In Tel Aviv ist man im Reisefieber. Aufregung liegt in der Luft in den Galerien und Gängen des Kunstmuseums. »Ja, es ist ein großes Ereignis«, freut sich die Direktorin und leitende Kuratorin des Tel Aviv Museum of Art (TAMA), Suzanne Landau. »Wir sind alle schon so gespannt.« Ein Teil der israelischen Dauerausstellung wird vom 27. März bis zum 21. Juni im Berliner Martin-Gropius-Bau zu sehen sein. Zum ersten Mal in Europa – zum ersten Mal in Berlin.
Der Gropius-Bau lud das TAMA ein, die Ausstellung »Jahrhundertzeichen. Tel Aviv Museum of Art auf Besuch in Berlin« für die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Deutschland zu präsentieren. Ermöglicht wurde die Schau durch die Unterstützung des israelischen Außenministeriums sowie den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Und das Team aus Tel Aviv ist »schon voller Vorfreude«, wie die Direktorin versichert.
Die 72 Werke aus den drei Abteilungen israelische Kunst, moderne Kunst sowie Drucke und Zeichnungen werden in Bezug zueinander ausgestellt. Darunter befinden sich Gemälde von Mark Rothko, Egon Schiele, Marc Chagall, Alexander Archipenko, Max Beckmann und Edgar Degas. In den Galerien des Gropius-Baus werden die Werke der modernen Meister und zumeist Video-Installationen von zeitgenössischen israelischen Künstlern nebeneinander gezeigt. »Die Werke werden in einer vergleichenden Gegenüberstellung präsentiert, die sehr aufregend ist«, verspricht Landau.
Der erste Raum beispielsweise stehe für den historischen Beginn der Kollektion in Tel Aviv. Dort wird ein Werk des belgischen Expressionisten James Ensor, das zu den ersten gehörte, die dem Haus überlassen wurden, neben der Interpretation der Museumsanfänge durch den zeitgenössischen Künstler Marcel van Eeden präsentiert. »Es ist ein kurzer und spannender Abriss, der die ganze Geschichte unseres Museums widerspiegelt«, sagt Landau.
Chagall TAMA, das heute die israelische Kunstszene mitbestimmt, wurde im April 1932 von dem legendären ersten Bürgermeister der Metropole am Mittelmeer, Meir Dizengoff, in seinem Privathaus gegründet. Werk Nummer eins in der Bestandsliste war die erst kurz zuvor von Marc Chagall vorgestellte Gouache Jude mit Tora. Ein Jahr darauf lud Dizengoff den bekannten deutschen Kunsthistoriker und ersten Direktor des jüdischen Museums in Berlin, Karl Schwarz, als Chefkurator in sein neu gegründetes Haus der Kunst. Es war Schwarz, der Werke von befreundeten Sammlern aus der ganzen Welt nach Tel Aviv holte.
»Die Beziehung zwischen uns und Berlin hat also von Anfang an bestanden, mit unserem ersten Direktor und später mit der großen Schenkung von Erich Goeritz, der 500 Kunstwerke seiner Sammlung zu uns schickte«, erzählt Landau. »Mit dem jetzigen Besuch schließt sich der Kreis.«
Auf die Frage, ob es vor dem großen Einpacken auch ambivalente Gefühle bei den Israelis gegeben hat, die Werke gerade in Berlin zu präsentieren, gibt Landau zu: »Das war vielleicht am Anfang ein wenig so.« Aber die Kooperation mit dem Team des Gropius-Baus unter der Leitung von Gereon Sievernich sei so wundervoll gewesen, dass sich diese Gefühle recht bald in Luft aufgelöst hätten. Landau ist jedenfalls begeistert von der Zusammenarbeit: »Wir fühlen uns in Berlin willkommen, sind so herzlich und aufgeschlossen aufgenommen worden, dass es eine wahre Freude ist.«
Zukunft Doch natürlich spiele die Geschichte, die hinter uns liegt, immer eine wichtige Rolle, macht Landau deutlich. »Und deshalb ist unser Besuch ein besonderes Ereignis und von großer Bedeutung für unsere beiden Länder. Heute ist die Gegenwart, und die ist sehr positiv.« Dass auch die Zukunft Gutes bringen wird, da ist die Kunstexpertin sicher. »Unsere beiden Staaten führen mittlerweile eine 50 Jahre andauernde erfolgreiche Beziehung miteinander. Und wir fühlen uns gut damit.«
Die Berliner und Tel Aviver kannten sich schon vorher. 2008 organisierten die beiden Museen gemeinsam die große Retrospektive des Environment-Künstlers Dani Karavan in Berlin. Doch das jetzige Projekt ist für Landau etwas Besonderes und eine Herausforderung gleichermaßen. »Es ist einfach etwas wirklich Großartiges und eine neue Erfahrung.«
Vielleicht wird es nicht bei einem einmaligen Besuch bleiben, sondern es wird stattdessen eine neue Tradition des gegenseitigen Besuchens eingeläutet. Suzanne Landau kann mit der Idee etwas anfangen, schließlich stehen Kooperationen des TAMA mit Museen in der ganzen Welt ganz oben auf ihrer Agenda. »Ein ständiger Austausch mit Berlin – ja, das wäre wunderbar.«
»Jahrhundertzeichen. Tel Aviv Museum of Art auf Besuch in Berlin«. Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin. 27. März bis 21. Juni. Öffnungszeiten: Mi. bis Mo., 10 bis 19 Uhr, Di. geschlossen