Es ist noch nicht lange her, da war für viele israelische Araber ein Flug in den Urlaub kein Anlass zur Freude, sondern für tiefen emotionalen Stress. Nicht selten hielt das Sicherheitspersonal am Ben-Gurion-Flughafen ganze Familien stundenlang in Verhören fest, Eltern mussten sich vor den Augen ihrer Kinder erniedrigenden Untersuchungen unterziehen. Arabische Passagiere wurden aus gemischten Gruppen herausgefischt und gesondert überprüft.
Erfahrung Den ganzen Weg zum Flughafen saßen Familien fröhlich mit lauter Musik im Wagen, doch sobald man sich dem Flughafen näherte, änderte sich die Atmosphäre», erzählt Ibrahim Abu Schindi, ein Araber aus Jaffa. Die Musik wurde ausgeschaltet, jeder Hinweis darauf, dass man Araber war, verängstigt vertuscht. «Ich kam immer viele Stunden vor Abflug zum Terminal, war aber stets der letzte Passagier, der das Flugzeug betreten konnte. Immer wieder stellte man mir dieselben Fragen und behandelte mich als einen potenziellen Terroristen», sagt Abu Schindi.
Jahrelang steckte der Bürgerrechtler und Aktivist die Erniedrigungen ein, bis er eines Tages den Flughafen gemeinsam mit einem Minister besuchte und dem Generaldirektor einen Vorschlag machte: «Ich fragte ihn, ob er nicht seinen Service für arabische Fluggäste verbessern wolle. Er fragte einfach, was ich anzubieten hätte, und so begann unsere Kooperation.» Seit fast vier Jahren arbeiten Abu Schindi und seine Kollegen vom «Forum für bürgerliche Zustimmung» mit den Behörden am Flughafen zusammen, mit beeindruckenden Ergebnissen: «Vor wenigen Jahren hagelte es jährlich hunderte Beschwerden von Arabern, die sich am Flughafen misshandelt fühlten. Jetzt sind es weniger als 30 im Jahr», sagt Abu Schindi.
Umdenken Der Wandel war für beide Seiten schwer: «Wir mussten umdenken, etwas völlig Neues erfinden», sagt Schimschon Katz, Direktor der Abteilung für Kundenservice am Flughafen. «Unsere Mitarbeiter sind junge Männer und Frauen, die gerade aus der Armee entlassen wurden und ein bestimmtes Feindbild haben. Sie kennen Araber aus den Medien und aus dem Krieg», sagt Katz. «Für junge Israelis sind alle Araber gleich: egal ob ich aus Syrien, dem Libanon oder aus Israel komme. Sie können nicht unterscheiden, ob ich ein Friedensaktivist oder ein Anhänger der Hamas bin», sagt Abu Schindi. Deswegen organisierte er Treffen mit Vertretern aus dem arabischen Sektor, um dieses Bild zu verändern und zu differenzieren. «Wenn man jungen Ex-Soldaten sagt, es könnte sein, dass ein arabischer Arzt ihre Eltern in einem israelischen Krankenhaus behandelt oder ein arabischer Rechtsanwalt sie vor Gericht vertritt, beginnen sie umzudenken», sagt Katz. Auch Abu Schindi sammelte in der Zusammenarbeit neue Erfahrungen: «Ich dachte anfangs, dass auf der anderen Seite der Teufel selbst sitzt, der jedem Araber gegenüber schlechte Absichten hat.» Doch die Offenheit seiner neuen Partner überraschte ihn.
Die Seminare sollen neue Sensibilitäten schaffen: «Die meisten Israelis kennen unsere Kultur nicht. Sie wissen nicht, wie man zu unseren Frauen sprechen muss, oder dass der Mann als Familienoberhaupt nicht gedemütigt werden darf. Heute ist das anders.» Beamte wurden in ganz Israel zu Ausflügen in arabische Städte eingeladen: «Es war mir nicht selten mulmig zumute, wenn ich in ein Dorf kam, in dem an jedem dritten Haus PLO-Flaggen hingen», sagt Katz, der eine lange Karriere in israelischen Sicherheitsdiensten hinter sich hat. Technische Abläufe wurden verändert: «Früher erhielten Araber und Juden Aufkleber in unterschiedlichen Farben, standen in unterschiedlichen Schlangen. Das haben wir abgeschafft», sagt Abu Schindi. In jeder Schicht hat der Flughafen nun Araber eingestellt, die in besonders komplexen Fällen eingreifen und vermitteln sollen.
Sicherheit «Es war für uns wichtig zu verstehen, dass sie nicht die Sicherheit einschränken wollten. Da gibt es keine Kompromisse», sagt Katz. Noch immer gilt der Flughafen in Tel Aviv als der sicherste der Welt. «Auch wir wollen nicht mit einer Bombe in die Luft fliegen», sagt Abu Schindi. Deswegen richteten sich seine Bemühungen nicht gegen die Sicherheitsvorkehrungen an sich, sondern es ging darum, sie erträglicher zu machen. Die Flughafenleitung ist inzwischen entschlossen, auch ihren arabischen Kunden zu dienen: «Selbst wenn der Beamte ein Rassist ist und Araber hasst: Die Flughafenleitung macht ihm inzwischen klar, dass er ihnen einen guten Service bieten muss, auch wenn es um Sicherheit geht», sagt Katz.
Massnahmen Abu Schindi ist überzeugt, dass kleine Gesten große Wirkung haben können: «Der Flughafen in Tel Aviv ist oft der einzige Ort, an dem ein arabischer Israeli mit der Staatsmacht in Berührung kommt», sagt er. «Macht er hier schlechte Erfahrungen, hasst er den Staat.» Als Gegenbeispiel erzählt er von der Pilgerreise seiner Mutter: «Auf dem Heimweg aus Mekka saß meine Mutter mit ihrer Gruppe zwei Tage am Grenzübergang auf der jordanischen Seite in der Wüste fest.» Als die Gruppe endlich nach Israel einreisen konnte, empfing der israelische Grenzschutz die durstigen Pilger mit Wasserflaschen: «Diese Geste hat meine Mutter dem Staat Israel nie vergessen. So etwas baut Brücken», sagt Abu Schindi. So hält der Flughafen inzwischen seine Mitarbeiter an, Araber zu ihren Festen mit arabischen Segenssprüchen zu begrüßen. Neben den Räumen, in denen Fluggäste manchmal lange auf Hintergrundchecks des Geheimdienstes warten müssen, wurden Spielecken für Kinder eingerichtet.
Jetzt will Abu Schindi das Projekt ausdehnen: «Wir arbeiten bereits mit allen Grenzübergängen zusammen, selbst das Militär war bei mir. Sie wollen die Checkpoints im Westjordanland menschenfreundlicher gestalten.» Katz ist davon überzeugt, dass das Projekt bereits heute weiterreicht als nur bis an die Grenze des Flughafens: «Ich glaube, dass wir die Weltanschauung unserer Mitarbeiter maßgeblich und langfristig verändern.»