Viele verrückte Ideen entstehen um Mitternacht in einer Bar. Nur wenige überleben den nächsten Morgen. Die Idee, die Simon Fried und Amit Dror hingegen vor einem Jahr in einer Kneipe in Tel Aviv hatten, wird gerade verwirklicht: eine Whisky-Brennerei in Jaffa an der Grenze zum Tel Aviver Stadtteil Florentin. In der »Milk & Honey Distillery« wollen sie mit ihrem Team ab diesem Monat den ersten israelischen – und zudem koscheren – Whisky, genauer gesagt: Single Malt, brennen.
»Wir saßen abends bei ein paar Whiskys zusammen und haben über unsere Leidenschaft für das Getränk gesprochen. Dann kamen wir auf die wachsende Whisky-Szene in der ganzen Welt«, erinnert sich der 37-jährige Simon. Längst komme guter Whisky nicht mehr nur aus den USA oder Irland, sondern zum Beispiel auch aus Taiwan oder Schweden. Die beiden stellten sich die Frage: Wäre es da nicht endlich an der Zeit, auch in Israel Whisky zu produzieren?
Brennkessel Aus der Schnapsidee entstand – dank israelischer Chuzpe und wochenlanger Arbeit – ein Businessplan. »Wir wollten es wirklich durchziehen und waren überzeugt, dass es funktionieren würde.« Kurze Zeit später fanden Simon und Amit einen Mitgründer und Investor: Gal Kalkshtein. »Wir haben Gerüchte gehört, dass Gal selbst schon seit einiger Zeit darüber nachdachte, israelischen Whisky zu brennen. Wir haben ihn kontaktiert, und er war dabei.« Mittlerweile arbeiten sie in einem neunköpfigen Team an den Vorbereitungen bis zur Eröffnung der Brennerei. Die Brennkessel haben sie bereits gekauft, einer davon kommt von einem deutschen Hersteller. Auch ein Besucherzentrum soll in der Brennerei eröffnet werden.
Simon und Amit sind im Alkoholgewerbe nicht ganz neu: Amit hatte bereits für private Zwecke zu Hause Bier gebraut, Simon als Berater für schottische Brennereien gearbeitet. Die Expertise für das Brennen aber holten sie sich mit Tomer Goren: Der 31-Jährige stellt seit vier Jahren Whisky zu Hause her. Das Wissen hat er als Mitarbeiter in schottischen Destillerien erlernt. Seit zehn Jahren lehrt er selbst zum Thema Brennen und schreibt seinen eigenen Whisky-Blog.
Tomer weiß, dass es nicht nur auf die Zutaten, sondern auf die Lagerung ankommt, auf den Ort und die Temperatur: »Andere Brennereien haben schon Whisky ins All geschossen, um zu sehen, wie er sich dort entwickelt. Wir haben hier in Israel ein einzigartiges Klima und können die Fässer in unterschiedlichen Regionen lagern. Zum Beispiel am Toten Meer: Damit wäre es Whisky vom tiefsten Punkt der Erde.« Der Schotte James Swan, ein Experte, was die Whiskyproduktion in wärmeren Regionen angeht, steht dem Team als »Master Distiller« zur Seite.
Fässer Doch wenn bereits in so vielen Ländern guter Whisky gebraut wird – hat die Welt auf solchen aus Israel gewartet? Simon ist überzeugt, dass die Strategie aufgeht: »Zunächst macht israelischer Whisky neugierig. Dann muss er natürlich besonders gut sein. Und außerdem ist es der erste, wirklich streng koschere Whisky.«
Zwar haben auch andere Brennereien schon einen Koscherstempel erhalten, doch keinen nach den strengen ultraorthodoxen Kaschrutregeln. »Im Grunde ist jeder Whisky allein aufgrund seiner Zutaten koscher«, erklärt Simon. Weder Fleisch noch Milch sind enthalten. Schwieriger wird es bei der Auswahl der Fässer, in denen das Getränk mindestens drei Jahre reift. Denn Whiskyfässer wurden in der Regel zuvor anderweitig verwendet, für Bourbon oder Sherry. »Sherryfässer kommen eher nicht infrage, weil es kaum koscheren Sherry gibt«, so Simon. Bei Bourbon gebe es mehr Möglichkeiten. »Außerdem werden wir zum Beispiel nicht am Schabbat produzieren und das Schmitta-Jahr einhalten.«
Den meisten Tel Avivern wird es egal sein, ob der Whisky nun streng koscher ist oder nicht – in der Stadt, in der selbst Schweinefleisch am Schabbat in Restaurants serviert wird. »Unser Whisky kann hingegen auch anstatt Wein für den Kiddusch in der Synagoge verwendet werden«, sagt Simon. Der Vorteil: Eine Flasche Whisky ist geöffnet lange haltbar, Wein hingegen muss zügig ausgetrunken werden, damit er sein Aroma nicht verliert. Auch als Geschenk in orthodoxen Kreisen käme der israelische Whisky infrage.
Steuern Preislich soll er im Mittelfeld angesiedelt sein – nicht zu exquisit, nicht zu billig. Das neue israelische Alkoholgesetz kommt der »Milk & Honey Distillery« zugute: Ihr Getränk wird nun leichter mit anderen hochprozentigen Produkten mithalten können. Denn bisher wurden die Steuern dem Preis von Alkohol angepasst. Mittlerweile richten sie sich nach dem Alkoholgehalt. Hochprozentiges, das früher billig und nicht besonders hochwertig war, ist nun sehr teuer geworden.
Der israelische Whisky soll in den kommenden Jahren auch exportiert werden, der israelische Markt sei letztlich doch recht klein, und Israelis seien nicht gerade dafür bekannt, besonders viel Alkohol zu trinken, meint Simon. In Whisky-Liebhabern und Juden weltweit sehen die israelischen Brenner neue Kunden.
Bis dahin wird es aber noch mindestens drei Jahre dauern. So lange muss der Whisky nämlich in den Fässern lagern. Bis dahin will das Team von »Milk & Honey« das Vorprodukt verkaufen, das nach dem Brennen entsteht, bevor die Flüssigkeit in die Fässer gefüllt wird und dort seine goldene Farbe erhält: White Whisky.