Stimmen aus Israel

»Israelis sind Weltmeister darin, an der Normalität festzuhalten«

Wenige Stunden nach dem Gegenschlag Israels auf den Iran nach dessen direktem Angriff mit mehr als 300 Raketen und Drohnen vom vergangenen Wochenende sind Tel Avivs Straßen und Supermärkte voll mit Menschen. Es ist das Wochenende vor Pessach, und es gibt viel zu tun, einzukaufen und zu besorgen. »Israelis sind Weltmeister darin, in Krieg und Krise an der Normalität festzuhalten«, sagt Aviram Givoni am Telefon. »Das Wetter ist schön, die Leute sitzen in den Cafés und am Strand.« Im Hintergrund ist lautes Hupen zu hören. Aber die Nachrichten seien natürlich voll mit dem nächtlichen Gegenschlag, fünf Tage nach dem Großangriff der Mullahs auf den jüdischen Staat.

»Ich denke, jeder von uns muss sich um Normalität bemühen, damit die Angst nicht unsere Köpfe kontrolliert«, so der strategische Berater für europäisch-israelische Beziehungen weiter. »Natürlich ist das ganze Land seit dem 7. Oktober nicht normal.« Aber man müsse es versuchen. Und zu dieser Normalität gehöre auch, dass die Fußballspiele der 1. und 2. Liga in Israel dieses Wochenende weiterhin stattfinden sollen.

Unter den Menschen in den Cafés ist auch Liat Zand, die mit ihrer Familie das schöne Wetter genießt. Das sei das Statement der Israelis, sagt die 59-jährige Digital-Content-Texterin über die vollen Tische um sich herum. Es gebe keine unmittelbare Gefahr, aber ja, die Angst sei als Grundgefühl die ganze Zeit da.

»Ich wünschte, es wäre nur eine Scharade, ein Machttanz«

»Wir versuchen, unser Leben weiterzuleben, ohne darüber nachzudenken, was heute, heute Abend, morgen oder nächste Woche passieren wird«, sagt Jeanne Vachon-Flores, die in Jerusalem für die Hadassah-Krankenhäuser arbeitet. Aber sie spricht auch von der Angst vor dem, was passieren könnte, »weil wir wissen, dass wir nichts anderes tun können, als uns mit einer Tasche darauf vorzubereiten, in einen Schutzraum zu gehen.« Seit dem 7. Oktober versuche jeder, etwas zu tun, um zu helfen, so die 34-Jährige. Aber »sei es durch seine Arbeit oder durch Freiwilligenarbeit. Ich selbst habe das große Glück, für eine Organisation zu arbeiten, die nicht nur Verletzten in ihren Jerusalemer Krankenhäusern hilft, sondern auch proaktiv auf alle Eventualitäten vorbereitet ist.«

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»Ich hoffe, dass die Interaktion zwischen Israel und dem Iran mit der Scharade eines Hundekampfes vergleichbar ist, bei dem die Reißzähne aufblitzen und Knurren ausgestoßen wird, aber keine Partei von der anderen signifikant gebissen wird«, sagt der Psychotherapeut Roy Spungin aus Hadera. »Obwohl meine größte Befürchtung ist, dass dies nicht der Fall ist, und dass es angesichts der Extremisten auf beiden Seiten zu einer echten Eskalation kommen könnte. Ich wünschte, es wäre nur eine Scharade, ein Machttanz, bei dem niemand zu Schaden kommt«, so der 67-Jährige.

»Wir hätten schon vor Jahren reagieren sollen«

Das sieht Agam Cohen, der gerade seinen Armeedienst beendet hat, zum Teil anders. »Einerseits bin ich der Meinung, dass wir auf das Ausmaß des Angriffs der Islamischen Republik Iran, die ihre eigene Bevölkerung unterdrückt, nicht die richtige Antwort gegeben haben. Die Menschen dort sind nicht unser Feind. Es ist das Regime, und wir haben ihm keine Angst eingeflößt. Wir haben aber unsere Fähigkeit bewiesen, dass wir den Iran infiltrieren können«, so der 22-Jährige. Er habe sich »unter Stress gesetzt« gefühlt, dass von Israel verlangt wurde, nicht auf den Angriff des Iran zu reagieren und auch nicht darauf, dass der Iran jahrelang versucht hat, »uns durch Stellvertreter in der Region und Israelis im Ausland zu erwischen. Wir hätten schon vor Jahren reagieren sollen«.

Seit dem 7. Oktober habe er das Gefühl, dass ihn nichts mehr überraschen oder erschrecken könne, »denn das Schlimmste ist bereits passiert«, sagt Matan Amit. Der schwarze Humor der Israelis in Situationen wie diesen sei ja bekannt, aber »es war großartig, wie Israel und seine Verbündeten den Angriff des Iran am vergangenen Wochenende abgewehrt haben«. Das habe auch das Vertrauen in die Stärke der Armee ein Stück wiederhergestellt, so der Musiker.

»Es ist schwer, Menschen, die nicht hier leben, zu beschreiben, wie es sich anfühlt. Ich lebe ein ganz normales Leben, habe gerade mit meiner Schwester gefrühstückt und gehe jetzt für den Seder einkaufen.« Und gleichzeitig ist Krieg.

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