Israel

»Mit Blut an den Händen«

Sie wurden wie Helden gefeiert: Die ersten 26 palästinensischen Häftlinge haben die Gefängnisse in Israel verlassen und kehrten in ihre Heimatorte zurück. Sie sind allesamt verurteilte Terroristen und Mörder. In Gaza und im Westjordanland knallten Dienstagnacht Freudenschüsse, und Feuerwerke erhellten den Himmel. Fast zeitgleich schlugen in Israels Süden Raketen aus dem Gazastreifen ein.

Seit Wochen bereits waren Angehörige von Terroropfern und Vertreter von Opferverbänden gegen die Entscheidung auf die Straße gegangen. Immer wieder hatten sie ihren Unmut darüber geäußert, Mörder und Terroristen freizulassen. Bei einigen Demonstrationen vor der Knesset hatten sich die Frauen und Männer ihre Hände mit roter Farbe angemalt, um zu zeigen, dass hier Gefangene »mit Blut an den Händen in die Freiheit geschickt werden«.

Petition Noch in letzter Minute hatten die Angehörigen der Opfer mit einer Petition vor dem Obersten Gerichtshof versucht, die Entlassungen der Mörder zu stoppen. Jedoch ohne Erfolg. Richter Ascher Grunis schrieb in seiner Begründung, die Petition abzulehnen: »Es ist keine Frage, dass die Angelegenheit eine schwierige und sensible ist. Unsere Herzen sind jetzt bei den Familien der Opfer.«

Einer der Aktivisten, der stets gegen die Entlassung demonstriert hat, ist Avi Natan. Er ist sicher, dass auch diese »Geste« nicht zum Frieden beitragen wird, und versteht die Taktik seiner Regierung nicht. »Ich weiß nicht, was das soll, diesen Meuchelmördern praktisch ein neues Leben zu schenken. Das haben sie nicht verdient. Die Opfer bringt uns niemand mehr wieder.«

Terroristen Die Pressestelle des Regierungsbüros veröffentlicht noch am Abend der Freilassungen eine Liste der 26 Namen mit ihren Vergehen, um nicht den Eindruck entstehen zu lassen, es handele sich um »politische Gefangene«, wie von palästinensischer Seite stets betont wird. Darunter ist etwa Salah Mugdad (47), der vor 20 Jahren den israelischen Sicherheitsmann eines Hotels in Netanja, Israel Tennenbaum, ermordete.

Ebenfalls entlassen ist Borhan Sabiah, der sechs angebliche Kollaborateure mit Israel tötete. Er wurde zu sechs Mal lebenslänglich verurteilt. Mohammed Sawalha war an dem Mord an Baruch Heisler in einem Bus in Ramat Gan beteiligt. Drei weitere Menschen wurden dabei verletzt. Er hätte lebenslang hinter Gittern sitzen müssen. Doch nun ist er frei.

Die Aktion von Dienstag ist die erste Phase, um die Friedensbemühungen, die zeitgleich in Washington stattfinden, wieder in Gang zu bringen. Israel hatte diese »wohlwollende Geste« für die Palästinenser zuvor im Kabinett beschlossen. Insgesamt werden 103 Männer freigelassen, die allesamt vor den Oslo-Verträgen von 1993 festgenommen worden waren. Diese ersten 26 wurden von einem Sicherheitskomitee ausgewählt, dem Verteidigungsminister Mosche Yaalon vorsaß.

Raketen Zeitgleich mit der Freilassung wurden aus dem Gazastreifen palästinensische Raketen auf die im Süden Israels gelegene Region Sha’ar Hanegev abgefeuert. Sie richteten keine Schäden an. Die israelische Armee reagierte mit einem Luftangriff. Dabei wurde nach Angaben eines Armeesprechers zwei Raketenstellungen in Norden Gazas getroffen.

Mehr dazu in der kommenden Printausgabe am 15. August

Nahost

Trotz Waffenruhe: Verletzte im Süd-Libanon

Trotz des Waffenstillstandes kommt es noch immer zu Spannungen

 28.11.2024

Nahost

Israels Luftwaffe greift erstmals seit Waffenruhe Hisbollah-Ziel an

Die Vereinbarung gilt seit Mittwoch, aber es kommt zu Zwischenfällen

 28.11.2024

Den Haag

ICC-Sprecher: Urteil könnte aufgehoben werden

Internationale Haftbefehle könnten gestoppt werden, wenn es eine »glaubhafte Untersuchung« in Israel gebe

von Sabine Brandes  28.11.2024

Krieg

Ägyptische Delegation reist für Gaza-Deal nach Israel

In der »Vision für den Tag danach« sollen die Geiseln schrittweise freigelassen werden

von Sabine Brandes  28.11.2024

Interview

»Die Hamas ist jetzt auf sich allein gestellt«

IDF-Sprecher Arye Sharuz Shalicar über den Waffenstillstand im Libanon und die Konsequenzen für den Krieg in Gaza

von Michael Thaidigsmann  28.11.2024

Reaktionen

»Dunkler Tag für die Gerechtigkeit«

Politiker aller Parteien verurteilen die Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs. Doch nicht wenige sehen auch eine Mitschuld bei der Regierung

von Sabine Brandes  28.11.2024

Vermisst

Argentinier gekidnappt

Iair Horn wurde zusammen mit seinem Bruder von der Hamas nach Gaza verschleppt

von Sabine Brandes  28.11.2024

Nahost

Israel warnt Hisbollah vor Verstößen gegen Waffenruhe

Die Lage am Donnerstagmorgen

 28.11.2024

Jerusalem/Den Haag

Israel kündigt Berufung gegen Haftbefehle an

Das Argument: Es gibt keine faktische Grundlage für die Entscheidung

 28.11.2024