Am Ende sagt der Jerusalemer Wissenschaftler Hillel Cohen das, was man auch als eine der wesentlichen Aussagen dieses Buches verstehen kann: »Alles hängt davon ab, ob man zuhört und bereit ist, sich zu ändern.«
Kurz nach den offiziellen Feiern zum 75. Jahrestag der Staatsgründung Israels kommt nun die Neuerscheinung » ›…und es wurde Licht!‹ - Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel« auf den Markt.
Autor Igal Avidan hat jüdische und arabische Israelis besucht, die trotz aller Konflikte zusammenarbeiten oder befreundet sind. Sie engagieren sich gemeinsam in gesellschaftspolitischen Projekten sowie in Bildung und Erziehung, singen in gemischten Chören oder spielen zusammen Theater. Und halfen sich während der Ausschreitungen im Mai 2021 an vielen Orten des Landes.
Wille und Tatkraft Der Berenberg Verlag wirbt damit, dass in dem Buch gute Nachrichten aus einer konfliktreichen Region nachzulesen seien. Das ist in der Tat so, und der Wille und die Tatkraft vieler der hier Interviewten sind beeindruckend. Zugleich wird deutlich, wie fragil Kooperationen sein können und gegen welche Widerstände sie sich behaupten müssen. Nicht überall sind Stimmen zu hören, die Hoffnung verbreiten.
Avidan, der als Journalist arbeitet, streift in seinem Buch auch die aktuelle Lage unter der in Teilen rechtsextremen Regierung. Sein Schwerpunkt liegt jedoch auf der Gewalt von vor zwei Jahren und ihren Folgen für das Zusammenleben, das nach Aussagen so mancher Gesprächspartner Wunden davongetragen hat.
Er begibt sich auf Recherche auch in gemischte Städte, in denen jüdische und arabische Israelis leben. Eine davon ist Lod südöstlich von Tel Aviv. Dort war es seinerzeit zu massiven Unruhen mit Verletzten und Toten, brennenden Synagogen und Vandalismus gekommen - wegen lokaler Ausschreitungen und auch wegen des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen.
Arabische Nachbarn Dort blickt Avichai Tabak zurück: »In jener Nacht war hier die Hölle los.« Zusammenleben sei für ihn immer ein Prinzip gewesen, mit manchen arabischen Nachbarn sei er befreundet gewesen. Im Mai 2021 sei dieses gute Zusammenleben in Flammen aufgegangen. »Sicher ist nur, dass wir auch heute Nacht und auch in einem Monat, einem Jahr oder Jahrzehnt Nachbarn bleiben werden. Deshalb müssen wir einen Weg finden, zusammenzuleben.«
In der Stadt besucht Avidan auch ein kommunales jüdisch-arabisches Bildungs- und Kulturzentrum. Dort leitet Hanadi Basel die arabische Abteilung und sagt: »Es wäre die Erfüllung eines Traums, in Lod einen Chanukkaleuchter neben einem Weihnachtsbaum und einem Symbol für unsere muslimische Gemeinde zu erleben.« Dafür brauche es Menschen, die an einen solchen Traum glaubten.
In Ramle unweit von Lod kommt in einer Grundschule Nawal Abu Amer zu Wort, die beduinische Schulleiterin. Für sie ist Respekt zentral - und auch das Sprechen über Konflikte. Sie lege Wert auf den Begriff gemeinsames Leben statt Zusammenleben, »das für sie nur gemeinsames Hummus-Essen bedeutet«, schreibt Avidan.
Arabische und hebräische Lieder Basel beschreibt Kooperationen zwischen Schulen mit gemeinsamen Fortbildungen, Klassen, die zusammen lernen, und einem Chor, der arabische und hebräische Lieder singt. Eine solche Zusammenarbeit habe während der Unruhen im Mai 2021 eine »besondere Wirkung« entfaltet, heißt es: »Die Einwohner haben deeskalierend gewirkt.« Überhaupt: Viele Menschen berichten in dem Buch davon, dass Bildung und eben dieses gemeinsame Leben Gold wert seien.
Der Autor liefert Hintergrundinformationen und Historisches zur Erklärung von Konflikten. Das Buch erinnert auch daran, dass die Gründung Israels auch mit Flucht und Vertreibung verbunden war.
Avidan versucht, Atmosphären einzufangen und begibt sich auch auf Märkte, um Menschen zu treffen und das Treiben dort zu beschreiben. Insgesamt seien seine Gesprächspartnerinnen und -partner, die sich für Menschenrechte und für ein friedliches Zusammenleben einsetzten, zum Teil frustriert darüber, »dass sie täglich in Fernsehen und Rundfunk politische Brandstifter sehen und hören müssen«.
Igal Avidan, » ›... und es wurde Licht!‹ - Jüdisch-arabisches Zusammenleben in Israel«, Berenberg Verlag, 2023, 224 Seiten, 18 Euro.