In seiner ersten Rede vor der UN-Vollversammlung in New York hat Israels Ministerpräsident Yair Lapid am Donnerstag (Ortszeit) seinen Willen zum Frieden zwischen Israel und den Palästinensern auf der Basis einer Zweistaatenlösung betont und eindrücklich vor der Gefahr, die vom Iran ausgehe, gewarnt.
Lapid betonte, Israel strebe eine Verständigung mit der gesamten arabischen Welt und insbesondere mit den Palästinensern an. »Trotz aller Hindernisse unterstützt eine große Mehrheit der Israelis die Vision dieser Zweistaatenlösung. Ich gehöre zu ihnen«, sagte er vor den Vertretern der UN-Mitgliedsstaaten. »Ein Abkommen mit den Palästinensern, das auf zwei Staaten für zwei Völker basiert, ist das Richtige für Israels Sicherheit, für Israels Wirtschaft und für die Zukunft unserer Kinder«, so Lapid wörtlich.
RAKETEN Er fügte jedoch an, ein künftiger palästinensischer Staat müsse »ein friedlicher Staat sein« und dürfe nicht als Basis für Terroristen dienen, welche die Existenz Israels bedrohten. Dann kam der Regierungschef auch auf seine mittlerweile erwachsene Tochter zu sprechen, die an Autismus leidet. »All diejenigen, die über die Bedeutung des Friedens predigen, können gerne einmal versuchen, um 3 Uhr morgens mit einem Mädchen, das nicht sprechen kann, zu einem Luftschutzkeller zu laufen. Um ihr ohne Worte zu erklären, warum es Menschen gibt, die sie töten wollen«, sagte er.
Gegenüber den Menschen in Gaza unterstrich Lapid seinen Wunsch, ihnen beim Aufbau eines besseren Lebens und einer besseren Wirtschaft zu helfen. Man habe nur eine Bedingung: »Hört auf, Raketen auf unsere Kinder abzufeuern.«
Kritisch setzte sich der 58-Jährige mit dem Iran auseinander, der ein »Orchester des Hasses« gegen sein Land dirigiere und als einziges UN-Mitgliedsland die Vernichtung eines anderen UN-Mitgliedslandes propagiere. »Ich bin kein Gast in diesem Gebäude«, rief Lapid. Als »souveräne Nation« könne Israel nicht schweigen, wenn jene, die dem Land schaden wollten, die Bühne der UN-Vollversammlung nutzten, um Lügen zu verbreiten, so Lapid in Anspielung auf eine Rede des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi am Mittwoch. Dieser hatte Israel unterstellt, gezielt palästinensische Kinder und Frauen zu ermorden.
BEDROHUNG »Das Land, das uns zerstören will, ist auch das Land, das die größte Terrororganisation der Welt, die Hisbollah, gegründet hat«, betonte Lapid und fügte hinzu, wenn der Iran eine Atomwaffe erhalte, werde das dortige Regime sie einsetzen. Die einzige Möglichkeit, das zu verhindern, bestehe darin, »eine glaubwürdige militärische Drohung auf den Tisch zu legen« und dann ein langfristiges und belastbares Abkommen mit dem Iran auszuhandeln. »Dem Iran muss klargemacht werden, dass die Welt nicht mit Worten, sondern mit militärischer Gewalt reagieren wird, wenn er sein Atomprogramm vorantreibt«, so der israelische Ministerpräsident.
Lapid kam in seiner Ansprache auch auf die zunehmende Verbreitung von Desinformation in den sozialen Netzwerken zu sprechen und nannte sie den »Untergang der Wahrheit«.
Er nannte ein Beispiel: »Im vergangenen Mai wurde weltweit das Bild von Malak al-Tanani, einem dreijährigen palästinensischen Mädchen, veröffentlicht, mit der schrecklichen Nachricht, dass sie zusammen mit ihren Eltern bei einem Angriff der israelischen Luftwaffe getötet wurde. Es war ein herzzerreißendes Bild, aber Malak al-Tanani existiert nicht. Das Foto wurde von Instagram übernommen. Es zeigt ein Mädchen aus Russland.«
WAHLKAMPF In Israel war schon vor Lapids Rede Kritik an der Idee einer Zweistaatenlösung laut geworden, sowohl bei der Opposition als auch in seiner Koalition. Am 1. November wählt das Land ein neues Parlament. Der Oppositionsführer Benjamin Netanjahu, der bereits zwischen 1996 und 1999 sowie zwischen 2009 und 2021 Regierungschef war, strebt dabei zurück an die Macht. Lapid will dagegen das Ministerpräsidentenamt verteidigen.
Israel und die Palästinenser hatten 1993 den ersten Friedensvertrag unterzeichnet. Danach wurde eine Selbstverwaltung der Palästinenser im Gazastreifen und Teilen des Westjordanlands eingerichtet. Im Gazastreifen herrscht seit 2007 die islamistische Hamas. Die Palästinenser hatten sich von der Friedensvereinbarung mit Israel aber langfristig einen unabhängigen Staat erhofft. Verhandlungen über eine dauerhafte Friedensregelung liegen jedoch seit 2014 brach.
Lob für Lapid kam von US-Präsident Joe Biden. Er nannte die Rede des israelischen Ministerpräsidenten in einem Tweet »mutig«. (mit dpa)