Mein Enkel hat mir gesagt, dass er genauso wie du sein will, wenn er groß ist.» So begeistert zeigten sich Israels Staatspräsident Reuven Rivlin und sein Enkel über den Bronzemedaillengewinner im Judo, Or Sasson aus Israel.
Reuven Rivlin hatte im Vergleich zu früheren israelischen Staatsoberhäuptern bei diesen Olympischen Spielen relativ viel zu tun. Zwei Medaillen gewann Israel; wenige Tage, ehe Sasson in der Gewichtsklasse über 100 Kilogramm den dritten Platz belegte, hatte der Staatspräsident schon einen Glückwunsch in Richtung Yarden Gerbi formulieren müssen – oder dürfen.
«Wir haben alle die Luft angehalten und für deinen Erfolg gebetet», erklärte Rivlin, nachdem die Judoka Gerbi in der Klasse bis 63 Kilogramm auch Bronze gewonnen hatte. 2012 in London hatte es keine einzige Olympiamedaille für Israel gegeben.
Sabre Sasson stammt aus Jerusalem, Gerbi aus Kfar Saba. Es sind also Sabres, im Land geborene Israelis, die für den olympischen Glanz des kleinen Landes sorgen – und nicht Zuwanderer aus der früheren Sowjetunion, denen große Teile der israelischen Öffentlichkeit das eher zugetraut hätten.
So wie etwa Hanna Knyazyeva-Minenko, als Vizewelt- und -europameisterin im Dreisprung nach Rio gereist, in London immerhin Viertplatzierte, aus der Ukraine stammend und bei den Leichtathletikwettbewerben nur Fünfte geworden. «Eine weitere Enttäuschung», wie die Onlinezeitung «Times of Israel» notierte. Als Enttäuschung wurde auch die Windsurferin Maayan Davidovich verbucht, die im Finale des Rennens der RS:X-Klasse der Frauen Siebte wurde – dabei war auch sie als Favoritin angereist, immerhin Dritte der Welt- und Zweite der Europameisterschaft.
Die Judoka also. Die haben dafür gesorgt, dass das Land auch gute sportliche Schlagzeilen schreiben kann. Schon die allererste Olympiamedaille für Israel hatte eine Judoka gewonnen: Yael Arad 1992 in Barcelona.
Handschlag Und es waren auch die Judoka, die die – zumindest ärgerliche – Sonderstellung des jüdischen Staates sichtbar machen. Bronzemedaillengewinner Sasson war nämlich in einem Vorrundenkampf gegen den Ägypter Islam El Shehaby angetreten. Nach dem Kampf verweigerte El Shehaby den obligatorischen Handschlag. Eine Geste, die im Judosport noch mehr als Respektlosigkeit gewertet wird als in anderen Sportarten. «Mein Gegner kam sehr emotional zum Kampf, er stand ungewöhnlich unter Druck. In manchen Situationen habe ich den Hass in seinen Augen gesehen», hatte Sasson nachher der «Bild am Sonntag» gesagt. «Trotzdem habe ich danach versucht, ihm die Hand zu geben. Im Judo ist es einfach wichtig, den Gegner zu respektieren. Eigentlich tut er mir leid.»
El Shehabys Unsportlichkeit hatte große Wellen geschlagen. Ein Video, das zeigte, wie Sasson auf El Shehaby zugeht und ihm mehrfach die ausgestreckte Hand entgegenhält, wurde auf den Sozialen Medien unzählige Male geklickt, und auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) verurteilte das Verhalten des Ägypters. «So etwas ist nicht akzeptabel. Wir bedauern diesen Vorfall sehr», sagte ein IOC-Sprecher. «Diese Form der Ausgrenzung wollen wir bei Olympia nicht sehen.»
Die ägyptische Delegation kam in Erklärungsnot, die Teamleitung verkündete, der Sportler habe den Sportsgeist vermissen lassen, und schickte ihn sofort nach Ägypten zurück.
Der Sportler selbst ließ verlauten, es gebe doch keine schriftlich fixierte Regel, wonach er jemandem die Hand geben müsse. «Das macht man zwischen Freunden, und er ist nicht mein Freund.» Antisemitismus wies El Shehaby zurück. «Ich habe keine Probleme mit dem jüdischen Volk oder anderen Religionen», sagte er Journalisten. «Aber man kann nicht von mir verlangen, dass ich irgendjemandem aus diesem Staat die Hand gebe, schon gar nicht vor der gesamten Welt.»
Gili Cohen Gleichfalls bei den olympischen Judo-Wettbewerben hatte sich eine Episode zugetragen, die vermutlich ebenfalls antiisraelisch motiviert war: die saudi-arabische Sportlerin Joud Fahmy brach aus augenscheinlich fadenscheinigen Gründen ihren Kampf ab, um nicht auf die Israelin Gili Cohen treffen zu müssen.
Doch die israelischen Judoka waren es auch, die die sportliche Antwort gaben. «Ich bin stolz, Israel repräsentieren zu dürfen, und stolz auf meinen heutigen Kampf», sagte Yarden Gerbi. Und Or Sasson verkündete zufrieden: «Ich fühle mich sehr privilegiert, dass man mir die Chance gab, Israel zu vertreten.»