In einem verzierten Rahmen hängt das Zertifikat gut sichtbar an der Wand. »Koscher« steht in fetten Lettern darauf. Vergeben wird der Beleg, dass sich das Restaurant an die jüdischen Speisegesetze hält, ausschließlich vom Oberrabbinat. Kaschrut in Israel ist ein Monopol. Doch immer mehr Lokale rebellieren gegen die drakonischen Regeln der ultraorthodoxen Rabbiner. Jetzt erzielten sie einen Erfolg vor dem Obersten Gerichtshof: Es dürfen keine Strafen mehr für alternative Kaschrut-Genehmigungen verhängt werden.
Geklagt hatten zwei Jerusalemer Restaurants: Karousella und Topolino, die sich durchaus an die Kaschrut halten und nach eigener Auskunft »viele religiöse Gäste« haben. Unterstützt wurden sie vom Religiösen Aktionszentrum der Reformbewegung. Für Schai Giny vom Topolino war das Maß voll, als der Kaschrut-Beauftragte anordnete, dass ausschließlich Blattsalat benutzt werden darf, der stark mit Pestiziden behandelt war, um den Speisegesetzen zu entsprechen.
Grundrechte »Dabei gibt es andere Methoden, den Salat entsprechend der Halacha zu säubern«, erläutert Giny. Doch er hatte keinen Erfolg. Der Aufseher drohte, bei Nichtbefolgen das Zertifikat zu entziehen. Der Restaurantbesitzer kam ihm zuvor und gab es dem Rabbinat selbst zurück. Jonathan Wadei vom Karoussela hatte die Nase voll, nachdem der Beauftragte des Rabbinats monatlich eine Gebühr von 600 Schekel kassieren wollte, »obwohl er bei seinen Besuchen in unserem Lokal nichts anderes tat, als sich den Bauch vollzustopfen«.
Die Klageschrift verlangte, dass die Strafen gegen die Restaurants aufgehoben werden, die gemäß dem Gesetz gegen Kaschrut-Betrug verhängt wurden, in dem es heißt: »Lokale dürfen nicht schriftlich erklären, dass sie koscher sind, bis ihnen ein Kaschrut-Zertifikat verliehen wurde.« Die Klage hatte Erfolg. Denn die Antragsteller argumentierten überzeugend, dass das Verbot gegen Grundrechte verstoße. Die Betreiber seien ihren Kunden gegenüber ehrlich gewesen und hatten lediglich erklärt, dass es eine Überwachung gebe und man sich akribisch an das religiöse Gesetz in Sachen Zutaten und Zubereitung halte.
alternativen Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein unterstützt Alternativen und machte klar: »Geschäfte, die alternative Kaschrut-Bestätigungen präsentieren, die nicht zum Oberrabbinat gehören, dürfen nicht bestraft werden.« Allerdings, schränkte Weinstein ein, dürfen sie das Wort »koscher« nicht explizit verwenden. Das bleibt ausschließlich dem Oberrabbinat vorbehalten, was dies für seine Monopolstellung ausnutzt.
Auch dagegen klagten die Restaurants. Doch so weit wollte das Gericht offenbar nicht gehen. Riki Schapira Rosenberg, Anwalt des Religiösen Aktionszentrums, akzeptiert das nicht: »Das ist völlig überzogen, es gibt kein Monopol auf das Wort ›koscher‹. Wenn Restaurantbesitzer sagen, sie haben kein Zertifikat, ist das kein Betrug. Das Rabbinat will, dass jeder nur seine Erlaubnis anerkennt. Doch die Öffentlichkeit verlangt Alternativen, und es gibt Institutionen, die genau das anbieten.«
Eine davon ist die Initiative Haschgacha Pratit (private Überwachung). Der Vorsitzende Rabbiner Aaron Leibowitz, der dem Jerusalemer Stadtrat angehört, freut sich über die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes: »Das ist ein Feiertag für jeden, für den Wahrheit und Gerechtigkeit in Sachen Kaschrut von Bedeutung sind.« Er ist der Meinung, dass es nicht in erster Linie um Überwachung geht, sondern darum, was geschieht, wenn der Aufseher wieder weg ist. »Die wahre Kaschrut-Probe findet statt, wenn der Prüfer dem Lokal den Rücken zugewandt hat.« Haschgacha Pratit unterrichtet seine Mitglieder daher darin, wie ein koscheres Restaurant zu führen ist.
Mitglieder Nach Lokalen in Jerusalem, die sich über ihr alternatives Zertifikat freuen, sind mittlerweile auch die ersten Tel Aviver dabei: An der Sheinkin Street feierte kürzlich die Bäckerei »Baker’s« das Gerichtsurteil. Ayala Falk von der Initiative sieht darin einen Trend: »In den vergangenen Wochen ist die Zahl unserer Mitglieder von zehn auf 20 angestiegen, und es werden mehr. Das Feedback ist hervorragend.« Man habe das Angebot extra von Jerusalem auf Tel Aviv ausgeweitet, um nicht den Eindruck zu erwecken, man wolle einen Krieg mit dem in der Hauptstadt ansässigen Rabbinat anzetteln. »Wir sind absolut gegen das Kaschrut-Monopol im ganzen Land.«
Die Aufseher von Haschgacha Pratit sind übrigens vom Rabbinat ausgebildet. Doch so leicht will dieses sein Monopol nicht aufgeben. Es wandte sich mit einem Einspruch an den Obersten Gerichtshof, und auch in der Knesset machen die ultraorthodoxen Rabbiner Stimmung. Die streng religiöse Partei Schas ließ sich bereits vom regierenden Likud bescheinigen, dass jegliche »Schlupflöcher im Kaschrut-Gesetz gestopft« werden sollen.