Nach dem Massaker der Terrororganisation Hamas auf dem Nova-Festival im Süden Israels musste dem früheren Profi-Fußballer Ben Binjamin sein rechtes Bein amputiert werden. Binjamin überlebte nur, weil ihn die Terroristen, die – wie er der Times of Israel berichtete – vier Granaten in den Bunker schmissen, in dem sich Binjamin und viele andere Festival-Besucher vor ihnen verstecken mussten, offenbar für tot hielten und ihn deswegen liegen ließen.
»Als ich im Krankenhaus aufwachte«, sagt der 29-Jährige in einem Video der Nachrichtenagentur AP, das der Verein «Israel Amputee Football» auf seiner Instagram-Seite geteilt hat, »ging ich davon aus, dass ich nicht mehr laufen werden könne, dass ich nicht mehr in der Lage sein würde, vieles andere zu tun.«. Dass er je wieder das Spiel ausüben könnte, das er so sehr liebte, hatte er für ausgeschlossen gehalten. Doch dann erfuhr er von einem ganz besonderen Team.
Die Sportler spielen in der Gruppe C
In Ramat Gan trainiert die israelische Nationalmannschaft im Amputierten-Fußball. Zu den neusten Mitgliedern zählen Binjamin sowie zwei Soldaten, die im Krieg gegen die Terrororganisation Hamas schwer verletzt wurden. Für alle drei ist der Sport eine einmalige Chance, trotz des Verlusts von Gliedmaßen wieder ihren Platz im Leben zu finden. Anfang Juni wird das Team sogar zur Europameisterschaft
«EAFF Euro 2024» nach Frankreich reisen. Die Sportler spielen in der Gruppe C gegen die Türkei, Irland und Aserbaidschan.
»Es ist das Beste in meinem Leben«, sagt der aus Haifa stammende Soldat Omer Glikstal über das zweimal wöchentliche Training. Der 20-Jährige hatte schon vor seinem Einsatz im Gazastreifen regelmäßig Fußball gespielt. »Es ist ein ganz anderes Spiel als das, was ich früher gespielt habe. Aber am Ende ist es doch das gleiche«, sagt er. Im November wurde während eines Gefechts durch einen Schuss aus einer Panzerfaust sein Fuß zerschmettert.
Viele Israelis sind bei dem Terrorangriff der Hamas sowie während des dadurch ausgelösten Krieges so schwer verletzt worden, dass ihnen Gliedmaßen amputiert werden mussten. Allein das Sheba Medical Center in Ramat Gan hat laut eigenen Angaben etwa 60 Patienten mit Amputationen behandelt.
Seit Oktober sind im Gazastreifen laut israelischem Verteidigungsministerium 1573 Soldaten verletzt worden. Die Streitkräfte haben bislang keine Statistik zu Amputationen veröffentlicht. Aber bei etwa 320 Soldaten seien die Verletzungen schwerwiegend gewesen, heißt es.
Die Betroffenen in Israel profitieren von einem erstklassigen Gesundheitssystem, das auch über jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Kriegsverletzungen verfügt.
Shaked Bitton, ein Divisionskommandeur der israelischen Streitkräfte, wurde Ende Oktober in Nordgaza von einem Scharfschützen der Terrororganisation Hamas ins rechte Bein getroffen. »Ich habe zwei Schüsse gehört. Ich fiel zu Boden. Ich schaute zurück«, sagt der 21-jährige Soldat. »Und ich sah mein Bein.« Er dachte, sein Leben sei vorbei. Später, im Krankenhaus, traf er andere, denen es ähnlich ergangen war wie ihm. Dort besuchten ihn Menschen, die ebenfalls amputiert waren, und die trotzdem erfolgreich ihr Leben wieder aufgenommen hatten.
Für Israel international anzutreten, sei ein großartiges Gefühl.
Einer von ihnen war Zach Shichrur, der Gründer der israelischen Fußball-Nationalmannschaft für Amputierte, dem im Alter von acht Jahren ein Bus über den Fuß gefahren war. Er weiß, was die anderen Männer durchmachen – und er versteht es, ihnen Hoffnung zu geben. Es sei ein großartiges Gefühl, bei internationalen Sportwettbewerben für Israel antreten zu dürfen. »Die meisten von uns, wenn nicht alle, hätten sich so etwas niemals vorstellen können«, sagt der 36-jährige Rechtsanwalt und Mannschaftskapitän.
Seit der Gründung vor fünf Jahren spielt das israelische Team mit zunehmendem Erfolg. Bei einem Turnier in Belgien im Oktober landete es auf Platz drei – und qualifizierte sich damit für die EM im Juni. Beim Amputierten-Fußball stehen sich jeweils sechs Feldspieler gegenüber, denen untere Gliedmaßen fehlen. Sie spielen mit Krücken und ohne Prothesen. Hinzu kommt ein Torwart, dem obere Extremitäten fehlen. Das Spielfeld ist kleiner.
»Wir haben alle etwas gemeinsam. Wir haben harte und schwierige Zeiten durchgemacht. Das verbindet«, sagt Aviran Ohana, ein Experte für Cybersicherheit, dessen rechtes Bein von Geburt an kürzer ist als das linke, und der seit zwei Jahren mit im Team ist.
Das Training an einem Abend im April beginnt mit Sprints, bei denen die Spieler mit ihren Krücken über das Feld laufen. Es folgt eine Partie gegen eine reguläre Jugendmannschaft aus der Umgebung. Binjamin schießt und dribbelt mit seinem linken Fuß und gerät dabei immer mehr ins Schwitzen. »Vorwärts! Vorwärts!«, feuert der Trainer sein Team von der Seitenlinie an. Jedes Tor wird ausgiebig gefeiert.
Integration im Sport
Sir Ludwig Guttmann, ein jüdischer Neurologe, der 1939 vor den deutschen Nationalsozialisten nach Großbritannien flüchtete, war ein früher Förderer des Behindertensports als Maßnahme zur Rehabilitation. Parallel zu den Olympischen Spielen in London im Jahr 1948 veranstaltete er einen ersten Wettkampf für Rollstuhl-Athleten und gilt somit als Begründer der Paralympischen Spiele. Sein Vermächtnis hat Tausenden Menschen mit Behinderung zu einem besseren Leben und Integration verholfen.
Im heutigen Israel biete der Amputierten-Fußball den Spielern die Aufregung des Wettbewerbs und zugleich die heilende Wirkung des Sports, sagt Michal Nechama, die Physiotherapeutin des Teams. »Sie brauchen es für ihre Seelen«, betont sie. »Es gibt ihnen Freude und Stolz – das gewisse Etwas, das einem ein Krankenhaus nicht geben kann.« (Pamela Sampson, AP) und ja