen Start-ups ins Heilige Land ziehen, ein wenig Heimatgefühl. Ein weiterer Trost für sehnsüchtige Iren ist immerhin ein Pint Guinness in Gesellschaft: In Tel Aviv sind die Irish Pubs fast genauso gut besucht wie die Originale im berühmten Temple-Bar-Viertel in Dublin.

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