Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Medien Anstiftung zu den regelmäßigen Protesten gegen ihn vorgeworfen. Bei einer sechsminütigen Schimpftirade bei einem Treffen seines Kabinetts kritisierte Netanjahu am Sonntag Medien dafür, Vorfälle der Gewalt gegen Demonstranten falsch darzustellen.
»Es hat noch nie so eine verzerrte Mobilmachung - ich wollte sagen, sowjetisch, aber es hat bereits nordkoreanische Bedingungen erreicht -, der Medien zu Gunsten der Proteste gegeben«, sagte Netanjahu.
CORONA Die Demonstranten fordern den Rücktritt von Netanjahu. Sie protestieren gegen seinen Umgang mit der Coronavirus-Krise und lehnen es ab, dass er im Amt bleibt, während er wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht steht. Netanjahu bestreitet die Vorwürfe. Die Proteste gegen ihn hat es im Sommer zwei Mal in der Woche gegeben. Es sind die größten in Israel seit Protesten gegen hohe Lebenshaltungskosten 2011. Bei einer Versammlung in Jerusalem am Samstagabend waren mehr als 10.000 Menschen.
Die Proteste sind größtenteils friedlich gewesen. Gelegentlich hat es Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizisten gegeben. Kleine Gruppen von Netanjahu-Anhängern und Unterstützer rechtsextremer Gruppen haben Demonstranten angegriffen. Netanjahu hat die Demonstranten als »Linke« und »Anarchisten« bezeichnet.
Ein Gericht entschied, dass Netanjahus Sohn Jair einen Tweet mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Demonstranten entfernen muss.
Netanjahu warf den Medien vor, »wilde und uneingeschränkte Anstiftung, darunter tägliche Aufrufe (...) dazu, den Ministerpräsidenten und seine Familie zu ermorden«, ignoriert zu haben. Zu Beginn seiner Rede verurteilte er Gewalt »von allen Seiten«. Dann griff er die Medien an, die er seit langem als ihm feindlich gegenüber eingestellt sieht.
GANTZ Der israelische Verteidigungsminister Benny Gantz sagte, die Proteste müssten zugelassen werden. Dabei müssten Demonstranten vor Gewalt geschützt werden.
Ein Gericht entschied, dass Netanjahus Sohn Jair einen Tweet mit Namen, Adressen und Telefonnummern von Demonstranten entfernen muss. Darin hatte der 28-Jährige seine Anhänger aufgerufen, »Tag und Nacht« vor den Wohnungen der Demonstranten zu demonstrieren. Protestteilnehmer teilten mit, sie hätten nach dem Tweet Drohanrufe erhalten. Laut Gericht darf Jair Netanjahu sechs Monate lang die Demonstranten nicht belästigen.
»Wie sich herausstellt, darf man in unserer »Demokratie« nicht vor den Wohnungen von Anarchisten protestieren, die zum Mord am Ministerpräsidenten aufgerufen haben«, teilte der 28-Jährige nach dem Urteil bei Twitter mit. dpa