Alle waren sicher: Die angekündigte Ansprache bedeutet Rücktritt. Doch als der Chef der nationalreligiösen Partei Jüdisches Haus, Naftali Bennett, ans Rednerpult trat, klang es plötzlich ganz anders. Offenbar hatte er zu hoch gepokert.
Sein Ultimatum, dass er die Regierungskoalition verlassen würde, sollte Premier Benjamin Netanjahu ihm nicht das Verteidigungsministerium übergeben, nahm er zurück. Er kritisierte Netanjahu scharf, sicherte ihm jedoch gleichzeitig Unterstützung zu. Die Regierungskrise ist damit zumindest vorerst beigelegt.
Netanjahu hatte Bildungsminister Bennett zuvor gerügt, dass sein Verhalten während einer Sicherheitskrise unverantwortlich sei. »In einer Militäroperation steht das Verteidigungsministerium über politischen und persönlichen Befindlichkeiten«, sagte er am Sonntag. »Und wir befinden uns inmitten einer der komplexesten Operationen.«
HERAUSFORDERUNGEN Bei einem Treffen des Knesset-Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung am Montagmorgen führte Netanjahu aus: »Gestern habe ich den Posten des Verteidigungsministers übernommen. Ich habe mich mit Stabschef Gadi Eizenkot und dessen designiertem Nachfolger Aviv Kochavi getroffen. Wir sind bereit für alle Herausforderungen. Wie ich schon gesagt habe, ist die Militärkampagne noch nicht beendet. In dieser Zeit wäre es unverantwortlich, die Regierung zu Fall zu bringen. Egal was geschieht, wir werden weiterhin aktiv sein, um die Sicherheit unseres Staates und unseres Volkes zu garantieren. Wir werden dies klug, verantwortlich und mit Entscheidungskraft tun.«
Bennett jedoch wollte das Verteidigungsministerium, nachdem der amtierende Minister Avigdor Lieberman am Mittwoch zurückgetreten war. Der hatte mit diesem Schritt gegen die »schwache Haltung der Regierung in Sachen Gaza« protestiert.
Offenbar hat Bennett doch zu hoch gepokert. Er kritisiert Netanjahu scharf, sichert ihm zugleich aber Unterstützung zu.
Bennett drohte, dass er bei einem Nein die Regierung zu Neuwahlen zwingen würde. Seit Liebermans Rücktritt steht die Koalition mit 61 von 120 Mandaten auf wackligen Beinen. Auch Finanzminister Mosche Kachlon (Kulanu) forderte ein Ende der Koalition.
KAMPFGEIST Doch Netanjahu holte sie beide zurück ins Boot. Kachlon war bereits am Wochenanfang eingeknickt und hatte dem Ministerpräsidenten sein Vertrauen ausgesprochen. Bennett tat es mit seiner Nummer zwei in der Partei, Justizministerin Ayelet Shaked, an seiner Seite auf einer Pressekonferenz in der Knesset am Tag darauf. Er werde als Verteidigungsminister Netanjahu unterstützen, um »Israels schwere Sicherheitskrise zu überwinden«, erklärte er.
Allerdings übte der Bildungsminister bei dieser Gelegenheit auch scharfe Kritik an der Politik des Ministerpräsidenten und sagte, Israel habe in sicherheitspolitischen Belangen die falsche Richtung eingeschlagen und seit dem zweiten Libanonkrieg von 2006 aufgehört zu siegen. »Ich habe es gesehen: die Verwirrung, das Chaos, den Mangel an Entscheidungswillen, den Mangel an Kampfgeist.«
Er glaube allerdings, dass Netanjahu mit ihm, Bennett, an seiner Seite den Kurs korrigieren könne. »Wir glauben, dass es eine Antwort auf Terror, Raketen und Granaten gibt: wieder zu siegen.«