Es ist Sonntagabend, der neunte Tag des Krieges gegen die Hamas geht zu Ende. Der Krisenstab der Bundesregierung hat aufgrund der aktuellen Entwicklung eine Reisewarnung für Israel erlassen. Am Tag zuvor hat die Bundeswehr damit begonnen, deutsche Staatsbürger auszufliegen.
Die meisten Airlines haben ihre regulären Flugverbindungen eingestellt. Und doch gibt es weiterhin einige Flüge nach Tel Aviv. Die israelische Airline EL AL hält den Betrieb aufrecht. Die Maschinen sind weitgehend ausgebucht. An Bord: fast ausschließlich Israelis, die so schnell wie möglich nach Hause wollen.
So ist auch auf dem Flug LY 2374 nur Hebräisch zu hören. Kurz vor dem Start vom Haupstadtflughafen BER haben die meisten an diesem späten Sonntagabend noch schnell auf ihren Handys die Nachrichten geschaut, mit den Lieben daheim telefoniert, ein paar WhatsApp-Nachrichten an Freunde und Bekannte geschrieben.
Liat aus Beer Schewa war zu einem Kurztrip mit ihrem Freund nach Prag gereist. Auch ihr Flug wurde gestrichen. Einige Tage haben sie versucht, irgendwie nach Israel zu kommen, nun endlich der Rückflug. »Ich bin froh, nach Hause zurückzukehren«, sagt Liat. Sie und ihr Freund werden kurz bei der Eltern vorbeischauen und dann als Reservisten ihren Armeedienst antreten.
Roy aus Tel Aviv ist beruflich viel in Berlin. Er arbeitet im Hightech-Bereich. Auch er hat länger versucht, einen freien Platz zu bekommen. »Das war jetzt die erste Möglichkeit.« Eigentlich müsse er nicht zur Armee. Aber er möchte sich freiwillig melden. »Ich will jetzt meinem Land helfen.«
Menachem aus Jerusalem wollte ein paar Tage Berlin erleben, als ihn die Nachrichten aus Israel erreichten. Er hatte einen Rückflug mit Ryanair gebucht, der wurde gestrichen. Es war nicht einfach, bei EL AL einen Platz zu bekommen, erzählt er. Alles war ausgebucht. Umso mehr ist er jetzt glücklich, endlich wieder zurückzufliegen. »Schließlich muss man in dieser Zeit mit dem Volk Israel sein.«
Ein Ehepaar, das seinen Namen lieber nicht in der Zeitung lesen will, war für zwei Tage in der Stadt. Sie kommen aus der Nähe von Tel Aviv, haben eine gute Freundin in Berlin, die einen ganz besonderen Anlass zu feiern hatte. »Da wollten wir sie nicht allein lassen. Wir hatten schon lange zuvor gebucht. Und wir dachten, Israel wird es wohl diese beiden Tage auch ohne uns schaffen«, sagen die beiden. Dennoch haben sie ständig die Nachrichten verfolgt. Sie seien besorgt, erzählen sie, nicht nur, weil ihre beiden Söhne derzeit in der Armee sind. »Aber wir weigern uns einfach, dass Angst und Terror unser Leben bestimmen.«
Die längste Reise an diesem Tag hat Doron hinter sich. Er war in Südkorea. Der Choreograf hat dort mit seiner Volkstanzgruppe aus Tiberias an einem internationalen Festival teilgenommen. »Mitten in die Veranstaltung platzte die Meldung vom blutigen Angriff der Hamas«. Sofort beschloss die Gruppe, sich auf den Heimweg zu machen. Viele von ihnen wurden zum Militärdienst gerufen. Sie mussten verschiedene Wege wählen, einige konnten schon früher fliegen. Doron ist nun mit den letzten acht jungen Tänzerinnen und Tänzern von Seoul nach Frankfurt geflogen. Ein Freund hat ihnen die Bahnfahrt nach Berlin organisiert. Nun legen sie die letzte Etappe ihrer Reise zurück. Und im Gepäck haben sie ein paar Medaillen. »Wenigstens können wir so etwas Stolz und gute Nachricht nach Israel bringen.«
3 Stunden und 45 Minuten später landet der Flug aus Berlin in Tel Aviv. Mitten im Krieg. »Irgendwie surrealistisch«, meint einer der Passagiere, als er die Maschine verlässt.