Israels Gesundheitsministerium legt einen Bericht an die UN-Sonderberichterstatterin für Folter, Alice Jill Edwards, vor, in dem die schweren Misshandlungen der Geiseln durch ihre Entführer beschrieben werden. Er stützt sich auf die Erkenntnisse von Ärztinnen und Ärzten, die mehr als 100 Geiseln behandelten, die entweder freigelassen oder befreit wurden.
Unter ihnen waren Männer, Frauen und Kinder. Nahezu alle waren körperlicher, seelischer und sexualisierter Gewalt unterworfen. Typisch seien Methoden, die Willenskraft der Entführten zu brechen, etwa durch Isolationshaft, Hunger, Schlafentzug, Gewalt, Drohungen und Nicht-Behandlung von Verletzungen und chronischen Erkrankungen, heißt es in dem Bericht.
Schläge, sexualisierte Gewalt, Nahrungs- und Schlafentzug
Geiseln wurden von ihren Peinigern geschlagen, gefesselt und an den Haaren gezogen, ihnen wurden Nahrung und Wasser verweigert und Brandwunden zugefügt. Oft wurden sie unter schlimmsten hygienischen Bedingungen festgehalten. Manchmal wurden schmerzhafte medizinische Behandlungen ohne Betäubung vorgenommen. Frauen waren sexuellen Angriffen ausgesetzt, mussten sich etwa vor ihren männlichen Geiselnehmern ausziehen und Berührungen erdulden.
Geiselnahme und Gefangenschaft waren für die Betroffenen traumatische Erfahrungen. »Die medizinischen und psychosozialen Teams gehen davon aus, dass substanzielle Mittel und maßgeschneiderte Therapien nötig sind, um die Rehabilitation und Reintegration der zurückgekehrten Geiseln zu bewerkstelligen «, heißt es in dem Bericht.
Geisel-Mutter: »Ich habe einen Traum«
Unterdessen demonstrierten mehr als 1000 Menschen in Tel Aviv für die Freilassung israelischer Geiseln aus der Gewalt der Hamas. Einav Zangauker, die Mutter einer Geisel, forderte in ihrer Rede die Teilnehmer dazu auf, die Augen zu schließen, wie die «Times of Israel» berichtete.
»Ich habe einen Traum«, rief sie. »Ich träume, dass mein Matan und die anderen 99 Geiseln zu uns zurückkehren. Im Traum sehe ich, wie der Ministerpräsident (Netanjahu) den Deal unterzeichnet, der alle Geiseln nach Hause bringt.«
»Und jetzt öffnet eure Augen weit«, fuhr sie fort. »Öffnet sie weit: Unser Ministerpräsident möchte die Geiseln nicht nach Hause bringen und den Krieg (in Gaza) nicht beenden.« Aus der Menge ertönten Buh-Rufe. «Netanjahu, vergiss nicht: die Geschichte vergisst nicht», schloss Zangauker ihre Ansprache.
Monatelange Verhandlungen, die zur Freilassung der Geiseln und der Beendigung des Kriegs führen sollen, blieben bislang ergebnislos. Kritiker Netanjahus geben weitgehend ihm die Schuld daran. Aus ihrer Sicht hat der Regierungschef kein Interesse an einem Ende des Kriegs, weil ein solches seine Machtstellung in Israel gefährden würde.
Beim Terrorüberfall auf den Süden Israels am 7. Oktober des Vorjahrs hatten die Hamas und ihre Verbündeten 1200 Menschen getötet und weitere 250 in den Gazastreifen verschleppt. Rund 100 von ihnen befinden sich noch in der Gewalt ihrer Entführer, viele von ihnen dürften schon tot sein. ja (mit dpa)