Gewalt

Kahanes Enkel vor Gericht

Der Anwalt der Angeklagten, Itamar Ben-Gvir (M.), spricht mit Pressevertretern. Foto: Flash 90

Monatelang lagen sie wie ein dunkler Schatten über dem Land: die Morde an den Mitgliedern der palästinensischen Familie Dawabsche im Sommer vergangenen Jahres. Von Anfang an vermuteten Experten jüdische Rechtsextremisten hinter der Tat, doch die vier Monate andauernden Ermittlungen des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Nun kommen die Hintergründe der grauenvollen Tat ans Licht, und die mutmaßlichen Täter werden vor Gericht gestellt.

Bei dem Attentat im Juli 2015 warf der Täter eine Brandbombe durch ein offenes Fenster in das Schlafzimmer der Familie Dawabsche. Der erst 18 Monate alte Ali verbrannte in seinem Bettchen, seine Eltern Saed und Reham erlagen ihren Verletzungen kurze Zeit später. Alis vierjähriger Bruder Achmed liegt noch immer mit schweren Brandwunden in einem Tel Aviver Krankenhaus. Politiker aller Richtungen hatten die Tat aufs Schärfste verurteilt und als »jüdischen Terror« bezeichnet.

Jetzt sind der 21-jährige Amiram Ben-Uliel und ein minderjähriger Israeli, der als A. bezeichnet wird, wegen Mordes, versuchten Mordes und Beihilfe zum Mord angeklagt. Beide gehören zum harten Kern der rechtsextremen »Hilltop Youth« (Hügeljugend), die illegal jüdische Siedlungen im Westjordanland baut und vor Gewalt nicht zurückschreckt.

Rache In der Anklageschrift schreibt Generalstaatsanwalt Yehuda Weinstein, die Taten seien begangen worden, um den Mord an Malachi Rosenfeld zu rächen, der im Juni von palästinensischen Terroristen erschossen worden war. Ben-Uliel und A. hätten daraufhin gemeinsam Anschläge ausgeheckt. Am Tag der Attacke versteckte sich Ben-Uliel in einer Höhle und wartete auf A. Als der Minderjährige nicht auftauchte, habe sich der Hauptangeklagte allein auf den Weg gemacht – mit zwei Molotowcocktails im Rucksack und der klaren Absicht, Palästinenser zu töten, so die Anklage. In Duma angekommen, warf Ben-Uliel eine seiner Brandbomben zunächst in ein unbewohntes Haus. Als er feststellte, dass niemand darin war, suchte er sich das nächste – das, in der die Familie Dawabsche schlief.

Ben-Uliel und A. sind keine Einzelfälle. Zwei weitere junge Männer (einer 21, der andere minderjährig) sind in verschiedenen Fällen wegen Gewalt und Sachbeschädigung gegen Palästinenser angeklagt. Außerdem werden sie verdächtigt, für den Brandanschlag auf die Kirche der Brotvermehrung am See Genezareth verantwortlich zu sein.

Doch es geht für die Extremisten um mehr als Racheakte, wie die Ermittlungen des Schin Bet zeigen. Die Mitglieder der Gruppe um den Anführer Meir Ettinger, ein Enkel des rechtsextremen Rabbi Meir Kahane, wollen mit ihren Barackensiedlungen zwar kurzfristig Gebiete besetzen. Ihr messianisches Ziel aber ist es, den israelischen Staat zu unterwandern und zu Fall zu bringen. Die Anarchisten erkennen weder Regierung noch staatliche Institutionen an.

König Das bestätigte die Ehefrau des Angeklagten, Oriana Ben-Uliel. Die 22-Jährige ist selbst bereits in Sicherheitskreisen als »extrem gewalttätig« bekannt. In einem Interview mit der Tageszeitung Yedioth Ahronoth erklärte sie, dass die Gruppe einen »halachischen Staat, basierend auf dem jüdischen Religionsgesetz« anstrebe. »Mit einem König, wie in der Tora beschrieben.« Allerdings bestritt sie, dass ihr Ehemann etwas mit der Tat von Duma zu tun hat. »Wir machen nicht, was wir wollen – Menschen angreifen oder anzünden.«

Auch der Rechtsanwalt aller Angeklagten beharrt auf der Unschuld seiner Klienten. Itamar Ben-Gvir ist kein Unbekannter in den Kreisen der extremistischen Siedler. Selbst wurde er in mehr als 50 Fällen wegen rassistischer und rechtsextremistischer Aufwiegelung angeklagt. Er war es auch, der die These in Umlauf brachte, die Verdächtigen würden vom Inlandsgeheimdienst systematisch gefoltert und sexuell belästigt. Einige rechtsgerichtete Knessetabgeordnete, allen voran Bezalel Smotrich (Jüdisches Haus), behaupteten, die Verdächtigen seien allesamt unschuldig und die Geständnisse »lediglich aus ihnen herausgeprügelt worden«.

Vertrauen Premier Benjamin Netanjahu erklärte dazu knapp, dass alle Verhöre im Rahmen des Gesetzes und unter Aufsicht des Generalstaatsanwaltes stattgefunden hätten. Viele Rabbiner, Politiker und sogar der Vorsitzende des Jüdischen Hauses, Naftali Bennett, sprachen dem Geheimdienst ihr Vertrauen aus.

Einige Tage, bevor die Nachrichtensperre aufgehoben wurde, tauchte ein Video auf, das die Gesinnung der Rechtsextremen deutlich zeigte: Auf einer Hochzeitsfeier von fanatischen Siedlern tanzten die Gäste, darunter Kinder, wild mit Waffen herum und feierten den Brandanschlag von Duma. Das Foto des verbrannten palästinensischen Kleinkindes Ali Dawabsche wurde mit Messern durchbohrt und angezündet. Die »Hochzeit des Hasses« ging durch die sozialen Medien. Und die Israelis waren entsetzt.

Experten zeigen sich indes wenig überrascht. Es gebe schon lange einen Prozess der Radikalisierung in der nationalreligiösen Gemeinde. Als harter Kern gilt eine Gruppe von »neuen jüdischen Terroristen«, wie der Schin Bet mitteilt. Die rund 100 jungen Leute im Alter von 15 bis 24 Jahren seien von den Schriften des Kahane-Enkels Ettinger beeinflusst und würden systematisch auf ihr Ziel hinarbeiten: »ein neues Königreich Judäa auf den Ruinen des demokratischen Staates Israel«.

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