Draußen vor der Knesset ketten sich die Aktivisten gegen die Justizreform an – innen in den Sälen wird debattiert. Es ist Montag, der 24. Juli, und viele Menschen in Israel halten den Atem an: Die Entscheidung über einen bedeutenden und höchst umstrittenen Teil der Justizreform durch die rechts-religiöse Koalition in Jerusalem steht unmittelbar bevor.
Premierminister Benjamin Netanjahu kam am Morgen direkt aus dem Krankenhaus in die Knesset. Nachdem er im Anschluss an seine Herzschrittmacher-Operation aus dem Tel-Haschomer-Hospital entlassen worden war, traf er im Parlament ein, wo seit Sonntagmorgen die Verabschiedung eines Gesetzentwurfes debattiert wird, um die Kontrollbefugnisse des Obersten Gerichtshofes einzuschränken.
ABSTIMMUNG Es ist die abschließende Abstimmung über den »Angemessenheits«-Gesetzentwurf, der – wenn er in der jetzigen Form am Montag oder Dienstag verabschiedet wird – Richtern die Möglichkeit entziehen würde, die Doktrin zur Überprüfung der Entscheidungen von Politikern zu nutzen.
Der Premierminister äußerte sich nach seiner Ankunft nicht und ignorierte Fragen von Journalisten, als er sich auf den Weg zu seinem Büro machte. Dort warteten der Initiator der Überholung der Justiz, Justizminister Yariv Levin, ebenfalls Likud, und Finanzminister Bezalel Smotrich von der rechtsextremen Partei Religiöser Zionismus bereits auf ihn.
»Wir befinden uns im nationalen Ausnahmezustand. Dies ist der Moment der Verantwortung.«
Präsident Isaac Herzog
Währenddessen veröffentlichte Präsident Isaac Herzog eine Botschaft an die Bevölkerung: »Wir befinden uns im nationalen Ausnahmezustand. Dies ist der Moment der Verantwortung.« Man arbeite rund um die Uhr und auf jede erdenkliche Weise daran, eine Lösung zu finden. Die Infrastruktur für eine mögliche Verständigung sei vorhanden, dennoch blieben Lücken, die ein Verantwortungsbewusstsein der verschiedenen Parteien erforderten, so Herzog.
verantwortung »Die Bürger Israels dürsten nach Hoffnung und erwarten Verantwortung und Führung. In diesen entscheidenden Stunden appelliere ich an die gewählten Amtsträger, mutig zu handeln und die Hand auszustrecken, um zu einer Verständigung zu gelangen.«
Doch Oppositionsführer Yair Lapid (Jesch Atid) erklärte, dass die letzten Anstrengungen, um einen Kompromiss zu erreichen, gescheitert seien. »Ich habe in den vergangenen Wochen Hunderte Stunden Gespräche mit Leuten aus der Koalition geführt. Keine Sorge, ich werde keine Namen nennen, aber Sie wissen, wer Sie sind, und Sie kennen die Wahrheit. Sie wissen, dass hier etwas Schreckliches passiert«, so Lapid an die Regierungsmitglieder.
Er prangerte die Gesetzgebung als »feindliche Übernahme der israelischen Mehrheit durch eine extremistische Minderheit« und – an die Likud-Mitglieder gerichtet – »als feindliche Übernahme Ihrer Partei« an. »Unsere Hauptbedingung war der Schutz der israelischen Demokratie, aber mit dieser Regierung ist es unmöglich, Vereinbarungen zu treffen, die die israelische Demokratie bewahren«, sagte Lapid sichtlich frustriert vor laufenden Kameras.
»Sie wollen den Staat auseinanderreißen, die Demokratie zerschmettern, die Sicherheit Israels, die Einheit des Volkes Israel und unsere internationalen Beziehungen zerstören.« Daher komme er zu dem Schluss: »Es gibt keine Möglichkeit, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten – denn dies ist die verantwortungsloseste Regierung, die es je gegeben hat.«
»Es gibt keine Möglichkeit, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten – denn dies ist die verantwortungsloseste Regierung, die es je gegeben hat.«
Oppositionsführer Yair Lapid
Ein führendes Wirtschaftsforum, das 150 der größten israelischen Unternehmen vertritt, kündigte für denselben Tag einen Streik an, der dazu führen würde, dass Banken, Einkaufszentren und Tankstellen geschlossen werden und einige Unternehmen in reduziertem Rahmen arbeiten. Dazu gehören die Einkaufszentren BIG, Unternehmen der Azrieli-Gruppe und verschiedene Bankinstitute.
SCHADEN »Wir müssen Vereinbarungen treffen, die einen dramatischen Schaden für die Wirtschaft und die Spaltung verhindern, die die Gesellschaft auseinanderreißt, die Volksarmee auflöst und die Sicherheit und Zukunft von uns allen gefährdet«, schrieben die Unterzeichner.
Auch etwa 200 Unternehmen im Hightech-Sektor und mehrere Anwaltsorganisationen kündigten an, dass sie ihren Angestellten am Montag den Arbeitskampf erlauben, um »die Regierung unter Druck zu setzen, den Gesetzesvorstoß zu stoppen«.