Dass die Tel Aviver eine Party schmeißen können, ist nichts Neues. In Sachen Eurovision-Fieber könnten sie allerdings noch etwas mehr einheizen. Bei der offiziellen Eröffnung am Sonntagabend auf dem Habima-Platz standen lediglich ein paar Hundert eingefleischte Fans des ESC an den Absperrungen, um einen Blick auf ihre Favoriten zu erhaschen.
Mit dabei waren unter anderem die beiden jungen Künstlerinnen Carlotta Truman und Laurita Spinelli der Band »S!sters« aus Deutschland, die Hardrock-Gruppe »Hatari« aus Island, die mit ihren Sado-Maso-Kostümen nicht nur für kleine Zuschauer angsteinflößend wirken, der Italiener Mahmood und Luca Hänni aus der Schweiz, der mit seinem Gute-Laune-Song »She got me« als einer der Favoriten gehandelt wird.
Klarer Star des Abends war Bilal Hassani aus Frankreich, der androgyne Sänger, der mit wallender weißer Robe und langen Locken über den Teppich schritt.
star Klarer Star des Abends war Bilal Hassani aus Frankreich, der androgyne Sänger, der in bester Dana-International-Manier mit wallender weißer Robe und langen Locken über den ausgerollten Teppich schritt. Die Fans am Rand jubelten aus vollem Halse, als er aus dem Auto stieg, und hießen ihn willkommen. Wohl auch als Anerkennung, dass er ohne Wenn und Aber als Muslim nach Israel gekommen ist.
Bilal klimperte zum Dank mit den Wimpern und warf Kusshände ins Publikum. In seinem Lied »Roi« (König), das er auf Englisch und Französisch singt, erzählt er vom Anderssein, seiner Selbstfindung und davon, dass »niemand ihm jemals seine Krone nehmen wird«.
Dvora Meiri findet den 19-Jährigen ganz entzückend. Die Tel Aviverin ist mit ihren Enkeln zum Public Viewing auf dem Rothschild-Boulevard gekommen. »Ich habe natürlich schon von der Eurovision gehört, doch sie noch niemals gesehen«, gibt sie ehrlich zu. »Nach dem Gewinn von Netta haben mir meine beiden Enkelinnen immer wieder davon erzählt und mich hierher mitgenommen.«
spektakel Sie hat Spaß an dem Spektakel und findet die ausgefallenen Aufmachungen »amüsant«. Hassani gefällt ihr, »weil er als Muslim mit seiner Aufmachung natürlich viele Kritiker hat. Ich ziehe meinen Hut davor, wie mutig er ihnen trotzt. Außerdem freue ich mich, dass er angereist ist, ohne sich von Boykottaufrufen bedrängen zu lassen.«
Abgesagt hat von den 41 Teilnehmern niemand. Die Anstrengungen von BDS, den Wettbewerb zum Scheitern zu bringen, sind – gescheitert.
Abgesagt hat von den 41 Teilnehmern übrigens niemand. Die Anstrengungen von BDS, den Wettbewerb zum Scheitern zu bringen, sind – gescheitert. Das offizielle Video der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt Kan begrüßt die Gäste aus dem Ausland übrigens auf ganz besondere Weise.
Die TV-Moderatorin und israelische Araberin Lucy Ayoub und der russischstämmige Kan-Journalist Elia Grinfeld nehmen darin die gängigen Stereotypen über Israel, die Gepflogenheiten und ethnischen Gruppen gehörig auf die Schippe. Sie besingen »gierige Juden«, »die schönsten Bitches« (gemeint waren hier die Strände) und hedonistische Städter.
stirnrunzeln Doch nicht alle verstehen offenbar israelischen Humor. Besonders im Ausland zog der vierminütige Clip neben Schmunzeln auch Kritik und Stirnrunzeln nach sich. Kan äußerte sich dazu: »Nur um es klarzustellen, dieses Musical ist Satire. Ja, wir benutzen selbstironischen Humor, den wir lieben. Wir kennen unsere Schwächen und schämen uns nicht, darüber zu lachen.«
Bei der Vorführung des israelischen Kandidaten Kobi Marimi für die Eurovision geht es eher dramatisch denn lustig zu – »Home« lautet sein musikalischer Beitrag. Auch Marimi schritt Sonntagabend über den Teppich.
Obwohl sich sein pinkfarbener Anzug etwas mit dem Orange des Bodenbelages biss, winkte er fröhlich mit einem Israel-Fähnchen in die Menge. Marimi hatte zuvor die sechste Saison des israelischen Pendants der Realityshow A Star is Born (Kochaw Nolad) gewonnen.
Rund zehn Minuten mit dem Fahrrad oder Elektroroller vom Rothschild-Boulevard entfernt, hat seit dem frühen Sonntagabend auch das Eurovision-Dorf eröffnet.
shakes Rund zehn Minuten mit dem Fahrrad oder Elektroroller vom Rothschild-Boulevard entfernt, hat seit dem frühen Abend auch das Eurovision-Dorf eröffnet. Hier finden in dieser Woche die Partys und Konzerte rund um den Gesangswettbewerb statt. Es ist ein buntes Gemisch aus Ess-Buden – von den »besten Burgern der Stadt«, made by Susu & Sons, über Bubble-Waffeln bis zu Einhorn-Shakes für den ultimativen Zucker-Schock und Würstchen im Maismantel – sowie Bühnen, Fotoständen und anderen Attraktionen.
Und über allem wacht Netta. Die bunte, schrille, fröhliche Netta Barzilai, Gewinnerin des ESC 2018 in Portugal, die mit ihrem Hit »Toy« noch immer die Massen zum Tanzen bringt. Hier steht sie als Skulptur, von Nirit Levav Packer, einer Künstlerin aus Jaffa, gefertigt. Die Statue aus Kuscheltieren, Schrauben, Fahrradketten und Abfall misst vier mal sechs Meter und wiegt zwei Tonnen.
Besonders beliebt ist sie als Dekoration für das obligate Selfie. »Der beste Hintergrund überhaupt«, ruft eine dunkelhaarige Schönheit und schmeißt sich mit ihren drei Freundinnen in Pose. Es ist Eurovision in Tel Aviv – und Netta ist immer mittendrin.