Justizminister Yariv Levin will die höchst kontroverse »Justizreform« wieder aufleben lassen. Das schrieb er am Samstag nach dem Ausgang des Schabbats auf Facebook. Er warf dem Obersten Gerichtshof vor, die gesetzgebende Rolle der Knesset und die exekutiven Befugnisse der Regierung an sich zu reißen.
In den vergangenen Monaten hat Levin immer wieder dazu aufgerufen, die Umwälzung des Justizsystems in Israel neu zu starten. Die Regierung will damit vor allem die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs stark einschränken.
Yariv Levins Drohung erfolgte, nachdem das Gericht ihn angewiesen hatte, bis zum 16. Januar eine Abstimmung über einen neuen Präsidenten des Obersten Gerichtshofs abzuhalten. »Unter solchen Umständen habe die Regierung im Moment keine andere Wahl, als zu handeln, um ihre Befugnisse wiederherzustellen«, schrieb der Justizminister.
Justizminister will keinen liberalen Gerichtshofpräsidenten
Der Justizminister hatte das über ein Jahr lang verweigert, da dies in der aktuellen Zusammensetzung des Ausschusses den Obersten Richter Isaac Amit für das Amt auswählen würde. Amit ist ein liberaler Richter, den weder Levin, der zur Likudpartei von Premierminister Benjamin Netanjahu gehört, noch Mitglieder der rechtsextremen Parteien Otzma Yehudit und Religiöser Zionismus akzeptieren wollen.
Mitglieder des Kabinetts schlossen sich Levin an, darunter Kommunikationsminister Shlomo Karhi. Der hatte im November erklärt, dass die Koalition das Recht habe, einen »Regimewechsel« in Israel durchzuführen und seit langem etablierte Normen und Verfahren abzuschaffen, da sie von der Bevölkerung gewählt wurde.
Anfang dieses Monats äußerte Präsident Isaac Herzog sich über die Auswirkungen der Gesetzgebungsagenda der Regierung in Bezug auf die Justiz. Er sei »sehr besorgt« über mehrere Gesetzesentwürfe, die seiner Meinung nach die Wiederaufnahme der sogenannten »Justizreform« signalisieren, sagte Herzog während einer Rede bei einer Zeremonie im Süden Israels.
»Levin ist nicht mehr für ›den Willen der Mehrheit‹, sondern versucht, sich am gesamten System zu rächen.«
Die geplanten Gesetzesänderungen der rechts-religiösen Koalition hatten das ganze Jahr 2023 über Massenproteste im ganzen Land entfacht, die einen tiefen Konflikt in der israelischen Gesellschaft aufzeigten. Nach dem verheerenden Massaker der Hamas am 7. Oktober mit mehr als 1200 Emordeten und 251 Geiseln wurden die Gesetzesänderungen im Sinne der Einheit der Gesellschaft während des Krieges zunächst eingefroren.
Berichten in israelischen Medien zufolge wollen sich die Vorsitzenden der Koalitionsparteien in den nächsten Tagen treffen, um die Möglichkeiten in Sachen Änderung des Justizsystems zu besprechen. Außerdem soll auf der Tagesordnung stehen, über eine Entlassung der Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara zu diskutieren, was Teile des Kabinetts fordern. Die Opposition warnt eindringlich vor diesem Schritt.
Oppositionsführer Yair Lapid kritisierte den Justizminister im Anschluss für seine Äußerungen scharf und schrieb auf X: »Yariv Levin hat nichts als Zerstörung und Verwüstung gebracht. Wie üblich betreibt er kriminelle Erpressung und droht, Leute in den Obersten Gerichtshof zu bringen, die die israelische Demokratie zerschlagen wollen.«
Lieberman: »Koalition will nur ihre Macht erhalten«
Lapid fügte hinzu: »Da Levin im Ausschuss keine Abstimmung zugunsten seines bevorzugten Kandidaten für den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs gewinnen kann, ist er plötzlich nicht mehr für ›den Willen der Mehrheit‹, sondern versucht, sich am gesamten System zu rächen.« Wenn der links-liberale Block die nächsten Wahlen gewinne, werde er »alle antidemokratischen Gesetze, die diese Regierung derzeit erlässt, bis zum Letzten aufheben«.
Auch Avigdor Lieberman, Vorsitzender der rechtsgerichteten Oppositionspartei Yisrael Beytenu, verurteilte Levin und twitterte: »Anstatt sich um Reservisten zu kümmern, die unter der Last des Militärdienstes zusammenbrechen, wirft die Regierung die umstrittensten Themen der israelischen Gesellschaft auf, mit nur einem Ziel: die Koalition zu erhalten, selbst auf Kosten einer ernsthaften Schädigung der Einheit des Volkes und der nationalen Sicherheit.«
Levins Kommentare kamen nur Stunden, nachdem der ehemalige Staatsanwalt Mosche Lador die Piloten der israelischen Luftwaffe aufgefordert hatte, sich nicht mehr für den Reservedienst zu melden, wenn die Regierung die Justizreform wieder aufleben lässt. Am Samstag sagte Lador, »die Weigerung des Dienstes ist ein legitimes Mittel, die Regierung davon abzuhalten, Israel von einer Demokratie in eine Diktatur zu verwandeln«.