Die Israelis sollen wieder wählen gehen. Dieses Mal allerdings, um in Direktwahlen den Premierminister zu bestimmen.
Am Montag brachte die streng religiöse Schas-Partei den Vorschlag in der Knesset ein. Angeblich soll so der politische Stillstand aufgelöst werden. Denn nach fast einem Monat gibt es in Israel noch immer keine regierungsfähige Koalition.
LÖSUNG Premier Netanjahu unterstützt die Idee und erklärte, »es gibt eine Lösung«. Statt eine Koalition zu formen, werde der Premierminister direkt vom Volk gewählt, fügte er noch hinzu. Und der soll natürlich Benjamin Netanjahu heißen. Die Knesset müsste in diesem Fall nicht aufgelöst werden. Eine Direktwahl könnte binnen 30 Tagen nach der Annahme des Vorschlags stattfinden.
Netanjahu hatte vor zwei Wochen von Präsident Reuven Rivlin das Mandat erhalten, eine Regierung zu bilden, dies ist ihm bislang jedoch nicht gelungen. Sein Block aus Religiösen und Rechten müsste von der islamischen Partei Raam unterstützt werden, um die benötigten 61 Sitze zu erhalten. Dies aber wird vehement von der Rechtsaußen-Partei Religiöser Zionismus abgelehnt.
»Es ist absurd, dass Bennett Premierminister sein will.«
Ministerpräsident Benjamin Netanjahu
Zünglein an der Waage ist nach wie vor auch Jamina von Naftali Bennett. Doch auch mit seiner Beteiligung hätte der Rechtsblock lediglich 59 Sitze.
TREFFEN Einerseits würde Bennett gern selbst auf dem Chefsessel Platz nehmen, andererseits wolle er kein Teil einer »Linksregierung« gemeinsam mit Yair Lapid sein, wie er in der vergangenen Woche klarmachte.
Netanjahu war wiederholt mit Bennett zusammengekommen, um ihn zum Beitritt zu seiner Koalition zu drängen. Kurz nach dem letzten Treffen wetterte Netanjahu dann jedoch: »Es ist absurd, dass Bennett Premierminister sein will.« Es ist kein Geheimnis, dass sich die beiden persönlich alles andere als gut verstehen.
Der Vorsitzende der Zentrumspartei Blau-Weiß, Benny Gantz, warnte Bennett, dass Netanjahu keine »Verhandlungen, sondern ihn stattdessen moralisch und politisch zerstören will«. Er selbst hatte das am eigenen Leib zu spüren bekommen, als er eine Notstands-Regierung mit Netanjahu inmitten der Corona-Pandemie eingegangen war und in fast jeder Angelegenheit vom Ministerpräsidenten übergangen wurde.
CHANCE Währenddessen wartet Lapid, Chef von Jesch Atid, derzeit auf seine Chance, eine Regierung zu bilden. Er nennt sie »Einheitsregierung«, an der sowohl linke wie rechte Parteien beteiligt wären. Der Präsident könnte ihm in zwei Wochen, wenn Netanjahu bis dahin noch immer keine Regierung gebildet hat, das Mandat dafür übertragen. Lapid war von 45 Parlamentariern als Ministerpräsident vorgeschlagen worden.
Selbst wenn die Knesset die Direktwahl zum Premier zulässt, bedeutet es nicht, dass eine Auflösung des politischen Stillstands in Jerusalem garantiert ist. Denn nach wie vor wird Netanjahu 61 Sitze in der Knesset für eine Koalition brauchen, um überhaupt regieren zu können. Und woher er die bekommen soll, erklärte er nicht.