Kneidelach-Suppe, gefilte Fisch, duftende Challot in kreisrunder Neujahrsform und Honigkuchen: Rosch Haschana steht jedes Jahr vor allem im Zeichen süßer und schmackhafter Gaumengenüsse. Stundenlang am Herd zu stehen, ist dieser Tage aber mitnichten nur Notwendigkeit oder Feiertagstradition im jüdischen Staat. Kochen ist cool geworden.
»Und was sind deine Lieblingszutaten?« Beim ersten Date dreht sich das Gespräch in den angesagten Bars und Cafés des Landes neuerdings gern darum, was das Gegenüber in seiner Küche zubereitet. Und das nicht im Hinblick auf die Versorgungsfähigkeit potenziellen Nachwuchses, sondern als angesagte Freizeitgestaltung.
Noch vor wenigen Jahren galt Essen zwar als wichtiger Bestandteil jüdischen Lebens, die Zubereitung desselben war jedoch den Mammes vorbehalten. Junge Menschen ließen sich bekochen, hielten sich aber selbst von Töpfen und Pfannen fern.
Prominenz Spätestens seit Michal Ansky kann Kochen sogar sexy sein. Wenn die Jurorin in Minikleid und High Heels über das Parkett der Fernsehshow »MasterChef« stöckelt und mit liebenswertem Lispeln erklärt, wie sehr es ihr schmeckt, wird es eng am heimischen Herd. Jeder will so sein wie sie. Ansky ist Journalistin mit Schwerpunkt Essen und Mitbegründerin der Bauernmärkte im Land, die sich auf lokale Produkte sowie Slow Food spezialisiert haben und sich immer größerer Beliebtheit erfreuen.
Ihre Jurorenrolle im TV katapultierte sie auf die A-Liste der hiesigen Celebrities. Momentan lässt sie ihr langes blondes Haar auf überdimensionalen Plakaten an der Tel Aviver Autobahn über Koch-utensilien wallen. Und die finden auf einmal reißenden Absatz. Jeder will die Keramikpfanne haben, »in der Michal ihre Schnitzel brät«.
Liebling der Frauen ist zweifelsohne Nir Zook. Der smarte Sonnyboy hat mit 35 Jahren drei Restaurants im Land eröffnet, zwei Kochbücher veröffentlicht, schreibt eine regelmäßige Kolumne in einem bekannten Magazin und wird von der Damenwelt umschwärmt. Sein jüngstes Projekt: die Kochshow »Chef by Surprise«, bei der Zook uneingeladen bei einer Familie auftaucht und aus dem, was der Kühlschrank so hergibt, ein – meist – ausgesprochen köstliches Mahl kredenzt.
Man muss nicht immer gelernter Koch sein. Das beweist Schmusesänger Arkadi Duchin, dessen Bauchumfang darauf hindeutet, dass Essen eine seiner Lieblingsbeschäftigungen ist. Er eröffnete ein unprätentiöses Lokal im Zentrum Tel Avivs, das schnell zum Lieblingstreffpunkt der Schönen und Berühmten avancierte. Außerdem lädt der aus der ehemaligen Sowjetunion stammende Barde Künstlerkollegen in seiner russischsprachigen TV-Sendung zum gemeinsamen Kochen ein.
Kochgruppe Vor einem Jahr ist auch Tali Kotler auf den Herd gekommen. Die Frau aus der Metropole am Meer bindet sich seitdem mindestens einmal die Woche eine Schürze um ihre schlanke Taille und wetzt voll Enthusiasmus die Messer. »Zwar hatte ich schon immer ein Faible fürs Essen, aber ein Kochkurs, den mir meine Familie zum Geburtstag geschenkt hat, entfachte mein Feuer erst richtig.« Jetzt, sagt die Singlefrau, koche sie nicht mehr einfach irgendetwas, »ich zelebriere jedes Gericht«.
Donnerstagabend trifft sich die 30-Jährige mit Freunden zum gemeinsamen Kochen. »Wir schicken uns Rezepte vorher per Facebook hin und her und legen fest, wer was macht. Dann treffen wir uns auf dem Markt und gehen einkaufen.« Schon das ist ein Fest der Sinne«, freut sich Kotler. Auch zum Neujahrsfest planen die Hobby-Chefköche ein gemeinsames Mahl. »Vorgabe ist der Granatapfel. In jeder Speise muss zumindest eine Nuance davon sein.«
Show Keine Frage, dass die Kochgruppe Fan der Realityshow ist. Bei jeder Ausstrahlung hängen sie an der Mattscheibe, während die Teilnehmer ihre Bouillabaisse versalzen, das Soufflé zusammenfällt oder der Braten verbrennt. Wenn Kochpoet Eyal Shani den Frauen und Männern sagt, dass dieses Gericht ein totaler Flop ist, »weil du die Kartoffeln nicht geliebt hast«, oder jenes dagegen gelungen »wie ein Hauch aus dem Garten Eden, aus dem ich meine Gabel nicht mehr entwirren kann«.
Die letzte Staffel von MasterChef, die Ende 2010 lief, schrieb Fernsehgeschichte. Beim Finale schauten 1,6 Millionen Israelis zu, ein Marktanteil von fast 37 Prozent und damit die höchste Einschaltquote (ausgenommen Sportereignisse), die das Land seit einem Jahrzehnt gesehen hat. Vergessen sind Superstars und große Brüder – die wahren Dramen Israels finden am Kochtopf statt.