Wohltätigkeit

Kleine Beträge für große Not

Für wahre Bücherwürmer kann es nur einen Beruf geben. Um ein Haar wäre Marion Fridman tatsächlich Bibliothekarin geworden. Dann schwenkte sie um und widmete sich als Logopädin den Sprachproblemen von Kindern. Bücher blieben fest in ihrem Herzen verankert. Heute, im Ruhestand, arbeitet sie ehrenamtlich im englischen Buchladen der Wohltätigkeitsorganisation Esra in Or Akiwa und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie hat sich ihren Traum erfüllt und sammelt gleichzeitig Geld für hilfsbedürftige Menschen.

Schon vor der Eingangstür kann man sehen, dass hier Freunde der Literatur am Werk sind: Alphabetisch geordnet und säuberlich aufgereiht stehen die Bücher in Regalen an der Wand. Romane, Sachbücher und Lesestoff für Kinder. In der Mitte drei Tische mit Stühlen, Schmökern ist erlaubt. Die ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen Fridman und Judy Rosenblatt könnten sich kaum einen besseren Ort für ihr Projekt vorstellen.

Und das, obwohl sich an der hinteren Wand desselben Raumes eine Küche mit einem großen Ausgabefenster befindet: die Suppenküche von Meir Panim. Hier können sich Bedürftige warme Speisen abholen. Dieser Tage gibt es spezielle Rosch-Haschana-Feiertagspakete. Bücher und Mittagessen nebeneinander – in Or Akiwa funktioniert es bestens. »Die Leute sind begeistert, dass die vollen Regale eine schöne Atmosphäre zaubern, wir freuen uns, andere Menschen kennenzu- lernen«, erklärt Rosenblatt das ungewöhnliche Zusammenspiel.

Projekt Esra ist 1979 von Englisch sprechenden Einwanderern gegründet worden, um die Eingliederung der Immigranten durch gemeinsame Projekte und wohltätige Aktionen zu erleichtern. Die Mitglieder stammen aus den USA, England, Südafrika und Australien. Heute kümmert sich die Gemeinschaft um die verschiedensten wohltätigen Projekte, von der Schülerhilfe in Englisch und Musikkursen für äthiopische Kinder bis zu Häusern für obdachlose Mädchen oder Secondhand-Geschäften, in denen mittellose Israelis billig einkaufen können. Zweigstellen gibt es von Aschkelon bis Zichron Yaakow im ganzen Land. Esra hat sich auf die Fahnen geschrieben, die israelische Gesellschaft zu einer besseren zu machen.

»Tikkun Olam« sei etwas sehr Jüdisches, erklärt Fridman, die einmal die Woche im Buchladen arbeitet, im Komitee von Esra sitzt und im Strick-Club Kleidung für arme Kinder fertigt. Es ist auch Rosenblatts Motiv. Mit dem Bücherverkauf hilft sie, Geld für Israelis zu sammeln, denen es nicht so gut geht wie ihr selbst. Für die Frau aus New York gehört die ehrenamtliche Tätigkeit seit zweieinhalb Jahren fest zum Leben, obwohl sie als Englischlehrerin Kinder mit Lernschwierigkeiten unterrichtet und gleichzeitig studiert. Sie ist überzeugt von ihrem Engagement: »Ich nehme mir diese Zeit, weil ich es wichtig finde, der Gesellschaft etwas zurückzugeben.«

Rosenblatt hat drei Kinder. Als ihr zwölfjähriger Sohn einmal sagte, sie seien wohl arm, weil sie nicht im Luxus schwelgten, zeigte ihm seine Mutter, was »arm« wirklich bedeutet. Sie nahm ihn mit in den Buchladen und zu Meir Panim. »Dieser Einblick in alle Facetten der Gesellschaft lässt schon bei Kindern andere Werte wachsen, und das ist mir sehr wichtig.«

Tradition Die 52-Jährige will die Tradition des Helfens und Gebens ihrem Nachwuchs vermitteln, wie sie schon in ihrer Familie weitergegeben worden war. Rosenblatts Großeltern stammten aus Ungarn, emigrierten nach Israel und hatten nie viel. »Dennoch haben sie immer etwas für andere übrig gehabt«, erzählt sie. »So machen wir es nun auch, damit sich die Kette, für andere da zu sein, immer weiter vervollständigt. In diesem Jahr genauso wie im Neuen, das kommt.«

Ein Buch geht für fünf Schekel über den Ladentisch, Neuerscheinungen für zehn. Es sind keine riesigen Beträge, die durch den Verkauf zusammenkommen. Dennoch können damit verschiedene Projekte finanziert werden. Im letzten Jahr etwa kaufte Esra mit einem Teil der Einnahmen Schulbücher für acht Mädchen und Jungs, deren Eltern sie sich nicht leisten konnten, und buchten Reitkurse für behinderte Kinder. Jeden Monat geht zudem etwas an Meir Panim für Windeln und Babynahrung. Kleine Beträge, die doch in der Not eine große Hilfe sind.

Gaza/Tel Aviv

Ehemalige Hamas-Geisel berichtet über schwerste Misshandlung

Der junge Mann wurde in einer winzigen unterirdischen Zelle festgehalten, immer wieder geschlagen und gedemütigt. Den schlimmsten Moment seines Lebens erlebte er ausgerechnet an seinem Geburtstag

von Sara Lemel  14.03.2025

Gaza/Tel Aviv

Hamas will eine Geisel freilassen und vier Tote übergeben

Die Terrororganisation sagt, sie habe einen Vorschlag der Vermittler akzeptiert. In diesem Rahmen will sie demnach weitere aus Israel Entführte aus ihrer Gewalt entlassen

 14.03.2025 Aktualisiert

Tel Aviv

»Ich bin Omer Schem-Tov und ich bin frei«

Omer Schem-Tov berichtet erstmals über die schlimmste Phase seiner Geiselhaft in Gaza - und fordert die Freilassung aller Entführten.

von Cindy Riechau  14.03.2025

Nahost

US-Vermittler legt Vorschlag für Verlängerung der Waffenruhe vor

Laut Witkoffs Plan käme zuerst nur eine Handvoll Geiseln frei. Was wird aus den übrigen?

 14.03.2025

Israel

Bernard-Henri Lévy sagt aus Protest Teilnahme an Konferenz in Israel ab

Der Schritt des französischen Philosophen erfolgte aus Protest gegen die Einladung der zwei rechten französischen Politiker Jordan Bardella und Marion Maréchal

von Michael Thaidigsmann  13.03.2025

Jerusalem/Genf

Nach Israel-kritischem Bericht: Netanjahu wirft UNHRC Antisemitismus vor

Ein UN-Bericht wirft Israel sexualisierte Gewalt gegen Palästinenser vor. Der Ministerpräsident spricht von einem »antiisraelischen Zirkus«

von Imanuel Marcus  13.03.2025

Geiseln

Avinatan lebt!

Es ist das erste Lebenszeichen der 32-jährigen Geisel. Seine Freundin, die befreite Noa Argamani, kämpft unermüdlich für ihn

von Sabine Brandes  13.03.2025

Vermisst!

Angekettet und allein

Alon Ohel wurde am 7. Oktober schwer verletzt und verschleppt

von Sabine Brandes  13.03.2025

Doha

Verhandlungen um Waffenruhe und Geiseln stocken

Die Gespräche kommen nicht voran. Welches Ziel verfolgen die Amerikaner?

 13.03.2025