Danielle Aloni musste ihrer Tochter Emilia sagen, dass sie sterben werden. Am Schwarzen Schabbat, als die gnadenlosen Hamas-Terroristen kamen und das Haus anzündeten, beschloss die Israelin, dass es besser sei, erschossen zu werden, als qualvoll zu ersticken oder am lebendigen Leib zu verbrennen. »Ich musste mich entscheiden, welcher Weg zu sterben einfacher wäre«, erinnert sie sich in einem Interview mit dem israelischen Sender Kanal 13. Dann habe sie die Fünfjährige fest in den Arm genommen und gesagt: »Meine Liebe, es tut mir so leid. Aber wir sterben gleich.«
Der Sender strahlte eine Sprachnachricht aus, die sie an diesem Tag ihrer Familie hinterließ: »Sie brennen unser Haus nieder, Terroristen sind eingedrungen, sie haben versucht, uns zu erschießen. Wir werden im Haus verbrannt. Wenn wir rausgehen, werden sie uns erschießen. So oder so werden wir sterben. Das ist es, das ist es, das ist unser Ende.«
Es begann eine traumatische Geiselhaft
Aloni überzeugte ihre Schwester Sharon, die mit ihrem Mann und dreijährigen Zwillingsmädchen ebenfalls im Schutzraum waren, das Fenster des Schutzraumes zu öffnen, vor dem die schwerbewaffneten Hamas-Männer warteten. Doch sie wurden nicht erschossen. Stattdessen begann eine 50 Tage andauernde traumatische Geiselhaft.
Danielle und Emilia Aloni leben im Zentrum Israels. Sie waren zu Besuch bei Danielles Schwester Sharon Aloni-Kunio, deren Mann David Kunio und Emma und Yuli im Kibbuz Nir Oz, als das Grauen über sie hereinbrach. Die Familie befand sich unter den etwa 240 Menschen, die am 7. Oktober bei dem schlimmsten Angriff in der Geschichte Israels als Geiseln genommen wurden. In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Kanal 13 beschrieb Aloni die Tortur als »höchste Prüfung der Erziehung«.
»Ein Kind darf nicht depressiv werden. Ein Kind darf keine Hoffnungslosigkeit erleben.«
Ehemalige geisel danielle aloni
Von ihrer Schwester und ihren Nichten getrennt, wurden sie und ihr Kind an johlenden und schlagenden palästinensischen Mobs vorbei nach Gaza gefahren und in einen Hamas-Tunnel mit eisernen Gitterzellen gebracht. Dort versuchte sie, Emilia mit Gedankenspielen zu beschäftigen und permanent Mut zuzusprechen. Nach drei Tagen unter der Erde habe sie eine Panikattacke erlitten. Geiseln, die mit ihnen gefangenen gehalten wurden, hielten es für nötig, das Kind beiseitezunehmen. Danach entschied Aloni, dass sich solche Episoden nicht wiederholen würden. »Sie hat all ihre Kraft aus mir geschöpft. Ein Kind darf nicht depressiv werden. Ein Kind darf keine Hoffnungslosigkeit erleben.«
Sie, Emilia und andere Geiseln wurden zwischen Tunneln und Häusern hin- und hertransportiert und an jedem Ort rund um die Uhr von bewaffneten Hamas-Männern bewacht. »Es war auch verboten zu sprechen, wir durften nur flüstern.« Als Mutter sammele man Kräfte, von denen man vorher nichts wusste, so Aloni im Interview. »Du sagst dir: ›Ich werde alles tun, alles, damit mein Mädchen dieses Trauma so reibungslos wie möglich übersteht‹. Und dann tust du alles.« Die alleinerziehende Mutter beschrieb auch, dass sie um ihrer Tochter willen um Essen oder die Möglichkeit, sich zu waschen, gebettelt habe.
Obwohl sie sich stets bemühte, optimistisch zu wirken, dass sie freigelassen würden, gab sie zu, dass sie tief in ihrem Inneren nicht glaubte, dass sie »das Licht der Welt je wieder erblicken« würden.
Danielles Schwager David ist noch immer in der Gewalt der Hamas
Danielle und Emilia haben das Licht der Welt wieder erblickt. Seit sechs Wochen sind sie zu Hause. Am 24. November kamen sie im Rahmen eines Austauschs zwischen Geiseln der Hamas und palästinensischen Häftlingen in israelischen Gefängnissen frei. Drei Tage darauf wurden auch ihre Schwester Sharon und die Zwillinge Emma und Yuli freigelassen. David, Sharons Ehemann, ist noch immer in der Gewalt der Hamas. Niemand weiß, wie es ihm geht.
Emilia Aloni ist mittlerweile in ihren Kindergarten zurückgekehrt. Doch von Normalität kann keine Rede sein. Ihre Tochter, so Aloni, leide unter schweren posttraumatischen Störungen, sei nach wie vor sehr verängstigt und fürchte sich vor jedem lauten Geräusch. Außerdem habe sie »furchtbare Angst« vor den Sirenen, wenn Raketen aus Gaza kommen, und fühle sich selbst in ihrem eigenen Zimmer nicht mehr sicher, weil sie befürchtet, dass »die bösen Leute« kommen und sie wieder mitnehmen könnten.
Auf die Frage, wie es ihr selbst geht, sagt Danielle leise: »Ich bin hier, aber mein Herz ist da. Unsere Familie ist nicht vollständig.«