Es sind schreckliche Szenen, die Schalom Pinija aus Beer Schewa beschreibt. Sechs Stunden lang habe er im Krankenhausbett neben dem Leichnam eines Corona-Patienten gelegen, bis das Personal kam. Die dritte Welle des Coronavirus in Israel bringt die Hospitäler an den Rand des Zusammenbruchs.
Pinija erzählt seine Erlebnisse im Interview mit einer israelischen Zeitung, um »auf die schlimme Lage in den Krankenhäusern hinzuweisen und die Menschen aufzurütteln, damit sie das Virus ernst nehmen«. Der Anwalt aus der Stadt im Süden des Landes beschreibt sich selbst als starke Person. »Aber jetzt bin ich zerbrochen.«
»Es ist im Moment eine harsche Realität für die Teams.«
Soroka-Krankenhaus Beer Schewa
Das Soroka-Krankenhaus in Beer Schewa bestätigte die Schwierigkeiten: »Das Personal in unserer Coronaabteilung muss sich derzeit um Dutzende von Patienten kümmern, die rund um die Uhr überwacht werden.« Außerdem dauere es eine Weile, bis die Schutzausrüstung angelegt sei. »Es ist im Moment eine harsche Realität für die Teams.«
SYMPTOME Auch andere melden sich zu Wort. Miki Halberthal, Leiter des Rambam Krankenhauses in Haifa, berichtet, dass er nicht nur viel mehr Fälle sehe, sondern zudem jüngere Menschen in ernstem Zustand. Mittlerweile zeigten die 50- bis 60-Jährigen die schlimmsten Symptome. Viele müssten künstlich beatmet werden.
Die Warnungen der Gesundheitsexperten kommen, als Israel kurz vor dem dritten vollständigen nationalen Lockdown im Angesicht ständig steigender Infektionszahlen mit dem Coronavirus steht. Am Dienstagabend hatte das Kabinett entschieden, das Land ab Freitag für zwei Wochen vollständig abzuriegeln. Schulen und Geschäfte werden bis auf wenige Ausnahmen geschlossen.
FLUGHAFEN Auch der Flughafen wird betroffen sein. So ist es nach wie vor Ausländern nicht erlaubt, nach Israel zu reisen. Das Land verlassen dürfen nach Angaben der Regierung während des Lockdowns nur jene, die ihr Flugticket vor der neuen Maßnahme erworben haben.
Bereits den zweiten Tag in Folge hat die Zahl der Neuinfektionen 8000 überschritten. Gesundheitsexperten und Politiker geben vor allem der Mutation des Virus, die zuerst in Großbritannien aufgetaucht war, die Schuld an der Entwicklung. Mittlerweile seien knapp 190 Fälle in Israel registriert, gab das Gesundheitsministerium am Mittwochmorgen an.
»Die Mutation hat Israel erreicht und fordert viele Menschenleben.«
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
»Wir befinden uns inmitten einer globalen Pandemie, die sich durch die britische Mutation in Rekordgeschwindigkeit verbreitet«, so Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. »Sie hat Israel erreicht und fordert viele Menschenleben.« Der Corona-Berater der Regierung, Nahman Ash, bestätigte, dass die »ungewöhnlich schnelle Rate der Infektionen in verschiedenen Gegenden des Landes« wahrscheinlich auf die Mutation zurückzuführen sei.
In Israel hat es rund 456.000 Fälle mit dem Coronavirus gegeben, derzeit sind noch fast 60.000 Fälle aktiv. 3489 Menschen sind in dem neun-Millionen-Staat an den Folgen einer Erkrankung mit Covid-19 gestorben.
MANGEL Gleichzeitig geht die Impfkampagne weiter. Bislang ist jeder sechste Israeli mit der ersten Dosis immunisiert worden. Die Gesamtzahl der Geimpften betrug am Mittwoch fast 1,5 Millionen. Allerdings berichteten die beiden größten Gesundheitsversorger Maccabi und Clalit am Mittwoch, dass sie in der kommenden Woche aufgrund des Mangels an Impfstoffen die Erstimpfungen vorübergehend aussetzen werden.
Bislang wurde in Israel ausschließlich das Mittel von Pifzer verabreicht. Doch angeblich sollen noch in dieser Woche Hunderttausend Dosen des US-Pharmaunternehmens Moderna ankommen. Das israelische Gesundheitsministerium hatte das Mittel Anfang der Woche zugelassen.