Es ist die umstrittenste Debatte des neuen Jahres: In der vergangenen Woche ebneten die Parlamentarier in Jerusalem den Weg für eine Erleichterung der Gesetzgebung zur Todesstrafe für Terroristen. Mit 52 zu 49 Stimmen wurde die Einbringung der Partei Israel Beiteinu bei einer Vorabstimmung in der Knesset zu den Lesungen angenommen. Obwohl es drei weiterer Lesungen bedarf, war es ein Erfolg für den Chef der Partei, Avigdor Lieberman – mit Unterstützung von Premier Benjamin Netanjahu. Doch Experten und Rabbiner warnen, dass die Folgen für Israel »verheerend« sein könnten.
Schon heute gibt es die Möglichkeit der Todesstrafe für verurteilte Terroristen. Doch sie besteht mehr oder weniger auf dem Papier und ist noch niemals bei Terrorismus angewandt worden. Für die Umsetzung bedarf es einer einstimmigen Bestätigung des Richterpanels am Militärgericht. Nur zweimal überhaupt in der Geschichte des Staates wurde die Todesstrafe vollzogen: 1948 gegen Meir Tobianski wegen Hochverrats und 1962 gegen den Nazi-Planer Adolf Eichmann. Tobianski wurde später postum freigesprochen. Der junge Staat Israel hatte die Rechtsprechung des britischen Mandats, die die Todesstrafe für verschiedene Vergehen vorsah, übernommen. 1954 schaffte Israel die Todesstrafe bei Mord jedoch ab.
Abschreckung Israel Beiteinu hat vor, die jetzigen Voraussetzungen massiv zu verändern. So sollen dem Vorschlag zufolge nicht mehr nur militärische, sondern auch Zivilgerichte dieses Urteil verhängen dürfen. Zudem soll eine einfache Mehrheit der Richter genügen. Auch soll ein einmal verhängtes Todesurteil nicht in eine andere Strafe umgewandelt werden können. Lieberman argumentiert, das Gesetz würde als Abschreckung gegen Terrorismus wirken.
»Denn der Kampf gegen den Terrorismus ist die größte Herausforderung, der die Welt und besonders Israel im 21. Jahrhundert entgegenblickt. Und dennoch gibt es einen riesigen Unterschied zwischen der Realität und der Bestrafung.« Die Freilassung von Terroristen, die die schlimmsten Taten begangen haben, sende das falsche Signal, ist der Politiker überzeugt.
Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit indes ließ bereits am Anfang der Debatte wissen, dass er eine Änderung kategorisch ablehnt. In einem Schreiben an das Büro des Premiers erläuterte er, dass die Todesstrafe »keine Abschreckung für Terroristen« darstelle. Zudem entspreche die Einbringung nicht den Erklärungen des Staates in internationalen Foren und provoziere Kritik.
Die ließ tatsächlich nicht lange auf sich warten. Die Europäische Union verurteilte den Vorschlag bereits mit den Worten, dass diese Strafe der Menschenwürde widerspreche. Mandelblit wies zudem darauf hin, dass der Trend des juristischen Systems weltweit in Richtung Abschaffung der Todesstrafe gehe. »In Europa etwa gibt es sie überhaupt nicht mehr, und auch Bundesstaaten der USA nehmen zunehmend Abstand davon, sieben allein in den vergangenen zehn Jahren.« Lediglich 31 Länder weltweit wenden noch die Todesstrafe an.
Mord »Wer ein Messer in der Hand hält, mordet und dabei lacht, verdient es, zu sterben«, so erklärte Netanjahu seine Unterstützung für die Gesetzesanpassung. Der Premier bezog sich dabei auf die Augenzeugenberichte des Mordes an drei Mitgliedern der jüdischen Familie Salomon in der Siedlung Halamisch durch einen palästinensischen Terroristen. »Es gibt extreme Situationen, in denen Menschen schreckliche Verbrechen begehen und es deshalb nicht verdienen, am Leben zu bleiben.« Für ihn sei wichtig, dass die Beurteilung von zwei Richterstimmen zukünftig ausreicht.
Ahmed Tibi (Vereinte Arabische Liste), der die Diskussion im Plenum leitete, wies auf die mögliche diskriminierende Natur des Gesetzes hin und fragte den Regierungschef: »Ist der Fall Duma ein solcher extremer, in dem Sie die Todesstrafe befürworten würden?« In dem Dorf Duma in der Nähe der Stadt Hebron hatte ein jüdischer Terrorist Brandsätze in das Wohnhaus der arabischen Familie Dawabscheh geworfen. Die Mutter, der Vater und das Baby starben, ein anderer Sohn überlebte mit schwersten Brandverletzungen. »Im Prinzip ja«, antwortete Netanjahu ohne Zögern.
Doch sogar Koalitionsmitglieder warnen – wie Energieminister Yuval Steinitz. Der meinte während einer Regierungssitzung vor der Lesung: »Dies ist das Schlimmste, was Israel tun könnte. Eine solche Änderung könnte massiven Schaden anrichten und unseren schlimmsten Feinden in die Hände spielen.«
Steinitz steht mit seiner Meinung nicht allein: Ausnahmslos alle Chefs der Sicherheitskräfte sprechen sich gegen die Todesstrafe aus – die der Armee, der Polizei und des militärischen sowie des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet. Der Schin Bet warnte davor, dass ein derartiges Gesetz zu Entführungen von Israelis führen könnte, um diese dann als Pfand für die Freipressung von verurteilten Terroristen zu missbrauchen. Zudem würde es individuellen Terrorismus in keiner Weise minimieren, denn Selbstmordattentäter seien ohnehin bereit, ihr Leben zu opfern.
Sanhedrin Auch Rabbiner melden sich in der Angelegenheit zu Wort. Der sefardische Oberrabbiner machte unmissverständlich klar: »Es gibt keinen Platz dafür«, und erklärte, dass ausschließlich die jüdischen Richter des Altertums, der Sanhedrin, das Recht gehabt hatten, über Leben und Tod zu entscheiden. Diese Aussage könnte bereits das Ende der Einbringung bedeuten, denn Yosef ist das geistliche Oberhaupt der sefardischen Schas-Partei, die Mitglied der Regierungskoalition ist. Sollten ihre sieben Knessetmitglieder auf den Rabbi hören und gegen das Gesetz stimmen, ist es unwahrscheinlich, dass es noch eine Mehrheit erhalten kann.
Einen jüdischen Terroristen zu töten, verstoße zudem gegen das jüdische Religionsgesetz, die Halacha, so der Oberrabbiner. Die Sicherheitsexperten lehnen es ab, und die weisen Vorväter untersagten es ebenfalls, führte Yosef weiter aus. »Soll der jüdische Terrorist eine schreckliche Krankheit bekommen oder einen Autounfall haben. Das liegt in göttlicher Hand. Wir sind nicht der Sanhedrin.«