Finanzen

Moody’s stuft runter

Die Ratingagentur setzt den Wirtschaftsausblick des Landes herab. Die Regierung reagiert mit Unverständnis

von Sabine Brandes  22.04.2023 21:34 Uhr

Dunkle Wolken über den Azrieli Towers in Tel Aviv: Sitz einiger führender israelischer und globaler Hightech-Unternehmen Foto: Flash 90

Die Ratingagentur setzt den Wirtschaftsausblick des Landes herab. Die Regierung reagiert mit Unverständnis

von Sabine Brandes  22.04.2023 21:34 Uhr

Seiner Meinung nach sei es »kein großes Drama«. Finanzminister Bezalel Smotrich, Vorsitzender der ultranationalistischen Partei Religiöser Zionismus, hat sich zur Entscheidung der führenden Ratingagentur Moody’s geäußert, Israels Wirtschaftsausblick von »positiv« auf »stabil« herabzusetzen.

Schließlich sei dies auch im Jahr 2020 so geschehen, »und 2022 stieg die Bewertung wieder an«. Viele sehen das aber gänzlich anders und sprechen von »katastrophalen Folgen«, die der Start-up-Nation bevorstehen könnten.

warnung Der ehemalige Vorsitzende der Bank of Israel, Jacob Frenkel, meint: »Wenn wir dies als ›kein großes Drama‹ bezeichnen, wird es zu einem riesigen Drama.« Man habe eine Warnung erhalten. »Sie sagen uns: Leute, ihr bewegt euch in eine schlechte Richtung.« Andere Experten kritisierten die Regierung und forderten sie auf, ihre Pläne zurückzunehmen und zur Realität zurückzukehren.

Israels A1-Kreditrating, gestützt auf starkes Wirtschaftswachstum, bleibt zunächst erhalten.

Vor April 2022 hatte Israel zuletzt im Juli 2018 einen »positiven« Ausblick von Moody’s erhalten, der im April 2020 auf »stabil« gesenkt wurde, als sich die Covid-19-Pandemie im Land ausbreitete. Am vergangenen Freitag aber setzte Moody’s seine Warnungen der vergangenen Monate in die Tat um, obwohl nach Angaben israelischer Medien sowohl Präsident Isaac Herzog als auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit den Verantwortlichen »lange Gespräche« geführt hätten.

Doch es hat nichts bewirkt. Die Wirtschaftsaussichten Israels wurden herabgestuft. Die Agentur begründete dies mit der »Verschlechterung der israelischen Regierungsführung inmitten monatelanger Umwälzungen für den höchst umstrittenen Versuch der Regierung, die Justiz grundlegend zu reformieren«.

Bonität Israels A1-Kreditrating, gestützt auf »starkes Wirtschaftswachstum und eine sich verbessernde Fiskalstärke«, wurde von der Agentur beibehalten. Denn: »Israels Wirtschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten als widerstandsfähig gegenüber vielen wirtschaftlichen und geopolitischen Schocks erwiesen und ist in rasantem Tempo gewachsen.«

Allerdings, warnte die Agentur, sei auch dies nicht sicher und könne »unter Abwärtsdruck geraten, wenn sich die derzeitigen Spannungen in eine anhaltende politische und soziale Krise mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft verwandeln. Möglicherweise verbunden mit wesentlich geringeren Kapitalzuflüssen im wichtigen Hightech-Sektor und der Verlagerung israelischer Firmen ins Ausland«. Im März hatte Moody’s in einem sechsseitigen Bericht geschrieben, dass Israel »bei vollständiger Umsetzung der Vorschläge zur Justizreform kreditnegativ« werden könnte.

Smotrich wies jedoch in einer Sitzung des Knesset-Finanzausschusses zum Staatshaushalt jegliche Befürchtungen diesbezüglich zurück, die unter anderem von der Chefökonomin in seinem eigenen Ministerium, Shira Greenberg, geäußert wurden. Sie hatte bereits im Februar vor den Konsequenzen des Justizumbaus durch die rechts-religiöse Regierung in Jerusalem gewarnt. Dieser könne es nach sich ziehen, die Einnahmevorhersagen im Staatshaushalt korrigieren zu müssen.

Prognose Nicht, wenn es nach Einschätzung des Ministers geht. »Unsere Umsatzprognose ist realistisch«, sagte er. Von Panik wegen eines Rückgangs der Investitionen in der Hightech-Branche wolle er nichts hören, gestand aber ein, dass es einen Rückgang gebe. »Aber der passiert auf der ganzen Welt, weil die Zeit des billigen Geldes vorbei ist. Und selbst wenn durch die Reform Schäden an Start-ups entstehen, bedeutet dies nicht, dass die Staatseinnahmen in der Haushaltsperiode 2023 und 2024 zurückgehen werden.«

Zudem zweifelte er am Verständnis der Experten von Moody’s, denn die seien »schließlich Ökonomen und haben keine Ahnung von den Details einer Justizreform«. Dass es ihm, einem Anwalt auf dem Chefsessel des Finanzministeriums, womöglich an ökonomischer Expertise mangeln könnte, sagte er freilich nicht. Während Smotrich sicher sei, dass die »israelische Wirtschaft stark ist und mit Gottes Hilfe stark bleibt«, berufen sich andere lieber auf harte Fakten und Zahlen.

Die Inflation steigt, und die Landeswährung Schekel befindet sich in einem Dreijahres-Rekordtief.

Und die verheißen derzeit wenig Gutes: Die Inflation steigt, und die Landeswährung Schekel befindet sich in einem Dreijahres-Rekordtief. Nur Touristen aus dem Ausland dürfte dies freuen, denn die Preise bei einem Besuch in Israel sinken für sie derzeit.

proteste Währenddessen gehen die wöchentlichen Massenproteste gegen die Regierungspolitik weiter, obwohl Benjamin Netanjahu den Gesetzgebungsprozess Ende März ausgesetzt hatte, um einen Dialog mit den Reformgegnern und das Ziel eines Kompromisses zu ermöglichen. Doch seine Glaubwürdigkeit ist, gelinde gesagt, angeschlagen. Zudem haben bereits mehrere Koalitionsmitglieder hervorgehoben, dass die Gesetzesvorstöße direkt nach dem Unabhängigkeitstag weitergehen würden.

So sehen die Kritiker der Reform wenig Grund für Optimismus. Genau diese Atmosphäre im Land brachte am vergangenen Samstagabend, nach dem Ende des Schabbats, wieder Hunderttausende Menschen auf die Straßen, um ihrem Unmut über die geplante Schwächung der Demokratie Luft zu machen. Diesmal hatten sie neue Schilder dabei. In Anlehnung an den Spitznamen Netanjahus – Bibi – stand auf den Plakaten in fetten Lettern: »Von A plus zu B’B’«.

Nahost

USA: Gaza-Deal so nah »wie nie zuvor«

Washington gibt sich optimistisch: Eine Einigung auf eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas sowie die Freilassung von Geiseln stehe bevor. Der US-Außenminister sagt: Es liegt nun an der Hamas

von Julia Naue  14.01.2025

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Gerhard Conrad

»Hamas ist ein Gegner, der nur in extremer Not einlenkt«

Der ehemalige Geisel-Unterhändler und BND-Agent über einen möglichen Deal zwischen Hamas und Israel und die Folgen für den Nahen Osten

von Michael Thaidigsmann  14.01.2025

Israel

Ben Gvir: Geisel-Deal bedeutet Ende der Regierungskoalition

Der rechte Minister gibt zu, im vergangenen Jahr eine Waffenstillstandsvereinbarung mehrfach verhindert zu haben

 14.01.2025

Terror

Bericht: Hamas akzeptiert Entwurf für Geisel-Deal

Es müssten nur noch letzte Details geklärt werden, so ein israelischer Regierungsvertreter

 14.01.2025 Aktualisiert

Israel

Luftalarm wegen Rakete aus dem Jemen

Mehrere Menschen verletzten sich auf dem Weg zum Schutzraum

 14.01.2025

Washington D.C.

USA legen Nachkriegsplan für Gaza vor

Blinken will die Palästinensische Autonomiebehörde in eine Regierung einbeziehen. Israel lehnt dies ab, da auch sie den Terror unterstützt

 14.01.2025

Geisel-Deal

»Ein Schimmer der Hoffnung, aber wir bleiben vorsichtig«

In Doha sollen heute wohl letzte offene Fragen geklärt werden, während immer mehr Details über den möglichen Deal zwischen Israel und Hamas bekannt werden

 14.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert