Einen Monat nach dem von der islamistischen Terrororganisation Hamas in Israel verübten Massaker sind israelische Streitkräfte (IDF) tief in den Gazastreifen vorgedrungen. Bodentruppen seien bereits in der Stadt Gaza im Einsatz und erhöhten dort den Druck, sagte Armeesprecher Daniel Hagari. Zuvor hatten die IDF den Gazastreifen bereits in zwei Hälften geteilt und die Stadt Gaza vollständig eingekreist.
Jordanien zog unterdessen eine »rote Linie«. Versuche, Palästinenser aus dem Gazastreifen oder dem Westjordanland zu vertreiben, werde das Königreich als »Kriegserklärung« betrachten, sagte der jordanische Ministerpräsident Bisher al-Khasawneh laut der staatlichen Nachrichtenagentur Petra am Montag. Die »brutalen Angriffe auf Krankenwagen und humanitäre Hilfskräfte« im Gazastreifen widersprächen »dem Prinzip der Selbstverteidigung«. Laut Al-Khasawneh sind »alle Optionen auf dem Tisch«.
Die israelische Armee vertreibt allerdings keine Palästinenser - weder aus dem Gazastreifen noch aus dem Westjordanland. Seit Wochen werden die Bewohner des nördlichen Teils des Gebietes angewiesen, sich in den Süden zu begeben - zu ihrer eigenen Sicherheit, denn im Norden wird der Krieg gegen den Terror intensiviert. Die Hamas versucht, Palästinenser daran zu hindern, sich in Sicherheit zu bringen, um Israel vorwerfen zu können, es greife Zivilisten an.
Tarnung im Krankenwagen
Krankenwagen in Gaza sind bereits aus der Luft angegriffen worden, wenn sie Terroristen transportierten. Nach Angaben der IDF sind sie außerhalb des Tunnelsystems das reguläre Fortbewegungsmittel der Hamas. Die Terroristen wollen sich damit tarnen.
In den vergangenen 24 Stunden seien mehrere Kommandeure der Hamas getötet worden, sagte Armeesprecher Hagari. Zwei von ihnen seien Drahtzieher des Massakers in Israel am 7. Oktober gewesen, bei dem mehr als 1400 Israelis ermordet wurden. Zudem habe das Militär mehrere Eingänge unterirdischer Tunnel zerstört. Viele davon befänden sich in der Nähe von Schulen, Krankenhäusern und humanitären Einrichtungen. Panzer- und Bodentruppen hätten in der Nähe einer Moschee Abschussrampen für Raketen entdeckt.
Palästinensische Augenzeugen hatten am Montag von Schäden am Dach des Schifa-Krankenhauses im Zuge von israelischen Angriffen berichtet. Auf die Frage, ob Israel auch die Klinik angreifen werde, die nach Darstellung der Armee ebenfalls als Hamas-Kommandozentrum dient, sagte der Sprecher: »Wir werden tiefer in die Stadt Gaza eindringen und an jeden Ort gelangen, an dem es Terroristen gibt.« Es gebe »keinen Ort, an dem Hamas-Terroristen vor Angriffen der Armee sicher sein werden«.
Nein zu genereller Feuerpause
Eine längere Feuerpause im Gazastreifen schloss der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erneut aus. »Ohne die Freilassung der Geiseln wird es keine allgemeine Feuerpause im Gazastreifen geben«, sagte Netanjahu dem US-Fernsehsender ABC. »Was taktische Pausen angeht - eine Stunde hier, eine Stunde dort - können wir prüfen, um humanitäre Güter hineinzubringen und einzelne Geiseln herauszubringen.« Bereits dreimal stellte Israel seine Angriffe für mehrere Stunden ein, um Zivilisten die Möglichkeit zu geben, vom Norden in den Süden des Gazastreifens zu laufen.
Eine allgemeine Waffenruhe würde nach Einschätzung von Netanjahu den Kriegszielen Israels entgegenstehen. »Das würde unsere Bemühungen behindern, unsere Geiseln zu befreien, denn das Einzige, was diese Kriminellen der Hamas verstehen, ist der militärische Druck, den wir ausüben«, sagte er im ABC-Interview.
Angesichts der dramatischen Lage im Gazastreifen wollen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) dort ein Feldkrankenhaus errichten. Auf Anweisung des emiratischen Präsidenten Mohammed bin Sajid solle das Krankenhaus der palästinensischen Bevölkerung in dem Küstengebiet notwendige medizinische Hilfe bereitstellen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur WAM. Fünf Flugzeuge seien bereits von Abu Dhabi aus mit der notwendigen Ausrüstung für das Krankenhaus abgeflogen.
»Krise der Menschheit«
Die Fracht sollte im ägyptischen Ort Al-Arisch ausgeladen und dann in den Gazastreifen gebracht werden. Das Feldkrankenhaus solle mit 150 Betten ausgestattet sein und verschiedene medizinische Fachrichtungen abdecken.
UN-Generalsekretär António Guterres bezeichnete die Situation im Gazastreifen als »Krise der Menschheit«. Er forderte erneut eine sofortige Freilassung der nach Gaza verschleppten Geiseln und einen humanitären Waffenstillstand. »Gaza wird zu einem Friedhof für Kinder«, sagte Guterres in New York.
Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan kritisierte die Äußerungen scharf. »Es sind mehr als 30 Tage vergangen, seit die Kinder im Süden Israels absichtlich von Hamas-Terroristen abgeschlachtet wurden, aber Sie haben nichts über einen »Friedhof für Kinder« gesagt, in den der Süden Israels verwandelt wurde«, schrieb er auf der Plattform X. Guterres habe seinen »moralischen Kompass verloren« und müsse zurücktreten.
Baerbock in Japan
Angesichts der Not der Zivilbevölkerung im Gazastreifen will sich Außenministerin Annalena Baerbock beim G7-Treffen in Japan an diesem Dienstag für Feuerpausen stark machen. »Wir werden darüber sprechen, wie wir jetzt mit vereinten Kräften humanitäre Pausen erreichen können, um die Not der Menschen in Gaza zu lindern«, kündigte die Grünen-Politikerin vor dem Arbeitsessen der G7-Außenminister in Tokio an.
Die islamistische Hamas dürfe nicht weiter das Schicksal der Menschen im Gazastreifen bestimmen, verlangte Baerbock. In Tokio werde es »daher auch darum gehen, über den Tag hinaus zu denken, etwa praktische Schritte zu erörtern hin zu einer Zweistaatenlösung«.
Entwicklungsministerin Svenja Schulze trifft in Jordanien den Chef des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA). Bei dem Gespräch in der Hauptstadt Amman dürfte es wohl vor allem um die ausgesetzten Zahlungen Deutschlands an die Organisation gehen.
Die Bundesregierung hatte ihre Hilfszahlungen für die Palästinensergebiete und für palästinensische Flüchtlinge in den Nachbarländern nach dem Überfall der Hamas vom 7. Oktober auf Israel vorübergehend gestoppt und eine eingehende Überprüfung aller Projekte angekündigt. Dies hat auch mit regelmäßig erhobenen Vorwürfen gegen die UNRWA zu tun - in Zusammenhang mit antiisraelischem Unterrichtsmaterial in den Schulen der UN-Organisation und Lehrern, die den Terror gegen Israel unterstützen. dpa/ja