Diplomatie

Kalte Friedenspartner

Schwamm drüber: Netanjahu und König Abdullah legen die Botschafts-Krise bei. Foto: Reuters

Die palästinensischen Proteste gegen die Metalldetektoren auf dem Tempelberg – die in der vergangenen Woche wieder abgebaut wurden – waren auch nach Jordanien hinübergeschwappt, wo sich etwa 70 Prozent der Bevölkerung als palästinensisch bezeichnen. Unruhen unter Palästinensern im Haschemitischen Königreich bergen immer auch Gefahr für den Bestand der Monarchie.

Diese stützt sich vor allem auf königstreue Beduinen und Tscherkessen. König Abdullah beeilte sich daher, das israelische Vorgehen in Jerusalem zu verurteilen. In Amman kam es zudem zu einem Zwischenfall, der zur schwersten diplomatischen Krise zwischen den »Friedenspartnern« Israel und Jordanien seit Jahren eskalierte.

In einer Wohnung von Botschaftsangehörigen hatte Mohammed al-Juwaida, ein 17-jähriger jordanischer Möbellieferant, am 23. Juli mit einem Schraubenzieher auf einen israelischen Sicherheitsmann eingestochen und ihn leicht verletzt. Der Israeli erschoss den Angreifer. Getroffen wurde dabei auch der jordanische Vermieter, Bashar al-Hamarna, der später seiner Verletzung erlag. Der Sicherheitsmann begab sich sofort in die nahe gelegene israelische Botschaft, während die jordanische Polizei alle umliegenden Straßen sperrte.

Um die Lage in den Griff zu bekommen, telefonierten Premier Benjamin Netanjahu und König Abdullah miteinander. Über den Inhalt des Gesprächs ist nur bekannt, dass der König eine sofortige Rücknahme der israelischen Sicherheitsmaßnahmen auf dem Tempelberg forderte, während Netanjahu versprach, den Status quo am Tempelberg nicht anzurühren. So konnten beide Seiten ihr Gesicht wahren und kamen überein, noch am Abend die gesamte Belegschaft der Botschaft in einen Konvoi zu setzen und zur Grenze nach Israel fahren zu lassen.

Sieger Doch kaum waren die Botschaftsangehörigen in Sicherheit, bahnte sich schon die nächste Krise an. Netanjahu begrüßte die wohlbehalten in Israel angelangten Diplomaten, umarmte liebevoll den Sicherheitsmann Ziv und nannte ihn einen Helden. Die Bilder dieser Begegnung empfand König Abdullah als Ohrfeige. Der fordert inzwischen, Ziv wegen des »Mordes« an zwei Jordaniern den Prozess zu machen.

Als Sieger des diplomatischen Zwischenfalls ist dennoch Jordanien hervorgegangen. Denn König Abdullah hat aller Welt und vor allem den Palästinensern gezeigt, dass er die Schlüssel zum Tempelberg in der Hand hält. Denn nur durch seine Intervention wurden die Metalldetektoren abgebaut.

Das Sagen im Haram al-Sharif, dem »erhabenen Heiligtum« (Tempelberg), hat seit jeher der Waqf, die islamische Religionsverwaltung, eine jordanische Behörde. Doch an Ort und Stelle bestimmen die Palästinenser. Israel erzwang 1967 einige Änderungen, so die Besuche von Nichtmuslimen, also Juden, Christen und anderen Touristen. Allen Nichtmuslimen ist allerdings strikt verboten, auf dem Berg zu beten oder gar »talmudische Rituale« durchzuführen.

Jordaniens Einfluss ist aufgrund der Besatzung und Annexion des Westjordanlandes zwischen 1948 und 1967 bis heute größer, als vielen bewusst ist. So besitzen alle dort lebenden Palästinenser außerhalb der selbstverwalteten Autonomiegebiete bis heute einen jordanischen Pass. Sie müssen ihn regelmäßig in Amman erneuern lassen, um ins Ausland reisen zu können. Das gilt vor allem für die arabischen Bewohner Ost-Jerusalems, die sowohl in den Medien als auch vom deutschen Auswärtigen Amt oft fälschlicherweise als Palästinenser bezeichnet werden.

Kontakte Zwischen den frühen Zionisten und dem jordanischen Monarchen Abdullah gab es schon vor fast 100 Jahren erste enge Kontakte. Noch Tage vor der Staatsgründung reiste Golda Meir inkognito nach Amman. Gleichwohl beteiligte sich Jordanien 1948 am Krieg gegen den frisch gegründeten Staat Israel und eroberte Ost-Jerusalem und das Westjordanland. Alle Juden dort wurden von den Jordaniern entweder massakriert oder vertrieben. Die Synagogen im jüdischen Viertel der Altstadt wurden gesprengt und die Grabsteine des ältesten jüdischen Friedhofs auf dem Ölberg für den Bau von Latrinen missbraucht.

Als sich nach dem Friedensvertrag 1994 der israelische Premier Yitzhak Rabin und König Hussein gegenseitig eine Zigarette anzündeten, gestand Hussein seine beiden »schwersten politischen Fehler«: 1967 habe er sich trotz israelischer Warnung, blindlings der ägyptischen Propaganda folgend, am Sechstagekrieg beteiligt und so Jerusalem und das Westjordanland verloren. 1973 »irrte« Hussein erneut, indem er den Jom-Kippur-Krieg nicht dazu nutzte, das Westjordanland zurückzuerobern.

Putsch Zuvor, im »Schwarzen September« 1970, veranstaltete Jassir Arafat an der Spitze seiner PLO-Truppen in Jordanien einen Putsch, um anstelle des Königreichs eine »palästinensische Republik« zu gründen. Es gab heftige Diskussionen in Israel, ob man Arafat oder Hussein unterstützen sollte. Denn wenn damals ein palästinensischer Staat östlich des Jordans gegründet worden wäre, würde heute niemand mehr von einer Zweistaatenlösung sprechen. Israel entschied sich für Hussein und sorgte mit Säbelrasseln dafür, dass Syrien seinen südlichen Nachbarn nicht überrennen würde. 10.000 Palästinenser wurden getötet. Arafat wurde geschlagen und nach Libanon vertrieben, wo er einen Bürgerkrieg auslöste und Israel 1982 in den nächsten Krieg zog. Hussein wusste genau, dass Israel ihn gerettet hatte.

1994 konnte Jordanien mit Israel auch offiziell Frieden schließen, nachdem Israel die Palästinenser »anerkannt« hatte. Im Zentrum des Vertrags steht angeblich ein Geheimparagraf, in dem Israel sich verpflichtet habe, Jordanien militärisch zu verteidigen, sollte es von Norden (Syrien) oder Osten (Irak) angegriffen werden. Dieser Friedensvertrag bietet Jordanien gewissermaßen eine Überlebensgarantie.

1997, drei Jahre nach der Einrichtung der Autonomiebehörde infolge der Osloer Abkommen und zwei Jahre nach der Ermordung von Yitzhak Rabin, war es König Hussein persönlich, der durch ein Abkommen mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das noch offene Problem Hebron löste. Die größte arabische Stadt im Westjordanland wurde geteilt, nun mit einer israelischen Enklave im uralten jüdischen Viertel Hebrons, während der Rest der palästinensischen Selbstverwaltung unterstellt wurde. Netanjahu übergab in diesem Rahmen mehr Land an die Palästinenser als Yitzhak Rabin und Schimon Peres im Rahmen der Osloer Verträge.

Waren Heute sind die wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und militärischen Beziehungen umfangreich. Jordanien exportiert seine Waren per Lastwagen und bald per direkter Bahnverbindung über den Hafen von Haifa nach Europa. Es bezieht Wasser aus dem See Genezareth sowie Erdgas. Gemeinsam soll ein Kanal von Eilat zum Toten Meer gebaut werden. Ausrangierte Kampfhubschrauber wurden von Israel an Jordanien übergeben, und Jordanier können als Gastarbeiter in Eilat gutes Geld verdienen. Touristen wechseln unproblematisch über zwei Grenzübergänge von Israel nach Jordanien und umgekehrt.

Gleichwohl kommt es auch zu sehr unerquicklichen Zwischenfällen, etwa jüngst, als jordanische Polizisten jüdischen Pilgern untersagten, in Petra am Grab des Hohepriesters Aharon, dem Bruder des biblischen Moses, zu beten. In ganz Jordanien sei es Juden »verboten«, zu beten – sogar im Hotelzimmer.

Die bislang schwerste Krise zwischen Jordanien und Israel fand vor 21 Jahren statt. Am 25. September 1997 verübten zwei Mossad-Agenten in Amman auf offener Straße mit einer Giftspritze einen Mordanschlag auf den Hamas-Führer Chaled Maschal. Die Agenten wurden verhaftet und Maschal ins Krankenhaus gebracht. Bei dringlichen Verhandlungen auf höchster Ebene forderten die Jordanier von Israel, ein Gegengift nach Amman zu schicken, um Maschal das Leben zu retten.

Kurz darauf wurden die Mossad-Agenten freigelassen. Israel wurde noch abverlangt, den Gründer und Chef der Hamas, Scheich Ahmad Jassin, aus dem Gefängnis zu entlassen. Doch dabei blieb es nicht: 2004 wurde der Scheich mitsamt seinen Leibwächtern im Gazastreifen von einer israelischen Rakete gezielt getötet.

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