Schon jetzt tituliert ihn die israelische Presse als den »Ben Gurion unter den Päpsten«. Kaum ein größeres Lob könnte es für Papst Franziskus geben als den Vergleich mit dem geliebten Staatsgründer Israels. Es ist seine entspannte Art, die gut ankommt, der Ruf, auf Pomp und Prunk zu verzichten und ein Mann des Volkes zu sein. Am 25. und 26. Mai wird das Oberhaupt der katholischen Kirche das Heilige Land besuchen. Die Vorbereitungen sind bereits in vollem Gange – und die Erwartungen der Gastgeber an den »Papst zum Anfassen« haushoch.
Drei seiner Vorgänger hatten Israel besucht. Den Auftakt machte Paul VI. bei seinem historischen Treffen mit dem Patriarchen Athenagoras in Jerusalem vor genau 50 Jahren. 2000 war es Johannes Paul II., der an der Kotel betete. Vor fünf Jahren schritt Benedikt XVI. in roten Schuhen über die Via Dolorosa. Doch keiner dieser Papstbesuche wurde von der Bevölkerung so sehr erwartet wie dieser. Schließlich ist der aus Argentinien stammende Pontifex auch für die gute Beziehung zur jüdischen Gemeinde in seinem Heimatland bekannt. Etwas, das ihm in Israel bereits Unmengen an Vorschusslorbeeren einbringt.
vorgänger Eine der wichtigsten Stationen während der Papst-Reise wird die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem sein. Wie seine Vorgänger wird auch Franziskus in der Halle der Erinnerung an einer Gedenkzeremonie teilnehmen. Zudem wird er eine Rede halten und sechs Überlebende der Schoa begrüßen.
Christoph Schmidt von der Abteilung für Philosophie und Religion an der Hebräischen Universität Jerusalem erklärt, was Franziskus in den Augen der Israelis so beliebt macht. »Es ist sicher das Persönliche, die freundliche und bescheidene Art, die so einen großen Eindruck hierzulande macht.« Theologisch habe Franziskus indes bislang nichts Neues hinzugefügt – ganz anders als sein Vorgänger.
Als der Deutsche Benedikt nach Israel reiste, habe es viele Missverständnisse gegeben, erinnert sich Schmidt. »Alle Assoziationen mit Deutschland wegen des Holocaust wurden auf den Papst projiziert – zu Unrecht.« Denn es sei Kardinal Ratzinger gewesen, der die Verständigung zwischen Juden und Christen in der Theologie am weitesten getrieben habe. »Er war es, der die offizielle Linie der katholischen Kirche in Bezug auf die Juden mit starker Einfühlung positiv gestaltet hat.«
kritik Benedikt sei daher unverdient mit Kritik überhäuft worden. Etwas, das die Offiziellen in Israel nach Meinung des Wissenschaftlers jetzt wiedergutmachen wollen. Das sei einer der Gründe, spekuliert er, weshalb der Besuch des neuen Papstes umso euphorischer vorbereitet werde.
Dass Franziskus auch in Israel ein Papst zum Anfassen sein darf, bezweifeln Experten derweil. Die Vorbereitungen, vor allem in Sachen Sicherheit, laufen auf Hochtouren. Ein Artikel in der Zeitschrift »The Economist« zitierte einen Sprecher des Vatikans mit den Worten, Israel treibe einen »Sicherheitskeil« zwischen Franziskus und seine Anhänger. »Der Papst will die Menschen sehen. Aber die Christen werden nicht in der Lage sein, ihn zu sehen. Israel macht aus den heiligen Stätten Militärbasen«, hieß es.
Vor allem nach den jüngsten Übergriffen auf christliche Stätten und der Androhung von »Preisschild-Attacken« gegen Christen während des Papstbesuches geht die Angst um. Auf keinen Fall sollen sich Hass-Graffiti wie »Tod den Arabern und Christen« bewahrheiten. Statt des üblichen Händeschüttelns und Schulterklopfens soll der Pontifex in einem gepanzerten Wagen durch die Menschenmassen gefahren und so weit abgeschirmt werden wie möglich, was der Papst selbst allerdings ablehnt. Rein gar nichts will die Regierung dem Zufall überlassen.
pilger Während das Sicherheitsestablishment wegen der Vorbereitungen ins Schwitzen gerät, frohlocken die Kollegen im Tourismusministerium. Sie erwarten bis zu zehn Prozent mehr christliche Besucher während der päpstlichen Visite. Mehr als die Hälfte aller 3,54 Millionen Gäste, die 2013 einreisten, waren Christen. Minister Uzi Landau meint dazu: »Wir heißen den Papst als Gast von höchster Bedeutung und als Oberhaupt der Katholiken in aller Welt willkommen – und fühlen uns geehrt.« Israel öffne seine Arme für alle Gläubigen und Pilger, die in Israel auf den Fußspuren von Papst Franziskus wandeln wollen, so der Tourismusminister.
Um das Megaevent so glatt wie möglich laufen zu lassen, investierte das Ministerium vorab rund zwei Millionen Euro in eine Werbekampagne und verschiedene Infrastrukturprojekte. Eine spezielle Website (www.holyland-pilgrimage.org) bietet den Reisenden Information und Unterstützung. Das Banner der Instagram-Werbung zum Papstbesuch wurde nach Angaben des Ministeriums 34 Millionen Mal angesehen. Einer, der darauf geklickt hat, darf sich ganz besonders freuen. Gustavo Adolfo Franco Picasa machte beim Instagram-Videowettbewerb mit und erklärte, warum er das Heilige Land besuchen möchte. Er überzeugte die Jury und darf nun auf Einladung des Staates beim Papstbesuch in vorderster Reihe jubeln.
Seit er die weiße Robe trägt, fliegen Franziskus die Herzen in aller Welt nur so zu. »Es ist die Ausstrahlung, die so gut ankommt«, ist Experte Schmidt sicher. »Da kommt jemand mit guter Laune, ist zugänglich. Einer, der nicht an Pomp interessiert ist, sich um die Armen kümmert und Straßenbahn fährt.« Allerdings würden die Medien einen erheblichen Teil dazu beitragen, dieses Bild zu kreieren. Sein Image eilt ihm jedenfalls ins Heilige Land voraus. »Er ist ein Mentsch«, raunen die Israelis schon, bevor sie ihn kennengelernt haben. Oder, wie es die Tochter von Professor Schmidt auf den Punkt bringt: »Der Papst ist ein Chamud – ein ganz Süßer.«