Israelis lieben das Kicken. Mit wehendem Schal strömen auch im Heiligen Land die Fans in die Stadien und verehren ihre Teams mit fast religiöser Hingabe. Fußball ist Nationalsport. Doch leider zeigt auch in hiesigen Stadien die hässliche Fratze des Rassismus ihr Antlitz in Fanmontur. Besonders im Traditionsclub Beitar Jerusalem kam es immer wieder zu rassistischen Übergriffen gegen arabische oder dunkelhäutige Spieler gegnerischer Mannschaften. Ein Banner bei einem Spiel, das ein »reines Beitar Jeruschalaijm« forderte, brachte jetzt das Fass zum Überlaufen.
Das Problem ist nicht neu. Bis vor Kurzem hatte der Club noch nie einen arabischen Spieler unter Vertrag genommen – auch, weil Fans entsprechend Druck gemacht hatten. Stolz sprachen einige Gruppen, vor allem die notorisch rassistische »La Familia«, von ihrem »araberfreien Verein«. Doch nun machte Eigentümer Arkadi Gaydamak dem Spuk ein Ende. »Ich werde es den sogenannten Unterstützern nicht mehr erlauben, das Bild unseres Clubs in den Dreck zu ziehen.« Der russische Oligarch verpflichtete zwei tschetschenische Spieler – beide Muslime. Zaur Zadayew und Gabriel Kadiyew wurden vorher über das Problem unterrichtet, doch beide brüsteten sich damit, »so etwas wie Angst nicht zu kennen«.
Disziplinarstrafe Die Hardcore-Fans aus der Ostkurve des Jerusalemer Teddystadions liefen daraufhin Amok. Während des Matches gegen Bnei Jehuda hallte »Tod den Arabern« und »Eure Dörfer sollen brennen« durch die Ränge. Drei Fans wurden wegen rassistischer Aufwiegelung vorläufig festgenommen. Das Management verurteilte die Vorgänge. Die Polizei nimmt das Geschehen zum ersten Mal wirklich ernst und erklärte, sie wolle »die 30 bis 50 extremistischen Fans« finden und dingfest machen.
Roni Resnick, ein Mitglied von »La Familia«, fühlt sich indes völlig unverstanden. Er erklärte, dass Beleidigungen und Flüche zu einem Fußballspiel gehörten und akzeptiert werden sollten. Außerdem gebe es ohnehin nur eine Möglichkeit, das Verhalten der Fans zu ändern. »Sie sollen die zwei Tschetschenen zusammen mit Arkadi aus dem Club werfen, nur das wird helfen.«
Die israelische Fußballvereinigung (IFA) verhängte nach den Ausfällen eine Disziplinarstrafe von umgerechnet 10.000 Euro und schloss die Ostkurve für fünf Spiele. Das folgende Match gegen den arabischen Verein Um-Al-Fachem verlief ohne große Zwischenfälle. Sportexperten hatten der IFA immer wieder vorgeworfen, nicht genug gegen den Rassismus im Fußball und besonders bei Beitar Jerusalem zu unternehmen.
Einfluss Fanprojekte wie in Deutschland existieren in Israel nicht. Es gibt Vereine und Zusammenkünfte von Fans, doch von einer Einbindung der Fußballanhänger, wie beim FC St. Pauli oder Borussia Dortmund etwa, können die Fans in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa nur träumen. Zwar gibt es die Organisation »Israfans«, die 25 Fanclubs unter ihre Fittiche genommen hat, um eine bessere Verbindung zu den Clubs herzustellen und sich unter anderem um die Ticketpreise zu kümmern. Doch »Israfans« mangelt es an Geld und teilweise auch an dem Interesse derjenigen, die das Sagen im Fußball haben, allen voran die Manager.
Or Schany ist seit Jahren eingefleischter Fan von Hapoel Tel Aviv. Er hätte liebend gern Einfluss – und sei es nur ein klein wenig – auf die Geschehnisse bei seinem Lieblingsclub. »Doch das machen die Bosse nicht. Zwar wollen sie, dass wir Karten kaufen und immer zum Anfeuern da sind, für die Fans tun sie aber nichts.« Schany ist überzeugt, dass die Spieler das anders sehen, aber von ihren Chefs angehalten werden, Abstand zu den Anhängern zu wahren. »Es ist wirklich schade«, findet der 28-Jährige und meint, dass alle von so einer Kooperation profitieren würden. »Aber die da oben denken nur ans Geld.«
Traditionelle Anhänger von Beitar, darunter der Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat und Ex-Premierminister Ehud Olmert, zeigten sich entsetzt über die rassistischen Vorfälle und distanzierten sich öffentlich davon. Olmert schrieb daraufhin in der Tageszeitung Yedioth Ahronoth, dass er so lange nicht ins Stadion gehen werde, bis dem Rassismus dort der Garaus gemacht ist.
Brandstifter Doch die Hooligans setzten noch eins drauf: Vor wenigen Tagen zündeten Unbekannte die Geschäftsstelle von Beitar Jerusalem an und zerstörten dabei unter anderem kostbare Trophäensammlungen.
Das war genau ein Schritt zu weit für den Bürgermeister: »Leute, die Büros abbrennen, sind keine Fans. Sie sind ganz gewöhnliche Kriminelle und werden wie solche behandelt. Wir müssen sie aus der Jerusalemer und der israelischen Gesellschaft ausschließen.« Barkat fügte hinzu, dass 99 Prozent der Beitar-Fans Rassismus ablehnten und nur »ihre Elf stärken« wollten. Früher sei es für das Team schwer gewesen, Investoren zu finden, da man über den schwelenden Rassismus Bescheid wusste. »Doch die aktuelle Krise ist eine hervorragende Möglichkeit, alles zu ändern. Denn Rassismus darf im Sport keinen Platz haben.«
Es besteht also Hoffnung für Beitar. Zumal die Fans im Stadion beim letzten Spiel gegen den arabischen Club Sachnin spontan in Applaus ausbrachen, als mit Kadijew der erste muslimische Spieler des Clubs auf dem Rasen sein Debut gab und gegen das Leder trat. Eins zu Null gegen den Rassismus.