Umwelt

Kommt nicht in die Tüte

Schnell noch ein paar für zu Hause eingesteckt: Einkaufstüten an der Supermarktkasse Foto: Flash 90

Israelische Supermärkte sind teuer. Doch immerhin gibt es nach dem Bezahlen die Plastiktüten gratis dazu. Diesen Umstand nutzen viele Konsumenten aus und greifen fleißig zu, packen oft noch einen Stapel für den Mülleimer zu Hause ein. Doch mit den kostenlosen Plastikbeuteln soll jetzt Schluss sein. Umweltminister Amir Peretz reichte einen Gesetzesvorschlag ein, demzufolge die Menschen nun auch in Israel für Tüten bezahlen sollen: mindestens 40 Agorot pro Stück – das sind umgerechnet etwa acht Cent.

»Die Benutzung von Plastiktaschen in Israel ist eine gefährliche und umweltzerstörerische Sucht geworden«, erklärte Peretz bei der Vorstellung seines Anliegens. »Die gesamte Regierung ist vereint in dem Ziel, das viele Plastik abzuschaffen.« Dafür arbeite man mit progressiven Kräften in der Gesellschaft zusammen, etwa Umweltverbänden. Dabei will der Minister die Anliegen der Tütenhersteller nicht vergessen: »Ich sehe ihre Befürchtungen. Doch wir werden dafür sorgen, dass sie in dem neuen Markt, der durch die Gesetzesänderung geschaffen wird, ihren Platz bekommen.«

Umweltzerstörung »Die Zeit ist reif, endlich zu den entwickelten Ländern aufzuschließen, deren Bürger verstehen, dass die Nachteile durch Plastiktüten und die Umweltzerstörung für die kommenden Generationen viel schwerer wiegen als der kleine Vorteil, eine kostenlose Tasche zu erhalten«, erklärte Peretz sein Vorhaben. Es wird damit gerechnet, dass das Gesetz nach dem Ende der Hohe Feiertage Mitte Oktober bereits durch die letzte Phase in der Knesset gehen könnte.

Doch Peretz hatte die Rechnung ohne den selbst ernannten Beschützer der tütenverliebten Israelis gemacht: Naftali Bennett. Der Wirtschafts- und Religionsminister legte rasch Widerspruch ein, obwohl sich das komplette Kabinett bereits für den Vorschlag ausgesprochen und sich dem Motto angeschlossen hatte: »Der Plastikmüll muss endlich weg!« Auch das Komitee für Gesetzgebung hatte zugestimmt. Doch dann kam Bennett. Zwar ist auch der Vorsitzende der Partei Jüdisches Haus der Auffassung, eine Lösung für den übermäßigen Konsum von Plastik müsse gefunden werden. Die Änderung dürfe, wie er sagt, »den Menschen allerdings nicht wehtun«.

Gutscheine Bei seinem Einspruch außer Acht gelassen hatte der Minister allerdings, dass sämtliche Bürger nach der Einführung des Gesetzes zusammen mit ihrer Stromrechnung Gutscheine für insgesamt sieben wiederverwendbare Beutel erhalten würden – ohne einen einzigen Schekel dafür bezahlen zu müssen. Die Supermärkte stehen hinter der Initiative, denn für sie bedeutet das, die rund 20 Millionen Euro, die jährlich für die kostenfreien Beutel ausgegeben werden, einzusparen. Zwar müssten sie die Mehrfachtaschen bezahlen, doch das ist lediglich eine Einmal-Investition von rund 25 Millionen Euro. Supermarktketten im gesamten Land, darunter Rami Levi, Supersal, Chetzi Chinam und Mega, hatten sich bereit erklärt, die Taschen vom Umweltministerium zu erwerben und dann kostenfrei an die Kunden zu verteilen.

Doch Bennett gab sich stur. »Ich bin der Ansicht, dass unser Regierungsanliegen, die Lebenshaltungskosten zu reduzieren, sich auf alle Bereiche erstrecken muss, auch auf diesen.« Dabei waren sich die verantwortlichen Politiker zuvor einig, dass die Kosten mindestens acht Cent pro Stück für die weiterhin erhältlichen Plastiktüten betragen müssten, »weil sonst doch wieder jeder Plastik nimmt, statt umzudenken«.

Staffelung Ein Kompromiss zwischen den Ministern sieht nun vor, dass die Beutel in den ersten zwei Jahren 30 Agorot, danach 20 und nach vier Jahren nur noch zehn Agorot, also weniger als zwei Cent, kosten werden. Kleine Beutel für Obst und Gemüse in Supermärkten oder am Marktstand werden weiterhin umsonst ausgegeben.

Eine gute Idee? Swetlana ist Kassiererin im großen Supermarkt an der Glilot-Kreuzung. »Ich glaube nicht, denn zehn Agorot sind einfach zu wenig. Dann nehmen die Leute doch wieder zehn Tüten pro Einkauf. Ob sie einen Schekel mehr oder weniger bezahlen müssen, schert die wenigsten.« Sie meint, dass jede einzelne Tüte einen Schekel (also etwa 20 Cent) kosten sollte. »Das würde dem Käufer wehtun, und so könnten wir sicher viel Plastik vermeiden.«

Leinenbeutel 275 Tüten verbraucht jeder Israeli im Durchschnitt pro Jahr, was den Gesamtverbrauch auf horrende 2,2 Milliarden bringt. Ein Viertel davon wird sofort in den Müll geworfen und landet auf den Kippen. Viele Tüten fliegen in der Natur umher, verschandeln die Umwelt, Tiere fressen sie und verenden kläglich, darunter schätzungsweise weltweit etwa 100.000 Meeresbewohner. Doch mehr als 70 Prozent der Israelis befürworten inzwischen eine Gesetzesänderung zugunsten des Umweltschutzes und würden sofort auf die Tüten verzichten.

Etwa Doron David. Er steht im Supermarkt am:pm an der Herzlstraße in Tel Aviv an der Kasse und hat einen Leinenbeutel dabei. »Klare Sache für die Umwelt«, sagt er, lacht und packt seine Waren hinein. Wie er den Kompromiss der Regierung findet? »Völlig lächerlich. Es klingt wie eine Geschichte aus Chelm. Erst will die Regierung die Leute zum Umdenken bewegen, dann erkennt sie ihnen ab, dass sie selbstständig denken können – oder vielleicht sogar einmal Verantwortung für ihr Tun übernehmen wollen«, meint der Informatiker und schüttelt den Kopf. »Was Bennett sagt, ist im Grunde, dass wir Einwohner vor uns selbst geschützt werden müssen.«

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