Nach zehn Jahren Verspätung rollt er endlich: der erste elektrische Hochgeschwindigkeitszug Israels. Geplant als Verbindungslinie zwischen Jerusalem und Tel Aviv, endet seine Fahrt derzeit allerdings an der Haltestelle des Ben-Gurion-Flughafens. Bis in die Küstenmetropole geht es noch nicht. Obwohl die Strecke nicht komplett fertiggestellt ist, wurde am Donnerstag das erste Teilstück eröffnet.
Premierminister Benjamin Netanjahu und Transportminister Yisrael Katz fuhren bereits mit. Sie waren am Yitzhak-Navon-Bahnhof in Jerusalem nach einer kurzen Zeremonie zur Testfahrt eingestiegen. Der neue Bahnhof befindet sich in unmittelbarer Nähe der zentralen Busstation. Netanjahu lobte das Projekt in den höchsten Tönen: »Dies ist ein historischer Augenblick, obwohl ich diesen Ausdruck mit Vorsicht gebrauche.
Doch ich habe immer daran geglaubt, dass es möglich ist, Jerusalem ans nationale Streckennetz anzuschließen, statt über die alte türkische Strecke zu fahren. Und hier sind wir nach einer großen Anstrengung durch die Regierung, das Transportministerium und allen, die daran gearbeitet haben, angekommen. Dies ist wahrhaftig eine neue Ära.«
Kosten Und auch Katz hatte nur Positives zu berichten: »Es ist ein Feiertag. Besonders in dieser Zeit, wo viele versuchen, die Verbindung der Juden zu Jerusalem zu unterminieren, verbinden wir Jerusalem.« Kritik an den Verzögerungen verbaten sich die Politiker. Dennoch gab es sie. Oppositionspolitiker Eitan Cabel von der Arbeitspartei etwa meinte: »Dies ist eine Feier für ein halb fertiggestelltes Projekt, und es geht nur darum, dass Netanjahu dafür bei den nächsten Wahlen die Lorbeeren ernten kann.«
Die Planungen für einen Schnellzug, der die beiden größten Städte des Landes zusammenführt, hatten bereits in den frühen 90er-Jahren begonnen. Als Startsignal hatte man damals das Jahr 2008 anvisiert. Doch erst im Jahr darauf begann man schließlich mit den ersten Arbeiten, die sich als schwieriger erwiesen, als von den Planern angenommen. Es war ein wahres Mammutprojekt: Für die 57 Kilometer Schienen mussten 38 Kilometer Tunnel durch Berge gebohrt und sieben Kilometer Brücken in schwindelerregender Höhe gebaut werden. Auch die Kosten für das Projekt verdoppelten sich im Laufe der Jahre und belaufen sich jetzt auf rund zwei Milliarden Dollar.
Doch von Schwierigkeiten wollten Netanjahu und Katz an diesem Tag nichts hören. Sie bestaunten von ihren Sitzen aus die Natur, die am Fenster vorbeizog. »Als ich ein Junge war, haben wir gesungen: ›Der Zug flog zwischen Bergen und Hügeln‹«, erzählte der Premier, »und heute habe ich das Vergnügen, tatsächlich in der Bahn zu sitzen, die dahinfliegt und Tel Aviv in weniger als 30 Minuten erreicht.«
Tempo Derzeit kann man das Tempo des Zuges nicht als »fliegen« bezeichnen, denn die anvisierten 160 Kilometer in der Stunde darf er aus Sicherheitsgründen nicht erreichen. Bei der Beschreibung der Landschaft aber übertrieb Netanjahu kaum. Die Strecke könnte malerischer kaum sein. Durch die Berge Judäas mäandern die Gleise, durch sieben unterirdische Tunnel und über acht Brücken in imposanten Höhen, bis in die 800 Meter hoch gelegene Heilige Stadt.
Seit Dienstag können auch Passagiere mitfahren. Israel Railways war vom Transportministerium gedrängt worden, zumindest ein Stück zu eröffnen, da Minister Katz den Israelis versprochen hatte, dass es rechtzeitig zu Sukkot eine Bahn geben werde. Wer von Jerusalem bis nach Tel Aviv im Elektrozug reisen will, muss nach den 21 Minuten Fahrtzeit bis zum Flughafen an dessen Bahnstation in die alten Dieselbahnen umsteigen.
Allerdings macht schon diese Strecke das Leben der Reisenden um einiges leichter. Denn die Züge ab Ben Gurion bis in die Mittelmeermetropole fahren oft und verhältnismäßig pünktlich. Die Alternative war keine echte, denn die Strecke auf der alten, mehr als 120 Jahre alten osmanischen Linie konnte bis zu zwei Stunden dauern.
Fehler Auf der restlichen Strecke vom Flughafen nach Tel Aviv waren Fehler bei der Planung unterlaufen, hieß es von den Verantwortlichen, sodass die Elektro-In-frastruktur nicht rechtzeitig fertiggestellt wurde. Anders als bei dem Stück von Ben Gurion nach Jerusalem fahren auf dieser bereits Züge. Daher ist die Arbeit auf die Nachtstunden beschränkt, wenn es keinen öffentlichen Nahverkehr gibt. So wird die Bahn wahrscheinlich erst Mitte 2019 in Tel Aviv eintreffen.
Auf dem eröffneten Teilstück gibt es derzeit zwei Fahrten pro Stunde. Letztlich sollen es vier sein, die etwa 50.000 Pendler täglich hin- und herfahren können.
In den ersten Tagen sind die Tickets kostenlos, müssen aber vorher online reserviert werden. Bei dem Zug geht es nicht ausschließlich um die Annehmlichkeiten für die Menschen, machten die Politiker noch klar, sondern auch um die Anbindung Jerusalems ans Zentrum. Der Heiligen Stadt soll damit zu neuem Glanz verholfen werden. Und in diesem Sinne sagt Katz: »Dieser Zug wird nach König David benannt.«