Die Geschichte von Maayan Gabai ist das, was wir gerade brauchen. Die »Times of Israel« hat sie aufgeschrieben.
Der 24-Jährige hatte gerade den 5895 Meter hohen Gipfel des Kilimandscharo erreicht, als er das Gefühl hatte, nicht mehr weiter zu können. Da sah er einen anderen Bergsteiger, und sie lächelten sich an. »Ich fragte ihn auf Englisch, woher er käme«, so Gabai im Interview mit der Zeitung. »Der Bergsteiger sagte: ›Iran‹, und dann fragte er, woher ich komme.«
Es sei der zehnte Tag nach dem Freilassungs- und Waffenstillstands-Abkommen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas gewesen. Der 19. Januar 2025. Im April und Oktober 2024 hatte der Iran Israel mit einem ganzen Arsenal an Raketen beschossen. Doch Gabai zögerte nicht, zu antworten: »Israel«.
Daraufhin sei der Bergsteiger auf ihn zugelaufen und habe ihn umarmt. »Er sagte mir, dass das iranische Volk Israel liebt, und dass die iranische Regierung das Volk nicht vertritt«, wird Gabai zitiert. Die Begegnung habe ihm die nötige Energie gegeben, um den Gipfel zu erreichen.
Gabai beendete die achttägige Wanderung auf den höchsten Berg Afrikas zusammen mit 29 anderen Personen. Sie alle taten dies, um Geld für die gemeinnützige Organisation Shalva zu sammeln, eine israelische Vereinigung für die Betreuung und Integration von Menschen mit Behinderungen. Es wurden mehr als eine Million Shekel, knapp 270.000 Euro.
Dabei war Gabai der einzige, der den Aufstieg auf Krücken meisterte. Denn er leidet an Zerebralparese, eine frühkindliche Gehirnfunktionsstörung, die zu permanenten Bewegungs- und Haltungsstörungen und dadurch zu Aktivitätseinschränkungen führt.
Shalva hilft Kindern mit Behinderungen
Shalva (innerer Friede) wurde 1990 von Malki und Kalman Samuels gegründet, um Kindern mit Behinderungen ein positives therapeutisches Umfeld zu schaffen. Angefangen bei ihrem eigenen Sohn Yossi, der taub und blind aufwuchs. Heute bietet Shalva Tausenden von Menschen mit Behinderungen Therapien, Freizeitaktivitäten sowie Berufsausbildungen an. Die Programme seien alle kostenlos, berichtet die »Times of Israel«. Deshalb muss die Shalva eine Menge Geld aufbringen.
Dazu unternehme die Organisation »Abenteuer«, um Spenden zu sammeln. Dazu gehörten Marathonläufe in Berlin, London und New York sowie Fahrradtouren in Vietnam, wird eine ehrenamtliche Mitarbeiterin zitiert. »Die Besteigung des Kilimandscharo ist eine wirklich anspruchsvolle Reise«, fährt sie fort. »Aber für die Teilnehmer ist es nicht nur eine Woche, und dann sind sie fertig. Ihre Herausforderung ist für immer.«
Gabai sei schnelleren Wanderern teilweise vorausgegangen, berichten andere Teilnehmer der Kilimandscharo-Besteigung. Er sei sehr entschlossen gewesen. »Alle halfen ihm, aber nicht, weil er wegen seiner Behinderung Hilfe brauchte, sondern so, wie sie jedem anderen helfen würden.«
»Auf eigenen Füßen«
Gabai laufe an Krücken seit er sechs Jahre alt ist, wird seine Mutter Dina zitiert. Und seine Eltern brachten ihm bei, immer wieder selbst aufzustehen, wenn er hinfiel. Das habe ihm das Leben im Rollstuhl erspart. Er sei sein Leben lang aktiv. 2019 reiste er mit der Erez Foundation - einer gemeinnützigen Organisation, die behinderten IDF-Veteranen, Kindern und Sportlern mit Behinderungen dabei hilft, Extremsportarten zu erleben - zur Besteigung des Annapurna-Bergs in Nepal. Sein Bruder habe ihm mit einem Spezialrollstuhl dabei geholfen.
Doch den Kilimandscharo habe Gabai »auf seinen eigenen Füßen besteigen« wollen. Dazu nahm er Urlaub vom Reservedienst, wo er während des Krieges in der Armee-Abteilung Operative Tätigkeiten gedient hatte.
»Ich war nicht sicher, ob ich den Gipfel erreichen würde«, zitiert die »Times of Israel« den besonderen Bergsteiger. »Als ich es dann doch schaffte, war ich so müde, dass ich kaum noch laufen konnte«, sodass Träger ihn einen Teil des Berges hinuntergetragen hätten. Das sei keine Schande, »manchmal hilft man, manchmal bekommt man Hilfe.«
Der Aufstieg habe ihn an seine Grenzen gebracht, schließt Gabai. Aber er habe ihm auch gezeigt, »dass die Grenze, die man denkt, nicht die tatsächliche Grenze ist. Man kann noch viel weiter gehen.« sal