Schnell soll er einmal werden. »In weniger als einer halben Stunde rauschen Passagiere dann aus dem Zentrum des Landes in die Hauptstadt.« So oder ähnlich verheißungsvoll klingen die Versprechungen der Bauherren. Doch noch wird der geplante Schnellzug von Tel Aviv nach Jerusalem als »langsamste Verbindung in der Geschichte Israels« verlacht. Seit zwölf Jahren bereits wird gebaut, verzögert und verschoben. Nun aber veröffentlichte die Regierung eine Ausschreibung für den ersten Bahnhof der Strecke.
Viermal pro Stunde soll die flinke Elektrobahn während der Rushhour vom Zentrum aus über den Ben-Gurion-Flughafen, Modiin und Latrun an ihr Ziel gelangen. Die 56 Kilometer lange doppelgleisige Strecke soll mit 160 Kilometern pro Stunde befahren werden und würde eines von Israels drängendsten Verkehrsproblemen lösen: die endlosen Staus auf der Autobahn Nummer eins zwischen den beiden Großstädten. Doch noch ist das Zukunftsmusik.
Unterwegs Fahrgäste, die heute aus dem Großraum Tel Aviv nach Jerusalem reisen möchten, wissen, dass sie am besten den Bus nehmen. Zwar existieren noch Züge auf der alten Verbindung ab Jaffa, doch nicht ein einziger fährt durch. Man muss anhalten, umsteigen, warten und ist meist nicht weniger als zwei Stunden unterwegs. Dabei ist diese Verbindung wohl eine der meistgenutzten in Israel und misst gerade einmal etwas mehr als 50 Kilometer.
Programmierer Jossi Hadar lebt in der Nähe von Tel Aviv und arbeitet in Jerusalem. Jeden Morgen macht er sich mit seinem Fiat auf den Weg, »um auf der A1 im Stau zu stehen«, wie er mürrisch berichtet. Umziehen kommt für ihn nicht infrage, seine Familie ist mit der Stadt eng verbunden. Das Pendeln allerdings mache ihm schwer zu schaffen, manchmal brauche er für einen Weg fast zwei Stunden. »Es ist gänzlich verlorene Lebenszeit. Ein Zug, der in 30 Minuten da ist, wäre für mich und meine Familie eine unbeschreibliche Erleichterung.«
Unterirdisch Doch Hadar und seine Kollegen werden noch warten müssen. Denn obwohl es nach Jahren der Verzögerungen nun vorangehen soll, ist das Bauende erst für 2017 anvisiert. Doch die neue Ausschreibung ist für Verkehrsexperten ein Zeichen, dass es jetzt offenbar in die Endphase der Planungen geht.
Das Transportministerium und Israel Railways suchen derzeit Ingenieure, die sich an die Arbeit am ersten Bahnhof der Strecke machen, der neben dem Zentralen Busbahnhof in Jerusalem liegen und der größte des Landes werden soll. In 80 Metern Tiefe werden dann vier Gleise, jedes um die 300 Meter lang, für ein bequemes Einsteigen der Reisenden sorgen. Rolltreppen und Fahrstühle für bis zu 35 Menschen führen unter die Erde. Die Station selbst erstreckt sich vom Busbahnhof bis zum internationalen Messegelände. Das Terminal wird per Bus und Straßenbahn zu erreichen sein, zudem sind 1000 Parkmöglichkeiten und etliche Halteplätze für Taxis geplant. Sogar die Straßen, die derzeit noch in dieser Gegend verlaufen, sollen unter die Erde verlegt werden.
Das interessanteste Detail der Haltestelle mit dem Namen »HaUma« aber ist ihre zweite Aufgabe: Im Falle eines nuklearen Angriffs werde sie als Atombomben-Schutzbunker dienen können, heißt es in der Ausschreibung. Tief unten sollen bis zu 2000 Menschen im Notfall Schutz finden.
Auch an der Strecke selbst soll es an imposanten Bauwerken nicht mangeln. Wie das Transportministerium bekannt gab, »konstruieren die 680 am Projekt beteiligten Ingenieure das längste und höchste Viadukt des Landes mit 13 Kilometern Länge sowie einen Doppeltunnel, der mehr als elf Kilometer messen wird«.
Untertunneln Doch gigantische Projekte wie dieses ziehen auch außergewöhnlich viel Kritik auf sich. So argumentieren Umweltvereine, allen voran die »Society for the Protection of Nature in Israel« (SPNI), dass der Schnellzug Naturschutzgebiete in der Gegend unwiederbringlich zerstören würde. Die SPNI wollte den Bauherrn, Israel Railways, vor einer Weile dazu zwingen, statt einer Brücke einen Tunnel unter dem Naturschutzgebiet am Yitlah-Fluss zu bauen. Nach Angaben des Innenministeriums hätte diese Konzession das Projekt um weitere zwei Jahre verzögert. »Lohnt sich nicht«, lautete das Urteil.
Immer wieder haben auch archäologische Funde, zuletzt jüdische Gräber, den Zeitplan über den Haufen geworfen. Auch politisch ist die schnelle Bahn kein einfaches Unterfangen. Da zwei Teile der Strecke – allerdings größtenteils untertunnelt – auf insgesamt sechs Kilometern durch palästinensisches Gebiet im Westjordanland führen, gab es immer wieder internationale Einsprüche propalästinensischer Gruppen. Ein Berater von Israel Railways, die DB International (eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn), zog sich aus diesem Grund im Jahr 2010 aus dem Unternehmen zurück.
Auch die Baukosten lassen die Kritiker seit Jahren nicht verstummen. Was bei Baubeginn 2001 mit etwas mehr als umgerechnet einer halben Milliarde Euro angegeben wurde, stieg schnell auf mehrere Milliarden. 2008 entschied das damalige Kabinett, dass die Bauarbeiten trotz der immensen Summen weitergehen sollen. 2010 beliefen sie sich bereits auf etwa 1,4 Milliarden Euro – Ende noch offen.