Die gewalttätigen Auseinandersetzungen in Jerusalem haben auch am Schabbat weiter angehalten. Am Freitag fand im Ost-Jerusalemer Stadtteil Schuafat die Beisetzung des laut Autopsiebericht lebendig verbrannten 16-jährigen Palästinensers Abu Khdeir statt. Es ist immer noch unklar, ob er von den eigenen Familienangehörigen oder von rechtsgerichteten Israelis aus Rache für den Mord an den drei israelischen Jugendlichen Eyal, Naftali und Gilad umgebracht worden ist. Die meisten Palästinenser sind von Letzterem überzeugt. Den israelischen Behörden zufolge konnten die Täter noch nicht ermittelt werden.
Die Trauerprozession für Khdeir artete in antiisraelische Krawalle aus, Teilnehmer skandierten »Intifada! Intifada!«. Es waren die schlimmsten Zusammenstöße in Jerusalem seit Jahren. Ferner gab es am Abend während des ersten muslimischen Freitagsgebets im Ramadan Zusammenstöße in der Altstadt, nachdem Sicherheitskräfte den Tempelberg mit der Al-Aksa-Moschee für Männer unter 50 Jahren gesperrt hatten.
Ausweitung In der Nacht zum Samstag griffen die Aufstände auf sämtliche arabische Viertel der Hauptstadt über, auch auf solche, in denen es zuvor ruhig geblieben war. Arabische Demonstranten warfen Steine und Molotowcocktails auf Polizisten sowie auf jüdische Wohnhäuser in Ost-Jerusalem. Auch in der Altstadt gab es weiterhin Zusammenstöße zwischen Israelis und Palästinensern. Gleisanlagen und Waggons der Jerusalemer Straßenbahn, die auch durch Schuafat führt, wurden von Randalierern schwer beschädigt. Der Schaden geht nach Aussagen der Stadtverwaltung in die Millionen; es werde Wochen, wenn nicht Monate dauern, bis die Bahn ihren vollen Betrieb wieder werde aufnehmen können.
Während der Nacht wurden 50 Palästinenser ins Krankenhaus eingeliefert, die durch Gummigeschosse der Polizei verletzt worden waren. 13 Polizisten erlitten ebenfalls Verletzungen. Die Auseinandersetzungen in Jerusalem hielten am Samstagabend noch an.
Angriffe Die Krawalle griffen auch auf den Norden Israels über, wo es zahlreiche mehrheitlich arabische Ortschaften gibt. In der Stadt Qualansawe wurden jüdische Bürger angegriffen, die den Ort per Auto durchquerten. Dutzende maskierte Aufständische setzten am Samstagnachmittag auf der Hauptstraße Autoreifen in Brand. Der Bürgermeister von Qualansawe, Abdel Baset Salame, hatte zuvor vergeblich an die Bürger appelliert, ruhig zu bleiben und keine Gewalt anzuwenden.
In Taibeh zogen etwa 400 Demonstranten durch die Straßen, riefen Parolen wie »Wir werden unser Leben und unser Blut für Al-Aksa opfern« und warfen Steine auf Angehörige der israelischen Grenzpolizei. Arabische Proteste gab es auch in Nazareth und in der Wadi-Ara-Region in der Nähe von Haifa.
Iron Dome Auch der Beschuss israelischer Ortschaften mit Kassamraketen aus dem Gazstreifen ging am Samstag unvermindert weiter. Drei Raketen konnten am Freitag und Samstag von dem Abwehrsystem »Iron Dome« abgefangen werden. In der Nacht explodierte eine Rakete auf freiem Feld, eine weitere am Morgen in der Eshkol-Region im Süden Israels, ohne dass Menschen verletzt wurden. Gegen Mittag erlitt ein IDF-Soldat durch Splitter einer Mörsergranate leichte Verletzungen. Am Nachmittag fing »Iron Dome« eine weitere Rakete ab, die auf die Kleinstadt Ofakim gerichtet war. Einwohner konnten deutlich sehen, wie die Rakete in der Luft explodierte. Der »Code Red«-Alarm war in der Gegend permanent zu hören.
Weitere Raketen setzten landwirtschaftlich genutzte Flächen in der Eshkol-Region in Brand. Am frühen Samstagabend griff die israelische Luftwaffe daraufhin drei Ziele im Gazastreifen an, wie ein Armeesprecher mitteilte. Gegen 19.20 Uhr Ortszeit waren auch in Beer Sheva die Alarmsirenen zu hören. Es war der erste Raketenangriff auf die Großstadt in der Negevwüste seit dem Beginn der neuerlichen Attacken aus dem Gazastreifen. Mindestens eine von zwei abgefeuerten Raketen wurde von »Iron Dome« abgefangen. Der von Ägypten vermittelte Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel, von dem gestern in Medienberichten die Rede war, scheint angesichts des fortgesetzten Raketenbeschusses in weiter Ferne.