Eigentlich wollten sie eine Einheit bilden. Stattdessen streiten sie nun darüber, wer was gesagt oder nicht gesagt hat. Keine gute Voraussetzung für ein Mitte-Links-Bündnis vor den Parlamentswahlen am 22. Januar. Anfang der Woche war Zipi Livni von der Partei »Hatnua« medienwirksam auf ihre politischen Konkurrenten Schelly Jachimowitsch und Yair Lapid zugegangen, um »zu überlegen, wie man die derzeitige Regierung gemeinsam stürzen« könne.
»Zusammen können wir es tun«, rief Livni auf. »Wir sind stärker als die rechten Parteien.« Zwar ist nicht mehr viel Zeit, doch eine Union aus den Mitte-Links-Parteien Hatnua sowie Jachimowitschs Awoda und Yesch Atid von Lapid hätte durchaus eine Chance, die Regierung von Benjamin Netanjahu zu überholen. Denn einer Umfrage der Times of Israel zufolge ringt derzeit noch ein beträchtlicher Teil der Israelis mit sich. Fast ein Drittel der Wähler sei unentschlossen. Den Angaben zufolge tendieren diese 31 Prozent eher in Richtung Zentrum und linke Parteien.
Mandate Eine andere Prognose verheißt der Awoda 20 Mandate, Lapid und Livni jeweils zehn. Damit hätte ein Mitte-Links-Block mehr Sitze inne als die Regierungsunion, die derzeit bei 35 prognostizierten Mandaten liegt, und könnte die Regierung bilden.
Der Vorsprung der regierenden Parteien bröckelt also gewaltig. Die Anklage gegen den ehemaligen Außenminister Avigdor Lieberman kommt bei den traditionellen Likud-Wählern nicht gut an. Öl ins Feuer goss am vergangenen Wochenende ein Interview mit dem einstigen Leiter des Inlandsgeheimdienstes, Yuval Diskin. Er beschreibt die israelische Führungselite unter anderem als »selbstherrlich und schwach«. Seine Erfahrungen mit Netanjahu, Barak und Lieberman seien »schrecklich« gewesen. Herbe Kritik hatte Diskin für den Regierungschef: Seine politischen und persönlichen Interessen stünden immer vor denen des Landes.
Lüge Es wäre für Livni und Co. also der ideale Zeitpunkt gewesen, um mit gemeinschaftlichen Kräften auf Stimmenfang zu gehen. Doch offenbar wiegen die Egos der Politiker schwerer als das Wohl des Volkes. Am Dienstag nach ihrem Treffen beschuldigten sich die drei Chefs der Zentrums- und Linksparteien gegenseitig der Lüge und des Übertreibens. »Livni lügt. So hat es gar nicht stattgefunden«, erklärten Jachimowitsch und Lapid unisono, und jegliche Chance war vertan.
Netanjahu und Lieberman streiten nicht. Und so sieht es aus, als würde die rechte Union trotz Verlusten am 22. Januar vorn liegen. Mit dem nationalreligiösen Aufsteiger Naftali Bennett vom »Jüdischen Haus« im Boot steht Israel damit die äußerste Rechts-Regierung bevor, die es in der Geschichte des Staates bisher gegeben hat.