Abkommen

Kleines Land, viel Energie?

Die Gasverarbeitungsanlage »Tamar« liegt 24 Kilometer vor der Südküste Aschkelons und bewirtschaftet eines von neun Gasfeldern Israels. Foto: Flash90

In Israel kursiert ein alter Witz: »Die Juden haben sich den einzigen Fleck im Nahen Osten ausgesucht, an dem es keinen Tropfen Erdöl gibt.« Öl sprudelt zwar immer noch nicht – aber dafür entdeckten die Israelis riesige Erdgasfelder vor ihrer Küste.

Aus deren Vorkommen will es nun an andere Länder liefern. Damit könnte der winzige Nahoststaat ein Global Player auf dem Energiemarkt werden. Mit Ägypten und der Europäischen Union wurde kürzlich eine Absichtserklärung abgeschlossen, die vorsieht, dass Israel zum ersten Mal sein Erdgas in die EU exportiert.

unterzeichnung Energieministerin Karine Elharrar von der Zentrumspartei Jesch Atid nannte die Unterzeichnung in Kairo historisch. »Dies ist ein enormer Moment, an dem das kleine Israel zu einem bedeutenden Akteur auf dem weltweiten Energiemarkt wird.« Und mehr noch: Auch im Hinblick auf die israelisch-ägyptische Zusammenarbeit sei das Abkommen außerordentlich bedeutend.

Die beiden Nachbarn hatten zwar bereits 1979 Frieden geschlossen, doch jahrzehntelang war es ein kalter Friede, geprägt von gegenseitigem Misstrauen. Erst in den vergangenen Jahren näherten sich die beiden Nationen langsam an, vor allem bei der Zusammenarbeit in Sicherheitsbelangen und ein wenig beim Handel.

Israel könnte ein Global Player auf dem weltweiten Energiemarkt werden.

Auch die Friedensverträge zwischen Israel und den Golfnationen Vereinigte Arabische Emirate und Bahrain sowie Marokko ließen die Beziehungen zwischen Jerusalem und Kairo wachsen. »Dies ist eine Erklärung an diejenigen, die in unserer Region nur negative Kräfte wie Spaltung und Konflikte sehen«, hob Elharrar hervor. »Die Absichtserklärung zeigt uns, dass wir einen neuen Weg der Partnerschaft, Solidarität und Nachhaltigkeit beschreiten.«

werbetrommel Neben dem ägyptischen Erdölminister Tarek El-Molla war in Kairo auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dabei, die zuvor Israel besucht und dort die Werbetrommel für Lieferungen an die EU gerührt hatte. Im vergangenen Jahr importierte die EU rund 40 Prozent ihres Gases aus Russland. In einer gemeinsamen Pressekonferenz bestätigten die Unterzeichner, dass das Vorhaben als Folge des russischen Einmarsches in die Ukraine zustande gekommen sei.

»Es wird dem Block helfen, sich von seiner Abhängigkeit von Russland zu lösen«, so Ursula von der Leyen. »Was für ein besonderer Moment. Ich begrüße die Unterzeichnung dieses historischen Abkommens sehr.« Es sei Teil der Bemühungen Europas, Energiequellen von Russland weg zu diversifizieren und von »anderen vertrauenswürdigen Lieferanten« zu importieren.

Außerdem erkunde die EU Möglichkeiten, um ihre »Energiekooperation mit Israel noch weiter zu intensivieren«. Angedacht seien dafür Arbeiten an einem Unterwasser-Stromkabel und einer Gaspipeline im östlichen Mittelmeer. Derzeit allerdings gibt es noch keine Leitung, die Israels Offshore-Felder mit Europa verbindet. Daher muss das Erdgas durch eine bestehende Pipeline nach Ägypten geleitet werden. Hier wird es in Terminals verflüssigt, bevor es auf Tankern an die europäischen Küsten transportiert wird.

meilenstein Ägyptens umfangreiche Erdgasanlagen am Mittelmeer waren lange inaktiv, bis die Regierung unter Präsident Abdel Fattah el-Sissi sie sanierte und modernisierte. Damit will das bevölkerungsreichste Land in der arabischen Welt jetzt regionaler Energieknotenpunkt werden. Der Anfang ist mit dem trilateralen Abkommen gemacht. Energieminister El-Molla bezeichnete es bereits als »einen wichtigen Meilenstein« für die Zusammenarbeit zwischen Ägypten, Israel und der EU.

Es werde auch zu verstärkten Kooperationen zwischen den Mitgliedern des East Mediterranean Gas Forum führen, dem Jordanien, Israel, Zypern, Griechenland, Ägypten, die Palästinensische Autonomiebehörde, Frankreich und Italien angehören, ist sich El-Molla sicher.

Israel hat bislang neun Gasfelder vor seiner Mittelmeerküste entdeckt. Die Reserven werden insgesamt auf mehr als 1000 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Zwei sind betriebsbereit, Leviathan und Tamar, die zusammen geschätzte 900 Milliarden Kubikmeter Erdgas enthalten. Eine dritte Offshore-Bohrinsel ist derzeit in Arbeit. Seit 2017 fördert Israel rund neun Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr.

Es wird gemunkelt, dass Ägypten und der Libanon ebenfalls ein Abkommen für die Lieferung von Erdgas abschließen wollen.

Exportabkommen hierfür bestehen bereits mit Ägypten und Jordanien. Experten gehen davon aus, dass der neue Deal, der zunächst auf drei Jahre angelegt ist, mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere zwei pro Jahr knapp 280 Millionen Euro in die Staatskasse in Jerusalem bringen wird.

streit Mit einem anderen Nachbarn gab es unterdessen Streit: Während der Libanon behauptete, Rechte am Karisch-Gasfeld vor der Küste Nahariyas zu haben, erklärte Jerusalem, dass sich dies in seiner von den Vereinten Nationen anerkannten Offshore-Wirtschaftszone befindet. Mittlerweile gibt es Berichte, dass libanesische Unterhändler bereit seien, von der Kontrolle über Karisch abzusehen, dafür aber im Gegenzug ein anderes Gasfeld, Qana, zu verlangen. Es heißt, Jerusalem könnte dies akzeptieren.

In der Zwischenzeit wird gemunkelt, dass Ägypten und der Libanon ebenfalls ein Abkommen für die Lieferung von Erdgas abschließen wollen. Israels Nachbar im Norden befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise – zum Teil gibt es nur zwei Stunden Strom am Tag – und ist dringend auf Energielieferungen angewiesen. So könnte es sein, dass am Ende israelisches Gas auf Umwegen doch noch im Libanon ankommt.

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