Jerusalem

Letzte Versuche für Kompromiss gescheitert

Aktivisten gegen die Justizreform vor der Knesset Foto: Flash90

Draußen vor der Knesset ketten sich die Aktivisten gegen die Justizreform an – innen in den Sälen wird debattiert. Es ist Montag, der 24. Juli, und viele Menschen in Israel halten den Atem an: Die Entscheidung über einen bedeutenden und höchst umstrittenen Teil der Justizreform durch die rechts-religiöse Koalition in Jerusalem steht unmittelbar bevor.

Premierminister Benjamin Netanjahu kam am Morgen direkt aus dem Krankenhaus in die Knesset. Nachdem er im Anschluss an seine Herzschrittmacher-Operation aus dem Tel-Haschomer-Hospital entlassen worden war, traf er im Parlament ein, wo seit Sonntagmorgen die Verabschiedung eines Gesetzentwurfes debattiert wird, um die Kontrollbefugnisse des Obersten Gerichtshofes einzuschränken.

ABSTIMMUNG Es ist die abschließende Abstimmung über den »Angemessenheits«-Gesetzentwurf, der – wenn er in der jetzigen Form am Montag oder Dienstag verabschiedet wird – Richtern die Möglichkeit entziehen würde, die Doktrin zur Überprüfung der Entscheidungen von Politikern zu nutzen.

Der Premierminister äußerte sich nach seiner Ankunft nicht und ignorierte Fragen von Journalisten, als er sich auf den Weg zu seinem Büro machte. Dort warteten der Initiator der Überholung der Justiz, Justizminister Yariv Levin, ebenfalls Likud, und Finanzminister Bezalel Smotrich von der rechtsextremen Partei Religiöser Zionismus bereits auf ihn.

»Wir befinden uns im nationalen Ausnahmezustand. Dies ist der Moment der Verantwortung.«

Präsident Isaac Herzog

Währenddessen veröffentlichte Präsident Isaac Herzog eine Botschaft an die Bevölkerung: »Wir befinden uns im nationalen Ausnahmezustand. Dies ist der Moment der Verantwortung.« Man arbeite rund um die Uhr und auf jede erdenkliche Weise daran, eine Lösung zu finden. Die Infrastruktur für eine mögliche Verständigung sei vorhanden, dennoch blieben Lücken, die ein Verantwortungsbewusstsein der verschiedenen Parteien erforderten, so Herzog.

verantwortung »Die Bürger Israels dürsten nach Hoffnung und erwarten Verantwortung und Führung. In diesen entscheidenden Stunden appelliere ich an die gewählten Amtsträger, mutig zu handeln und die Hand auszustrecken, um zu einer Verständigung zu gelangen.«

Doch Oppositionsführer Yair Lapid (Jesch Atid) erklärte, dass die letzten Anstrengungen, um einen Kompromiss zu erreichen, gescheitert seien. »Ich habe in den vergangenen Wochen Hunderte Stunden Gespräche mit Leuten aus der Koalition geführt. Keine Sorge, ich werde keine Namen nennen, aber Sie wissen, wer Sie sind, und Sie kennen die Wahrheit. Sie wissen, dass hier etwas Schreckliches passiert«, so Lapid an die Regierungsmitglieder.

Er prangerte die Gesetzgebung als »feindliche Übernahme der israelischen Mehrheit durch eine extremistische Minderheit« und – an die Likud-Mitglieder gerichtet – »als feindliche Übernahme Ihrer Partei« an. »Unsere Hauptbedingung war der Schutz der israelischen Demokratie, aber mit dieser Regierung ist es unmöglich, Vereinbarungen zu treffen, die die israelische Demokratie bewahren«, sagte Lapid sichtlich frustriert vor laufenden Kameras.

»Sie wollen den Staat auseinanderreißen, die Demokratie zerschmettern, die Sicherheit Israels, die Einheit des Volkes Israel und unsere internationalen Beziehungen zerstören.« Daher komme er zu dem Schluss: »Es gibt keine Möglichkeit, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten – denn dies ist die verantwortungsloseste Regierung, die es je gegeben hat.«

»Es gibt keine Möglichkeit, weiterhin mit ihnen zusammenzuarbeiten – denn dies ist die verantwortungsloseste Regierung, die es je gegeben hat.«

Oppositionsführer Yair Lapid

Ein führendes Wirtschaftsforum, das 150 der größten israelischen Unternehmen vertritt, kündigte für denselben Tag einen Streik an, der dazu führen würde, dass Banken, Einkaufszentren und Tankstellen geschlossen werden und einige Unternehmen in reduziertem Rahmen arbeiten. Dazu gehören die Einkaufszentren BIG, Unternehmen der Azrieli-Gruppe und verschiedene Bankinstitute.

SCHADEN »Wir müssen Vereinbarungen treffen, die einen dramatischen Schaden für die Wirtschaft und die Spaltung verhindern, die die Gesellschaft auseinanderreißt, die Volksarmee auflöst und die Sicherheit und Zukunft von uns allen gefährdet«, schrieben die Unterzeichner.

Auch etwa 200 Unternehmen im Hightech-Sektor und mehrere Anwaltsorganisationen kündigten an, dass sie ihren Angestellten am Montag den Arbeitskampf erlauben, um »die Regierung unter Druck zu setzen, den Gesetzesvorstoß zu stoppen«.

Geiseln

»Sie haben mein Becken gebrochen, mein Bein verbrannt, meinen Kiefer ausgerenkt«

Präsident Herzog hält Notfalldiskussion ab, um auf die große Gefahr für die nach Gaza verschleppten Menschen hinzuweisen

von Sabine Brandes  11.12.2024

Israel

Netanjahu: Wir zerlegen Irans »Achse des Bösen«

Seit dem 7. Oktober schlage Israel hart gegen seine Feinde zurück, so der Ministerpräsident

 11.12.2024

Israel

Raketenangriff aus Gaza

Vier einfliegende Raketen werden registriert und zum Teil abgefangen

 11.12.2024

Gazastreifen

Terror-Vorwürfe: World Central Kitchen entlässt 62 Mitarbeiter

Die NGO kümmert sich um die Lebensmittelversorgung in Gaza. Der israelischen Regierung zufolge sollen einige Beschäftigte Verbindungen zu Terrororganisationen haben

 11.12.2024

Meinung

Syrien und die verfrühte Freude des Westens über den Sieg der Islamisten

Ein Gastkommentar von Ingo Way

von Ingo Way  11.12.2024

Nahost

Israel warnt die neuen Machthaber in Syrien

Nach dem Sturz des syrischen Präsidenten Assad zerstört Israel militärische Fähigkeiten des Nachbarlandes. Regierungschef Netanjahu warnt die Rebellen. Wie geht es mit Syrien weiter?

von Lars Nicolaysen  11.12.2024

Sicherheit

Israel: Haben syrische Kriegsmarine versenkt

Nach dem Sturz des syrischen Machthabers Assad durch Rebellen will Premier Netanjahu kein Risiko eingehen. Vorsorglich zerstört Israel deshalb die militärischen Fähigkeiten des Nachbarlandes

von Jan-Uwe Ronneburger  10.12.2024

Archäologie

Israelische Forscher finden Hinweis auf steinzeitliche Anbetung

Ein gravierter Stein aus der Altsteinzeit, gefunden im tiefsten Inneren einer Höhle in Nordisrael, könnte nach Forscherangaben der früheste Nachweis der Region für kollektive rituelle Handlungen sein

 10.12.2024

Nahost

Jerusalem: Berichte über israelische Panzer nahe Damaskus sind falsch

Israel hat Truppen in eine Pufferzone zwischen den Golanhöhen und Syrien verlegt - zur Verteidigung der Grenze. Weiter sollen sie jedoch nicht vorgedrungen sein

 10.12.2024